Midnight Dates: Lust & Schmerz. Mira Schwarz

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Название Midnight Dates: Lust & Schmerz
Автор произведения Mira Schwarz
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783741878367



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Klatschpresse zerriss ihn als Schurken, von dem man nicht wusste, wie er sein Geld machte und mit Despoten in aller Welt verhandelte. Andere wiederrum mutmaßten, dass er als Spin-Doctor und Berater für wichtige Politiker tätig war.

      Nachdem ich die dünne Akte bearbeitet hatte, kam mein pechschwarzer Gremling durchs offene Fenster des vierten Stocks hinein und kuschelte sich zu mir auf die Couch. Es musste mittlerweile fast 10 PM sein. Die Nacht hatte ihr dunkles Tuch über die Stadt geworfen. In der Ferne konnte man einige Wolkenkratzer erkennen und das Lichterspiel, welches Nacht für Nacht der Finsternis trotzte. Genau wie Gremling und ich, war auch Andrew Scamander ein Nachtmensch. Ob er jetzt noch arbeitete?

      Seitdem ich mich erinnern konnte, war es schon immer die Dunkelheit, welche mir am meisten lag. Meine Eltern kamen aus Kansas und arbeiteten nachts im Schichtdienst. Immer, wenn ich die beiden sehen wollte, musste ich wach bleiben und mich nachts alleine beschäftigen. Die Dunkelheit war mein Freund. So war es in der Highschool und so auch im Studium. Wenn andere auf Partys gingen, musste ich mit Jobs Geld verdienen oder lernte in der Bibliothek. Andrew Scamander schien ein ähnlicher Mensch zu sein. Nur, dass er Millionen hatte und mehrere Firmen sein eigen nannte.

      Noch einmal sah ich auf die Uhr.

      „Wo du immer bist, ist mir ein Rätsel“, hauchte ich und gab Gremling ein paar Drops. Dabei sah ich auf die Akte. „Und wo wir gerade bei Rätsels sind …“

      Vielleicht brauchte ich einfach eine Ablenkung von den krachenden Niederlagen der letzten Tage. Ich gab meinem Kater einen Kuss, nahm die Autoschlüssel und erhob mich.

      Wir hatten noch nicht einmal Mitternacht … die Nacht war also noch jung.

      ***

      „Hat sie mich auf den Arm genommen?“, flüsterte ich leise zu mir selbst und drehte mich in alle Richtungen.

      Noch einmal überprüfte ich die hastig hin gekritzelte Adresse. Tatsächlich war im Firmenhauptsitz von „Scamander Industries“ noch jemand und tatsächlich schlich sich ein leichtes Klingeln in mein Ohr, als die junge Dame behauptete, nicht zu wissen, wo Andrew Scamander verweilte.

      Also wedelte ich mit der Akte, faselte etwas von einem Durchsuchungsbeschluss und deutete an, dass Beihilfe zu Straftaten nicht unter drei Jahren bestraft werden könnte. Es tat mir wirklich leid, als die junge Frau einbrach, mit den Tränen kämpfte und mir schließlich die Adresse aufschrieb, zu der ihm der Chauffeur jeden Samstag brachte.

      Ich würde mich definitiv für sie einsetzen, falls Scamander sie feuern sollte. Andererseits war diese Stadt ein Haifischbecken und jeder wollte irgendwie überleben. Trotzdem - versuchen musste ich es.

      Ich staunte nicht schlecht, als mich das Navigationsgerät zu einem stilgelegen U-Bahnhof im östlichen Teil von Harlem manövrierte. Der Stadtteil, der früher einmal Little Africa hieß und vor Jahrzehnten von den Italienerin übernommen würde, war mittlerweile einer der teuersten der Stadt. Überall schossen neue Hochhäuser aus dem Boden, die Grundstückspreise explodierten und nur dort, wo die wenigen Bewohner wiederstand gegen die großen Firmen leisteten, ließen die Mieter die Häuser verfallen.

      So wie hier.

      Das Rauschen des Harlem Rivers drang mir an die Ohren. Von der Seeseite wehte ein salziger Geruch in die Stadt und vermischte sich mit dem Smog zu einer ganz eigenen Komposition. Heißer Nebel stieg von den Abgasrohren auf, als ich die Treppe der U-Bahn herunterschritt und meine Taschenlampe anknipste.

      Hatte die Sekretärin mich etwa wirklich auf den Arm genommen? War es vielleicht sogar die Strategie des Andrew Scamander, unliebsamen Besuch auf solche Weise in die Irre zu führen? Langsam wurde der Typ noch interessanter, als er ohnehin schon war.

      Ohne zu nachdenken, dass mein nächtlicher Einsatz von Erfolg gekrönt sein könnte, schlich ich weiter die Treppen herab. Viele sagten, dass es mehrerer, andere U-Bahn-Netze, unter dem eigentlichen Gleisen gäbe. Notfallbahnen, früherer Versuche von Firmen, die teilweise bis ins 19. Jahrhundert reichten. New York war eine Stadt der Extreme, aber auch mit einer Geschichte, die viele überraschte. Jeder Schritt, jeder Atemzug sprühte vor Historie.

