Von Gnomen und Menschen. Gisela Schaefer

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Название Von Gnomen und Menschen
Автор произведения Gisela Schaefer
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783738027549



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Gernots Frau leisten kann.“

      „Igitt! Schneckenschleim … müssen sie dafür die Schnecken töten?“

      „Ich fürchte ja. Der Fuchs hatte Recht als er behauptete, dass sie die Tiere ausnutzen … aber das taten die Nordmänner auch.“

      „Was meinst du, hat er auch Recht mit seiner Warnung, dass sie … na ja … auch für uns Verwendung hätten?“

      Bombur wiegte seinen Kopf hin und her. „Das wäre denkbar,“ sagte er schließlich gedehnt, „ich habe mal eine Frau belauscht während sie Erbsen pielte. Dabei fluchte sie lautstark und wünschte sich für diese langweilige Arbeit ein paar Wichtelmänner. Der Schmied des Dorfes sagte zu seinen Kindern, sie hätten einen kleinen Mann im Ohr. Natürlich habe ich, als sie schliefen, in ihre Ohren geschaut … keine Spur von kleinen Männern. Wie dem auch sei und was immer diese geheimnisvollen kleinen Kerle darin machen, für ihre Ohren könnten sie uns nicht brauchen, weil sie ziemlich klein sind.“

      Bombur, der schon längst ihre begehrlichen Blicke Richtung Reisesack bemerkt hatte, zog diesen nun zu sich heran und öffnete ihn lächelnd. „Übrigens,“ sagte er wie nebenbei, „ehe ich’s vergesse, ich hab da ein paar Sachen mitgebracht …“, und zog ein Büschel heller, lockiger Haare hervor. „Schafwolle … und seht nur, was sie daraus stricken … das legen sie sich um den Hals, wenn es kalt ist.“

      Ein Schal kam zum Vorschein, so weich und anschmiegsam, dass alle Gnom-Frauen in helle Aufregung gerieten ob dieser unbekannten Technik, Fäden zu verarbeiten. Weben und zusammennähen, das kannten sie, aber stricken? Sofort bedrängten sie Bombur, ihnen jetzt gleich und auf der Stelle vorzuführen, wie man die beiden dünnen, langen Holzstäbchen einsetzen musste, um ein solch kompliziertes Maschenwerk zu zaubern.

      „Hat mit Zauberei nichts zu tun, ist eine elende Plackerei, ich hoffe, ich hab’s nicht vergessen,“ brummte der und kratzte sich am Kopf – stricken war ganz und gar nicht sein Ding. Aber schließlich brachte er es fertig, mit steifen, ungeschickten Fingern eine erste Reihe Schlingen aufzunehmen und eine zweite Reihe zu stricken ohne eine Masche unterwegs zu verlieren.

      „So geht das,“ sagte er und wischte sich den Schweiß von der Stirn, „jetzt die volle Nadel auf die andere Seite und von vorne. Sie können sogar Muster hineinstricken, aber das tüftelt ihr bitte selber aus.“

      Damit drückte er seiner Frau das Kunstwerk in die Hand und wechselte schnell das Thema.

      „Manchmal,“ sagte er, „zu besonderen Anlässen, trägt Gernots Frau Schmuck aus Silber und bunten Steinen um den Hals, an den Fingern und an den Ohren.“

      „So wie die Gewandspangen, Gürtelschnallen und Bernsteinketten der Nordmänner?“

      „So ähnlich, ja, aber zierlicher gearbeitet.“

      Bombur fragte sich in diesem Moment, wie wohl die rundlichen Frauen seiner Sippe mit ihren niemals von einem Kamm berührten Wuschelhaaren, mit Knubbelnäschen und Riesenohrmuscheln, barfuß mit reichlich schwarzer Erde unter den Nägeln so herausgeputzt aussehen würden. Bisher war es den Gnomen noch nie in den Sinn gekommen, sich selber mit Gold und Edelsteinen zu schmücken. Aber Bomburs Ehrgeiz war entflammt, seit er diese kunstvollen Arbeiten gesehen hatte.

      Nach und nach holte er auch die übrigen Mitbringsel hervor: einen Kamm, einen Spiegel, eine Holzflöte, getrocknete Bohnen und Erbsen, Karottensamen, Weizen- und Haferkörner und vieles mehr, was jedes Mal mit Ausrufen des Staunens begleitet wurde. Tränen lachten sie über die kleinen Streiche ihrer Weisen Männer, die sie aus Übermut oder auch als Strafe verübt hatten. Wie zum Beispiel Durin den Hahn vom alten Bastian verzaubert hatte, weil der kurz davorstand, ihn ordentlich zu zerhacken. Oder wie sie Unruhe in den Ställen gestiftet hatten und schlaflose Nächte durch mancherlei störende Geräusche. Als alles bis ins Kleinste erzählt war, was es nur zu erzählen gab, stellte Bomburs Urenkel und zukünftiger Nachfolger Olof die entscheidende Frage: „Und wie steht‘s damit … können wir ihnen vertrauen oder nicht?“

