Die Servator Verschwörung. Jürgen Ruhr

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Название Die Servator Verschwörung
Автор произведения Jürgen Ruhr
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742743503



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eine Tasse aus dem Schrank nehmen wollte und den Arm hochhielt, schlüpfte sie darunter hindurch und stand direkt vor mir. Zwischen der Anrichte und mir. Ich konnte gar nicht so schnell reagieren und versuchte sie wegzustoßen, als sie plötzlich anfing zu schreien. Da wurde ich auch schon von hinten gepackt und der Chefredakteur stieß mich gegen die offene Tür. Anschließend teilte er mir in seinem Büro mit, dass ich als Mitarbeiter nicht mehr zu halten sei. Sexuelle Nötigung am Arbeitsplatz. Es würde keine Anzeige geben, wenn ich mich ruhig verhielte und nicht gegen die Kündigung angehen würde. So etwas habe ich noch nie gemacht - sexuelle Nötigung! Was soll nun werden?“

      Ron hatte sich das Geständnis seines Kollegen mit wachsendem Zorn angehört. Sie brauchten hier jeden Mann und Zinad war einer der Besten. Welchen Grund gab es, so etwas zu inszenieren, nur um den Mitarbeiter los zu werden? Und warum hatte Maike sich darauf eingelassen?

      „Ich werde mit Fellger sprechen. Jetzt erst recht“, meinte er zornig. „Und mit Maike. Das Spiel war doch abgekartet. Aber warum?“

      Zinad sprach jetzt leise und stockend: „Fellger mag mich nicht. Weil ich Inder bin. Er versucht schon seit einer geraumen Weile mich loszuwerden. Bisher war ihm das aber nicht gelungen.“

      „Und diesmal gelingt es ihm auch nicht. Dafür werde ich sorgen! Und die Zettel dort behältst du. Für eure Recherchen. Noch ist die Korruptionsgeschichte lange nicht tot!“

      Zinad nickte, ließ aber nicht viel Optimismus erkennen. Für ihn war der Chefredakteur einfach zu mächtig. Mächtiger jedenfalls als so ein kleiner Onlineredakteur. Mochte er auch noch so sehr der Sohn vom großen Boss sein.

      Ron steckte den leeren Umschlag in die Tasche und wandte sich Richtung Fellgers Büro. Gerade verließ es Dirk Meizel mit einem unglücklichen Gesichtsausdruck. Er bemerkte Ron erst, als sie sich gegenüberstanden. „Morgen Dirk. Alles in Ordnung?“

      „Morgen. Ja, alles in Ordnung“, erwiderte der Angesprochene tonlos. Dann eilte er an seinen Arbeitsplatz.

      ‚Es wird langsam Zeit, dass sich hier etwas ändert‘, dachte Ron und betrat das Büro durch die offenstehende Tür.

      „Nayst“, wurde er vom Chefredakteur unfreundlich begrüßt. „Können sie nicht anklopfen? Das wäre doch ein Minimum an Höflichkeit. Als ihr Chef kann ich das doch verlangen. Oder sind sie anderer Meinung?“

      Ronald klopfte pro forma an den Türrahmen. „Herr Fellger. Ich glaube, es gibt da einige Dinge über die wir reden müssen. Wa...“

      „Glauben heißt nicht wissen“, unterbrach ihn der Mann. „Wenn sie nur glauben, dann sollten sie in die Kirche gehen. Oder zurück in ihr New York. Wir haben hier genügend Leute. Unser neuer Onlineredakteur hat sich hervorragend eingearbeitet. Sie sehen also, dass sie überflüssig sind und endlich nach Hause zurückkehren sollten.“

      „Herr Fellger“, Ron konnte seinen Zorn nur mühsam unterdrücken. „Hier geht es nicht um meine Person. Sondern um die Redaktion. Darum, dass sie meines Erachtens recht willkürliche Entscheidungen treffen, die dem gesamten Verlagshaus schaden.“

      „Ihres Erachtens, ihres Erachten“, äffte Fellger ihn nach. Ron konnte seinen Zorn nur noch mühsam zurückhalten. „Hier, wissen sie, was das ist?“ Der Chefredakteur hielt ein Blatt Papier hoch. Ron konnte die kleingedruckten Buchstaben darauf nicht erkennen, sah aber, dass der Bogen von der New Yorker Zentrale stammen musste. Fellger hielt ihm das Blatt hin. „Lesen sie ruhig, dann wissen sie, woher der Wind weht.“

      Ron überflog den Text. Im Groben ging es um mehrere Beschwerden Fellgers über Ronald C. Nayst, also ihn, worin von Vernachlässigung der Arbeit, mangelnder Kompetenz und arrogantem Auftreten als Sohn des Chefs gesprochen wurde. Fellger wurde von oberster Stelle volle Unterstützung zugesagt, wobei betont wurde, dass Ron nicht in seiner Eigenschaft als Sohn des Bosses, sondern als Hilfe in der Onlineredaktion in Berlin sei. Sollte eine Zusammenarbeit nicht mehr möglich sein, so könnte der Chefredakteur diese aufkündigen und Ron nach New York zurückkehren lassen.

