Der Kampf der Balinen. Kathrin-Silvia Kunze

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Название Der Kampf der Balinen
Автор произведения Kathrin-Silvia Kunze
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738002126



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unvermittelt und lief eilig zur Tür. Ganz so, als wäre dies ihre letzte Möglichkeit zu fliehen. Zu fliehen vor einer Wahrheit, die sie doch bitte einfach nicht wissen wollte! Sie wollte dem dunklen Gefühl entfliehen, das sich ihrer bemächtigen wollte. Und fast hatte sie es auch schon geschafft. Beinahe, nur noch ein kleines Stück und schon hatte sie die rettende Tür erreicht. Schon streckte sie ihre Hand danach aus. Doch weiter sollte sie nicht kommen. Denn hinter sich hörte sie Trismons tiefe Stimme: „Da ist noch etwas Wichtiges!“ Die Worte erklangen ihr mit einer Endgültigkeit, als würde ein schwerer Stein in einen tiefen Brunnen fallen und unaufhaltsam im dunklen Wasser versinken. Noch immer zur Tür gewandt, ließ Seline ihre ausgestreckte Hand wieder sinken. Sie drehte sich nicht um. Reglos stand sie da. Sie hatte aufgegeben. Nun gab es kein Entkommen mehr. Das Schicksal - ihr Schicksal - hatte sie eingeholt! „Wir wissen nicht genau wie“, fuhr Trismon erbarmungslos fort und Trauer färbte seine Stimme, „aber es hat uns angegriffen. Was immer es auch ist, es ist gefährlich. Wir müssen sogar davon ausgehen, dass Gefahr für das ganze Volk besteht!“ Seline schloss fest die Augen. Schloss die Tür aus, die ihr den Weg versperrt hatte, schloss alles um sich her aus. Wie ein Kind, das nicht sehen wollte, was es zu sehen gab. Tief erschüttert lies sie den Kopf sinken. Denn der sinkende Stein war nun hart und unwiderruflich auf dem Boden des Brunnens aufgeschlagen.