      So kam es mir auch vor, als ich den Bahnsteig betrat. Die Absperrgitter hatte jemand beiseite gerissen. Werbeplakate von Firmen, die längst nicht mehr existierten, brannten sich in meinen Geist. Zeitungen, Schlafsäcke und Spritzen lagen überall auf dem Boden verteilt.

      Ein ganz normaler Unterschlupf für jene, die nicht viel Glück im Leben hatten, dachte ich mir und wollte gerade umkehren, als mir der Schein von Flammen auffiel. Zuckende Silhouetten tanzten am anderen Ende der Schachts, aus dem normalerweise die U-Bahn erscheinen sollte, um die Menschen zur Arbeit oder nach Hause zu bringen.

      Das rötliche Orange flackerte kurz auf und war dann wieder verschwunden. Selbst im September war es hier noch ausnehmend warm, als ob hinter den Wänden die Heizungen auf Hochtouren arbeiten würden.

      Ich näherte mich langsam und erkannte bei jedem Schritt, dass Rufe und Schreie lauter wurden. Sicherheitshalber knipste ich meine Taschenlampe aus, steckte sie weg und legte meine Hand auf den Griff meiner Pistole.

      Umso näher ich kam, desto lauter wurden die Stimmen. Der Boden knirschte unter meinen Füßen, als ich den Gleisen in den Tunnel folgte und dem Licht nachging, wie eine Motte.

      Als ich um die Ecke bog, erkannte ich zuerst hell loderndes Feuer aus Tonnen. Es mussten fünf oder sechs sein, die hier aufgestellt wurden. Eine Menschenmenge aus circa 30 Personen feuerte zwei Männern an, welche mit erhobenen Fäusten und verschwitzen Körpern aufeinander losgingen.

      Jedermann war hier vertreten. Der Punk schrie neben dem Mann im Anzug, flankiert von zwei Damen in Jeans. Dazu drei Bauarbeiter, etliche Chinesen mit breitem Grinsen, Obdachlose, die sichtlich Spaß hatten und ganz normale Menschen, die ich im wahren Leben, oberhalb der Tunnel, niemals wahrgenommen hätte. Sie alle bildeten eine atmende, pulsierende Masse, die sich kaum mehr unterscheiden ließ.

      Ein wahres Tollhaus, eine Parallelwelt, welches ohne jedwede Regeln auszukommen schien. Meine Finger glitten von der Waffe, als ich mich näherte. Im Kreis der Anwesenden konnte ich einen Hünen erkennen. Blond, mit Vollbart bis zur Brust und Tätowierungen, welche alleine schon Angst machten. Er kämpfte gegen …

      Meine Augen weiteten sich. Beinahe hätte ich den Mann nicht erkannt, welcher aus der Nase blutete und ein geschwollenes Auge sein eigen nannte. Vollgeschwitzt und mit konzentriertem Blick grinste Andrew Scamander den Mann an.

      Er tänzelte wie eine Tier, das nur darauf wartete, zuzuschlagen. Seine Muskeln spielten unter seiner Haut, die Haare klebten auf seiner Stirn. Er duckte sich, schlug dem Typen zwei Harken in die Nieren und musste seinerseits drei Schläge einstecken.

      Für einen Moment sackte er zusammen, während der blonde Hüne jubilierte und sich vom Publikum anfeuern ließ. Ein Mann mit Hut nahm weiterer Wetten an und wedelte mit unzähligen Dollar-Noten umher.

      Im Schein des Feuers glänzte seine Haut rötlich. Aus den Gesten und Bewegungen der Menschen erkannte ich, dass sie Scamander abschrieben, jedoch lachte dieser nur und zwinkerte den Obdachlosen zu. Sie reckten ihre Hände in die Höhe, als wussten sie, was gleich kommen würde.

      Scamander erhob sich, atmete durch. Sein massiver Brustkorb hob und senkte sich. Er zog sich die blutigen Bandagen an seinen Händen zurecht und wartete, bis der blonde Riese seine Jubelorgie hinter sich gebracht hatte.

      „Bereit?“ Die tiefe Stimme des Mannes drang mühelos an meine Ohren.

      Der Hüne nickte und hob die Fäuste.

      Für eine Sekunde wurde ich das Gefühl nicht los, dass Scamander nicht menschliche Kräfte entfesselte. Er schoss auf den Mann los, versetzte ihm zwei Schläge, bis er seine Deckung sinken ließ. Mit dem Knie und einem gezielten Haken, schickte er den Mann schließlich auf den kalten Beton.

      Die Menge hielt einen Moment inne und jubilierte schließlich.

      Scamander hob die Hand zum Sieg und während ich mich näher an ihn heran wagte, half er dem blonden Kontrahenten auf die Beine. Schließlich setzte er sich