Im Zentrum der Wut. Irene Dorfner

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Название Im Zentrum der Wut
Автор произведения Irene Dorfner
Жанр Языкознание
Серия Leo Schwartz
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742731159



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gab es nur Spekulationen. Die Premierministerin war bereits auf dem Weg zu ihm, in Begleitung des stellvertretenden Verteidigungsministers Paul Stanton.

      Die Lage in Heathrow hatte sich noch nicht entspannt. Noch war hier die Hölle los. Gordon Bell war der Verantwortliche und er hatte alle Hände voll zu tun. Bell hatte nur wenige Minuten nach den Explosionen reagiert und alles Erforderliche in die Wege geleitet. Die Schüsse hatte er mitbekommen, aber er wusste diese nicht zu verhindern. Bis er die erforderlichen Kräfte zusammenzog, war alles schon vorbei. Noch lief alles schleppend, aber er war trotzdem zufrieden. Die vielen Übungen und Schulungen seiner Leute hatten sich bezahlt gemacht. Wie ein Uhrwerk griff ein Rädchen ins andere. Außenstehende würden behaupten, dass hier das reinste Chaos herrschte, aber Bell hatte den Überblick und war deshalb weit entfernt davon, das als Chaos zu bezeichnen. Als Bobby Lancaster und Sarah Parker-Green in sein Büro traten, konnte er ausführlich berichten.

      „Die erste Explosion war hier mitten in Terminal 3, die Bombe befand sich in einem Mülleimer. Die zweite fand hier auf der Herrentoilette in Terminal 5 statt. Danach gab es hier, hier und hier vereinzelte Schüsse. Besonders auf diese Tür, die sich direkt nach der Sicherheitskontrolle in Terminal 5 befindet, wurde mehrfach geschossen, sie hielt der Attacke stand.“

      „Die wichtigste Frage vorab: Gab es durch den Anschlag Tote oder Verletzte?“

      „Zum Glück gab es keine Toten. Die Explosionen waren sehr gering. Die haben zwar einen Höllenlärm verursacht, hatten aber keine große Sprengkraft. Wir haben vier Verletzte, die allerdings nicht unmittelbar auf den Terrorakt zurückzuführen sind. Bis auf eine verletzte Person, die einen Streifschuss abbekommen hat, das war hier ebenfalls in Terminal 5. Der Verletzte wurde in unmittelbarer Nähe der besagten Tür gefunden.“

      „Das kann ich kaum glauben! Durch die Schüsse wurde nur eine einzige Person verletzt?“

      „Es sieht so aus, als hätten die beiden Männer die meisten Schüsse in die Luft abgegeben, die Einschusslöcher sind eindeutig. Nur der Verletzte mit dem Streifschuss und diese eine Tür bei der Sicherheitskontrolle sind auffällig.“

      „Warum wurde auf diese Tür geschossen?“

      „Das wissen wir nicht. Einer meiner Mitarbeiter, Kevin Sparks, war dort mit einem Deutschen.“

      „Zu einer intensiveren Kontrolle, nehme ich an?“, fragte Sarah.

      „Richtig.“

      „Wo finden wir die beiden?“

      „In Sparks Büro, den Gang runter, die zweite Tür rechts. Die Schüsse haben den beiden ordentlich zugesetzt, sie sind noch sehr mitgenommen.“

      „Kameraaufzeichnungen?“

      „Sind hier auf dem Stick. Zwei Täter, beide maskiert. Eine Aufnahme würde ich Ihnen gerne zeigen.“ Bell drehte den Monitor zu den beiden Kollegen vom Scotland Yard. „Hier verlassen beide das Flughafengebäude. Einer hatte sich die Maske vom Kopf gezogen. Wir sind noch dabei, den Mann zu identifizieren.“

      „Wo sind die beiden hin?“

      „Zum Parkplatz. Hier steigen sie in einen Wagen, das Kennzeichen ist nicht zu sehen. Hier fahren sie außer Reichweite der Überwachungskameras, dort taucht der Wagen wieder auf. Wir hoffen, dass er durch eine der Straßensperren gestoppt wird, ich habe eine entsprechende Information bereits rausgegeben. Drücken Sie die Daumen.“

      „Sehr gute Arbeit, Gordon.“ Bobby Lancaster steckte den Stick ein. Den Inhalt mussten sie sich später genauer ansehen. Das würde heute auf jeden Fall wieder ein sehr langer Tag werden.