      13. Kapitel

      Die Nachtluft war erfüllt vom würzigen Geruch der taufeuchten Wiesen. Ein milder Frühlingswind, der sanft die Gebäude der Stadt umstrich, trug ihn mit sich. Der schwarze Himmel über Melan war sternenbestickt. Gleich einem dichten, dunklen Tuch übersäht mit klaren Wassertropfen, funkelte und glitzerte es überall. Die Stadt lag in tiefem Schlummer. Von den bedeutungsschweren Ereignissen des Tages niedergedrückt, war sie nun vollkommen verstummt. Die Stille war mit der Hand zu greifen. Und selbst das kleine geheime Kriechgetier der Nacht blickte sich verwundert um, denn zum ersten Mal konnte es seine eigenen Schritte hören. Plötzlich jedoch unterbrach ein verhaltenes Ächzen die Stille und das Geräusch von Krallen, die über Gestein kratzen, war zu vernehmen. Ein großer, breitschultriger Mann, offenbar ein geschickter Kletterer, war soeben dabei, eines der großen Kuppelgebäude von Melan zu erklimmen. Scheinbar handelte es sich um eines der Werks- oder Vorratsgebäude. Denn von innen war dort kein Licht zu sehen, kein Laut zu hören und sei es nur ein Flüstern. So belebt und umtriebig lärmend diese Gebäude auch am Tag waren. In der Nacht war dort alles leer und still. Trismon hatte nicht einschlafen können. Zu unruhig war sein Geist. Nun wollte er sich dem Anblick der Sterne hingeben. Wollte ihnen ganz nahe sein. Und fast hatte er sein Ziel auch schon erreicht. Noch einmal spannte er die Armmuskeln und krallte sich mit den Händen ins Gestein. Dann stützte er sich mit den Füßen am Untergrund ab. So gelangte er vorsichtig, Schritt für Schritt, über den steilen, rauen Untergrund hinweg, immer höher hinauf. Geschafft! Von hier aus war das Kuppeldach des Gebäudes nun nicht mehr so abschüssig und wurde nach oben hin immer flacher. Zumindest für Trismon flach genug, damit er bequem darauf laufen konnte, sofern er das Gleichgewicht und die Windeinwirkung dabei im Auge behielt. Und als Trismon den Mittelpunkt des Daches erreicht hatte, setzte er sich, umringt von Sternen und streckte zufrieden die Beine aus. Dabei fiel im sofort auf, dass der rote Sandstein die Wärme des Tageslichts aufzunehmen schien. Denn auch jetzt, in der nächtlichen Kälte der Dunkelheit, war er noch angenehm warm. Also ließ Trismon sich nach hinten sinken. Aber was er sah, waren nicht die hellen Lichter über ihm. Was er sah, waren seine Gedanken. Hier lag er nun. Die Hände hinter dem Kopf verschränkt, ein Bein angewinkelt. Auf einem Dach in einer fremden Stadt. Fern seiner Heimat, die womöglich in diesem Moment schon wieder in Bedrängnis war. Oder schlimmer noch, von wo aus sich die Gefahr in diesem Augenblick schon ausbreitete und auf das Volk der Balinen zukroch. Mürrisch griff Trismon nach einem der Grasbüschel, die hier vereinzelt auf dem Sandsteindach wuchsen. Er brach sich einen der harten, vertrockneten, langen Halme ab und steckte ihn sich in den Mundwinkel. Um sich abzulenken kaute er darauf herum. Der dicke Zopf, den er sich geflochten hatte, störte ihn beim Liegen. Und so zog er grob an dem braunen Baumwollband, bis der Knoten sich davon löste. Er fuhr sich achtlos durch die Haare, bis sie wieder offen waren und legte dann den Kopf zurück auf den warmen Stein. Schön war es hier oben! Aber seine blauen Raubtieraugen waren so voller Sorge, dass kein Platz darin blieb, für das Licht der Sterne, die über ihm glimmten. Der Rat von Melan, erinnerte sich Trismon. Die Empathin, wie war gleich noch ihr Name gewesen, hatte sofort den Rat zusammengerufen. Denn bei einer Angelegenheit von höchster Wichtigkeit wie dieser, hatte sie ihm gesagt, seien viele Meinungen und Urteile von Nöten. Trismon hatte den großen Saal bewundert, in den er dann wenig später geführt worden war. Und es hatte ihn gewundert, warum das Ratsgespräch nicht direkt hatte beginnen dürfen, obwohl die Empathin schon nach kurzer Zeit die vollständige Anwesenheit aller Mitglieder verkündet hatte. Ein älterer Mann von erstaunlich agiler Statur und mit klugen Augen, hatte Trismons Verwirrung darüber offenbar erkannt. Er sagte sein Name sei Trahil und erklärte Trismon, das der Rat zunächst noch auf den Sonnenhöchststand warten würde. Dann nämlich, würde das Sonnenlicht durch einen eigens dafür erbauten Fensterbogen fallen. Der Fensterbogen war so gestaltet, dass zu allen Tagen des Jahres immer bei Sonnenhöchststand, die Lichtstrahlen durch ihn hindurchfielen. So, erklärte der Alte weiter, würde der Saal vom Licht durchflutet. Damit das reine, klare Licht, die Gedanken aller Anwesenden reinigt und klärt. Trismon war noch immer beeindruckt von diesem Ritual. Und er überlegte, ob ihm auch das Licht der Sterne dort oben helfen konnte, um kluge Gedanken zu denken. Denn nur zu gerne hätte er herausgefunden, was dieses finstere, gefährliche Unbekannte, das seine Heimat in Angst und Schrecken versetzt hatte, denn nun eigentlich war. Nicht etwa, dass man Trismon in der Ratsversammlung nach seiner Meinung dazu gefragt hätte. Das hatte er auch nicht erwartet. Schließlich war er kein Ratsmitglied. Und in den Siedlungen gab es so etwas einen Rat auch nicht. Dort wurde immer nur einer von den Ältesten, der welcher am fähigsten war, um Rat gefragt. Dennoch, Trismon war gekränkt. Wütend nahm den schon völlig abgekauten Halm aus dem Mund und schleuderte ihn fauchend in die dunkle Nacht hinein. Er hatte schon einige Vorstellungen davon, was dieses Etwas sein könnte. Sie hätten ihn auch nach seiner Meinung fragen sollen! Denn keiner von ihnen hatte es selbst gesehen. Er jedoch war dabei gewesen! Hatte diese Zerstörungskraft gefühlt! Zugegeben, sie kannten ihn ja auch noch nicht richtig, dachte Trismon etwas versöhnlicher. Er zog sich einen weiteren vertrockneten Grashalm ab und begann wieder darauf herumzukauen. Nur deshalb trauten sie ihm noch zu wenig zu. Aber wenigstens mit dem Beschluss des Rates war Trismon zufrieden. Bei der Erinnerung daran, beruhigte er sich wieder vollends und atmete tief durch. Sein Körper entkrampfte sich und der warme Sandstein tat sein Übriges, um die verspannten Muskeln wieder zu lockern. Der Rat von Melan hatte schnell erkannt, dass noch weit mehr Weisheit von Nöten war um dieses Geheimnis zu ergründen. Auch waren alle der Meinung, dass diese Angelegenheit das gesamte Volk der Balinen betraf. „Hiermit rufen wir die Allversammlung aus!“, hatte die Empathin am Ende der Ratssitzung verkündet. „Wir werden Boten in alle Städte aussenden! Sie sollen es überall bekannt geben. Melan ruft zum großen Rat. Zum Rat des Volkes! Zur Allversammlung der Balinen!“ Und sie hatte hinzugefügt: „Dies hat es in der Geschichte unseres Volkes noch nie zuvor gegeben. Doch die Zeichen drängen uns dazu. Das Volk der Balinen muss sich versammeln! Hier in Melan.“ Trismon spürte, dass sich seine Nackenhaare aufgestellt hatten. Und dies lag nicht an dem Wind, der hier oben über ihn hinwegstrich. Trismon war ergriffen von dem Gedanken an die Allversammlung. Und schon beim Morgengrauen sollten die nötigen Vorbereitungen beginnen. Ich sollte wirklich versuchen, noch etwas Schlaf zu finden, dachte er. Damit ich wenigstens morgen dabei etwas nützen kann. Er spannte seine Muskeln an, warf die Beine in die Luft und war mit einem Satz wieder auf den Beinen. Dann jedoch bemerkte Trismon aus dem Augenwinkel eine Bewegung. Und sofort, noch eher er recht darüber nachdenken musste, duckte er sich instinktiv. Er kauerte auf dem rauen Boden des Kuppeldachs. Seine großen Raubtieraugen durchforschten die nächtliche Stadt. Anders als im hellen Licht des Tages, waren seine schwarzen Pupillen nun nicht enge, schmale Schlitze, sondern rund und voll. Das Licht der Sterne reichte ihm völlig aus, um jede noch so kleine Feinheit in der Beschaffenheit der Stadt zu erkennen. Gebäude, Türen, Fenster. Ihr Material, ihre Muster. Selbst in den beschatteten Ecken und Winkeln. Die sandigen Straßen. Und tatsächlich! Auf einer dieser Straßen, huschten zwei eilige Gestalten. Trismon verengte angestrengt seine Augen, um ihre Gesichter erkennen zu können. Denn sie hatten sich dicke, lange Umhänge