      „Nein, können wir nicht und werden wir nicht,“ antwortete Bombur mit großer Entschiedenheit. „Die meisten von ihnen sind streitlustig, sie belügen und betrügen sich untereinander, selbst ihre Frauen und Kinder können nicht Frieden halten, und irgendwo im Land scheint immer ein Krieg zu toben. Sie besitzen Unmengen an Waffen, und sie haben so große Angst vor ihren Mitmenschen, dass sie um ihr Dorf einen Palisadenzaun errichten wollen. Wie könnten wir ihnen vertrauen, wenn sie sich untereinander nicht trauen? Nein, meine Lieben, so leid es mir tut, nicht während meiner Amtszeit!“

      So oder so ähnlich äußerten sich auch Bomburs Reisegefährten Nidi und Durin gegenüber ihren Familien – und damit war die Sache vom Tisch, wie man so schön sagt.

      Als hundert Jahre später, im Jahre 1020, Olof, Frido und Grendel von ihrem Ausflug zurückkamen, konnten auch sie nichts anderes sagen als: „Nein, meine Lieben, so leid es uns tut, nicht während unserer Amtszeit!“

      Auch ihre Urenkel nicht, und deren und immer so fort.

      So kam es, dass diese Fahrten über die Jahrhunderte Tradition bei den Gnomen wurden, wie das Bergbauwesen, wie das Amt des Weisen Mannes und wie der Transport durch Bubas Nachkommenschaft - immer noch im Andenken an die gute Tat Bomburs an der allerersten Uhu-Familie des Waldes.

      Nun waren diese Reisen aber keineswegs ergebnislos, denn jedes Mal gab es neben dem Altbekannten auch Neuigkeiten, Erheiterndes oder Bedrückendes. Mal lachten die Gnome schallend über die Verrücktheiten der Menschen, mal weinten sie Tränen, wenn sie von deren Schicksalsschlägen und Bosheiten hörten. Mit einer Mischung aus Entsetzen und Stolz reagierten sie auf die Nachricht, dass die Normannen, Nachfahren der Bewohner ihrer alten Heimat, im Jahre 1066 England erobert hatten. Die Nachkommen Gernots, die längst ihre Machtbefugnisse über das reine Beschützen hinaus ausgedehnt hatten, bauten sich eine Burg aus Holz und nannten sie Gernotsheim.

      Als jedoch eine Generation später das erste Gotteshaus aus Steinen errichtet wurde, ließen sie flugs eine steinerne Burg errichten und gaben ihr fortan den Namen Gernotstein. Die alte diente nun zur Unterbringung des Gesindes, das immer zahlreicher wurde, so wie ihre Ländereien immer größer und ihre Schatztruhen immer voller.

      „Was ist denn ein Gotteshaus?“ wurde Harald, der Urenkel Olofs nach seiner Reise im Jahr 1120 gefragt, worauf er etwas in Verlegenheit geriet.

      „Also … äh … das ist ein Haus mit einem ganz hohen Turm, worin sich eine Glocke befindet.“

      Mit einem Stöckchen malte er das Abbild einer Glocke in den Sand und versuchte zu beschreiben, welch einen ohrenbetäubenden Lärm der Klöppel machte, wenn er gegen die Glockenwand schlug.

      „Viel lauter, als wenn hundert Wildschweine kreischen … oder tausend Nordmänner grölen nach einigen Fässern Met … ihr könnt Lars und Fiete fragen, wir waren zwei Tage lang taub.“

      „Ja, warum machen sie denn einen solchen Lärm?“

      „Damit die Leute wissen, wann sie ins Gotteshaus kommen sollen, um zu beten … also mit Gott zu sprechen.“

      „Was ist Gott?“

      „Ein ER! Ein Geist oder was weiß ich, jedenfalls lebt er da oben,“ Harald zeigte nach oben, „weit hinter den Wolken, im Himmel. Dieser Gott hat viel mehr Macht als der mächtigste König. Er hat zehn strenge Gebote aufgestellt, nicht lügen und streiten und solche Sachen. Wenn ein Mensch stirbt, der zu seinen Lebzeiten folgsam war und diese zehn Gebote beachtet hat, kommt er auch in den Himmel. Dort lebt er dann mit anderen Verstorbenen in Frieden, Gesundheit und Liebe füreinander.“

      Eine hübsche Vorstellung, fanden die Gnome, fragten sich aber verwundert, warum sie nicht schon auf Erden in Frieden und Liebe füreinander lebten – wie sie selber es seit jeher taten. Und ihre Gesundheit? Nun ja, da hatten die Weisen Männer herausgefunden, dass diese sich in den meisten Fällen allein durch eine friedliche Lebensweise erhalten ließe - und die restlichen Krankheiten musste man eben kurieren, es wuchs für alles ein Kraut, nur wussten das offenbar die Menschen, insbesondere ihre Ärzte nicht.

      „Sie