      Als Bobby und Sarah Sparks‘ Büro betraten, unterhielten sich Sparks und Leo angeregt in Deutsch, was beide sehr gut verstanden. Sparks sprang sofort auf, als er die beiden Kollegen vom Scotland Yard erkannte. Robert „Bobby“ Lancaster war achtundvierzig Jahre alt und eine lebende Legende unter allen Kollegen, seitdem er vor drei Jahren ein elfjähriges Mädchen aus den Fängen ihres Peinigers befreit hatte. Er hatte damals den richtigen Riecher gehabt, während alle anderen den falschen Spuren nachgingen, die vom Entführer eigens für die Polizei gelegt wurden. Darüber hinaus hatte Bobby den Mann verprügelt, bevor er ihm Handschellen anlegte, was sein Ansehen noch steigerte, auch wenn er deshalb einen fetten Rüffel kassiert hatte. Kevin Sparks salutierte vor Lancaster, dem das sichtlich unangenehm war. Die achtunddreißigjährige Sarah Parker-Green kannte die Reaktion anderer auf ihren acht Jahre älteren Kollegen Bobby und fand das völlig in Ordnung. Von seinen hervorragenden beruflichen Fähigkeiten abgesehen war Bobby ein phantastischer Mensch, auf den sie sich immer voll und ganz verlassen konnte. Er war stets höflich und korrekt, aber wenn er sauer wurde, dann so richtig. Das oberflächliche Geplänkel war schnell vorbei und man grüßte Leo Schwartz abschätzend. Es musste einen Grund gehabt haben, warum Sparks sich diesen Touristen näher vornahm. Sarah Parker-Green registrierte mit einem Schmunzeln das vielsagende T-Shirt des Deutschen, während Lancaster als überzeugter Royalist die Nase rümpfte. Solche Respektlosigkeiten mochte er überhaupt nicht.

      „Warum wurde Herr Schwartz einer näheren Überprüfung unterzogen?“, fragte Lancaster.

      „Weil ich nur Handgepäck dabei habe und so aussehe wie ich aussehe. Eine Frechheit, wenn Sie mich fragen. Gut, über das T-Shirt könnten wir streiten, aber der Rest ist doch absolut okay“, wandte sich Leo an Sarah, die sich ein Lachen jetzt wirklich nicht mehr verkneifen konnte, als sie die hässliche Tasche bemerkte, die irgendwie zu dem Mann passte. Der riesige Deutsche stach wirklich aus der Reihe, sie hätte ihn sich auch näher angesehen.

      „Herr Schwartz kam mir verdächtig vor“, sagte Sparks immer noch stocksteif.

      „Und? Haben Sie etwas gefunden, das Ihren Verdacht bestätigt hat?“

      „Nein, Sir. Der Mann ist harmlos. Außerdem ist er ebenfalls Polizist.“

      „Sie arbeiten bei der Polizei?“

      „Ja, bei der Kriminalpolizei, Mordkommission“, fügte Leo nicht ohne Stolz hinzu. Jetzt, da er seinen Job laut ausgesprochen hatte, klang er nicht mehr ganz so schlimm.

      „Was denken Sie, warum gerade auf Ihre Tür geschossen wurde?“

      „Keine Ahnung. Wenn Sie möchten, könnten wir das gemeinsam herausfinden.“ Leo pokerte hoch. Ob diese steifen Briten auf sein Angebot eingingen?

      „Was soll das heißen?“

      „Ich würde Sie gerne bei Ihrer Arbeit unterstützen. Ich bin Polizist und da ich annehme, dass ich so schnell das Land nicht verlassen kann, sitze ich hier fest. Ich habe nichts anderes zu tun und biete meine Dienste an.“

      Lancaster lächelte zum ersten Mal. Was hatte das zu bedeuten?

      „Ruhen Sie sich aus, wir sprechen uns später wieder.“

      „Was für ein arroganter Typ“, sagte Leo, als Lancaster und Sarah gegangen waren.

      „Wie können Sie es wagen? Bobby Lancaster ist ein Held und genießt großes Ansehen bei allen britischen Polizisten und in der Bevölkerung!“ Sparks war sauer auf Leo. Nachdem sich der Umgang zwischen den beiden gelockert hatte, schlug die Stimmung schlagartig um, was Leo völlig gleichgültig war. Er hatte den Polizisten seine Hilfe angeboten und musste nun warten, ob sie sie annahmen. Ja, er würde sehr gerne wissen, was hinter dem Ganzen steckte, denn nach einem normalen Terroranschlag sah das hier nicht aus. Die Sprengladungen waren geradezu lächerlich. Wenn jemand vorgehabt hätte, wirklichen Schaden anzurichten, hätte man anders vorgehen müssen. Soweit er verstanden hatte, waren nur wenige Schüsse von lediglich zwei Personen abgegeben worden, die meisten davon auf die Tür, hinter der sich Sparks und er befanden. Alles Dinge, die für sein Empfinden gegen einen gut durchdachten Anschlag sprachen.

      „Wissen Sie, was ich nicht begreife? Zwei bewaffnete Täter schießen auf einem der größten Flughäfen der Welt um sich. Und die erwischen nur eine einzige Person, obwohl es hier von Menschen nur so wimmelt?“

      Auch wenn Sparks immer noch sauer auf Leo war, musste er ihm zustimmen.

      „Sie meinen, dass es nicht