      Fellger betrachtete den jungen Mann mit einem süffisanten Grinsen. „Also, junger Mann. Es wird Zeit, dass sie ihre Koffer packen!“

      „Nicht, bevor wir zwei Dinge geklärt haben: Erstens in Bezug auf die Korruptionsaffäre gibt es jetzt Beweise. Ich bin zufällig auf einen Umschlag mit handschriftlichen Notizen über korrupte Politiker und deren Verbindung zur Industrie gestoßen. Sie können den Artikel doch nicht einfach unter den Tisch fallen lassen! Und zweitens ist die Entlassung Changas nicht rechtens. Das war doch arrangiert! Changa ist ein hervorragender Journalist, den entlässt man nicht so einfach!“

      Fellger grinste ihn an: „Man vielleicht nicht, ich aber schon.“ Dann pochte er mit dem Knöchel seines Zeigefingers auf das Blatt. „Sie erinnern sich aber schon, was dort geschrieben steht? Mischen sie sich gefälligst nicht in meine Entscheidungen ein. Und die Sache mit dem Artikel geht sie erst recht nichts an. Das sind Entscheidungen, die auf hoher Ebene getroffen werden.“

      Ron hätte den Chefredakteur am liebsten laut angeschrien, hielt sich aber mühsam zurück: „Hohe Ebene? Meinen sie damit sich? Oder die Zentrale in New York? Wer entscheidet so etwas?“

      Fellger grinste immer noch: „Das geht sie nichts an, junger Mann. Ich verrate nur so viel: Da steckt höchste Politik dahinter!“

      Ron konnte seinen Zorn jetzt doch nicht mehr so ganz unterdrücken: „Höchste Politik? Herr Fellger wir sind ein unabhängiges Blatt. Niemand schreibt uns vor, worüber wir berichten.“ - „Papperlapapp. Ich bin hier der Chefredakteur. Und jetzt zeigen sie doch mal diese komischen Notizen her.“

      Ron war froh, Zinad Changa die Papiere überlassen zu haben. „Die hat Herr Changa. Er arbeitet ja an der Korruptionsgeschichte.“

      Fellger schüttelte grinsend den Kopf: „Hat gearbeitet. Jetzt gibt es keine Geschichte mehr. Sie können gehen, Nayst. Und schicken sie mir Changa herein!“

      Ronald kehrte an seinen Arbeitsplatz zurück, ohne Zinad zu benachrichtigen. Sollte der Chefredakteur sich doch selber darum kümmern. Er war schließlich nicht dessen Laufbursche.

      Der Schreibtisch war verwaist, Matthias Prokas nicht da. Dafür lag überall Müll herum. Ron nahm sich vor, ein ernstes Wort mit dem jungen Mann zu sprechen und ihn dann an einen der freien Arbeitsplätze zu setzen. Seufzend ließ er sich auf seinem Bürostuhl nieder.

      „Da ist man einmal kurz zur Toilette und dann das ...“

      Ron blickte auf und erkannte Prokas, der mit einer Kaffeetasse vor ihm stand. „Der Chef meinte, dass das jetzt mein Platz hier ist. Hat er ihnen das nicht mitgeteilt?

      Ronald spürte wieder diesen Zorn in sich aufsteigen, antwortete aber völlig ruhig: „In gewisser Weise eigentlich schon.“ Er dachte an Fellgers Worte, dass er nach New York zurückkehren sollte. In aller Ruhe suchte er die paar Habseligkeiten, die er hier hatte, zusammen. „Dann muss ich mir wohl einen neuen Platz suchen“, meinte er nur. Es gab ja genügend freie Arbeitsplätze. Plötzlich fiel ihm noch etwas ein und er kehrte zu Prokas zurück. „Hat der Chefredakteur ihnen eigentlich schon Aufgaben zugeteilt?“, fragte er den.

      „Aber sicher doch. Ich übernehme alle ihre Aufgaben.“

      „Fein, dann denken sie daran, dass Samstag der Auftritt der Laienmusikergruppe stattfindet. Den Termin werden dann wohl sie wahrnehmen müssen!“

      Prokas sah ihn fragend an und Ron wusste, dass der junge Mann noch keine Ahnung von dem bevorstehenden Arbeitspensum hatte. Aber er nickte ihm lediglich zu und begab sich dann zur Kaffeeküche. Wie nicht anders erwartet, traf er dort auf die Praktikantin. Sie kochte zur Abwechslung einmal keinen Kaffee, sondern lackierte sich die Fingernägel.

      „Hallo Maike.“

      „Für dich bitte Frau Rienatz.“

      Die Blonde lackierte sich seelenruhig die Nägel weiter. Ron sah, dass sie mit den Fußnägeln offensichtlich schon fertig war, denn zwischen ihren Zehen steckten kleine Wattebäusche.

      „Frau Rienatz? Ich dachte wir duzen uns? Schon vergessen?“