Nacht über Maspalomas. Wolf Buchinger

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Название Nacht über Maspalomas
Автор произведения Wolf Buchinger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750233294



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      Wolf Buchinger

      Nacht über Maspalomas

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Nacht über Maspalomas

       Schlimmer als Corona

       Der Sturm

       Nebenwirkungen

       Dunkle Gestalten

       Windspiele

       Seltene Gedanken

       Das Ende naht

       Die Erlösung

       Impressum neobooks

      Nacht über Maspalomas

      Wolf Buchinger

       Nacht über Maspalomas

      Ein Roman für 1 Lesestunde

      „Happy birthday to you!“ Er hatte Tränen in den Augen und hätte am liebsten laut losgeheult, doch ‚Männer weinen nicht‘ und die vielen Menschen hier oben bewirkten, dass er sein Taschentuch dezent aus der Hosentasche holte, sich wegdrehte und blitzschnell das linke Auge trocknete, denn seine Frau hatte ihn beobachtet - und Emotionen zuzugeben, war nicht seine Stärke. Das rechte blieb jedoch feucht. Sie reichte ihm ein Papiertaschentuch, bewusst ohne ein Wort zu sagen, denn nach vierzig Ehejahren wusste sie, wie er reagiert hätte und damit die besondere Stimmung getrübt hätte.

      „Danke.“

      Mehr zu sagen schaffte er nicht, denn seine Gefühlwelt war sehr labil.

      „Du darfst ruhig heulen, ich drehe mich auch weg!“

      Er wusste, dass seine Frau ihm jetzt keine Schwäche vorwerfen würde, denn sie wünschte sich schon lange, dass er seine Emotionen zeigen könnte.

      „Bitte noch eins!“

      Sie gab ihm gleich drei Taschentücher, er benutzte sie alle.

      „Schau mal, die zelten hier!“ Dies war ein Versuch, ihn mit einer banalen Beobachtung zurück in die Spur zu bringen. Das Ablenkungsmanöver gelang:

      „Das sind ja zehn, zwanzig und mehr Zelte, hier oben ist das ungewöhnlich.“

      „Die haben vielleicht wieder einen ihrer vielen Feiertage, den sie hier oben feiern - die Beschneidung von Jesus

      oder so.“

      Sie setzten sich auf einen Felsvorsprung und beobachteten schweigend, wie überall gewerkelt wurde. Übervolle riesige Mercadona- und Lidl-Plastiktaschen wurden angeschleppt, auffallend die Zehnliter-Wasserbehälter, die sie von zuhause nicht kannten.

      „Damals waren wir hier ganz allein. Komm, wir machen noch das Erinnerungsfoto genau an derselben Stelle und fahren dann sofort zurück, hier wird es mir langsam zu eng.“

      „Noch etwas nach rechts, ja, genau wie damals - und bitte mit demselben verlegenen Lächeln!“

      Sie erinnerten sich noch genau, wie sie das Stativ mühsam auf dem unregelmäßigen Boden aufgestellt hatten, heute ging das alles ratzfatz, und dank dem Weitwinkelobjektiv war der ganze Roque Nublo auf dem Selfie abgelichtet. Jetzt war das Versprechen eingelöst, erst nach der Pensionierung wieder nach Gran Canaria zurückzukommen, denn ‚Sehnsucht macht eine Reise viel wertvoller‘. Geblieben ist in den langen Jahren in glücklichen Stunden, wenn sie seinen Penis hochlobte, ihr Vergleich mit dem Roque Nublo wegen der entsprechenden Form. Der Folgesatz war dann stets: „Es ist ja bald soweit!“

      Dies waren über viele Jahre Worthülsen, denn dieses „bald“ wurde in Jahrzehnten gemessen. Viel zu schnell konnten sie einstellige Zahlen angeben und am Schluss waren es gar nur Monate. ‚Die Zeit rast – verdammt noch mal!‘

      Der große Parkplatz war nun übervoll, drei Autofahrer bedrängten sie beim Hinausfahren und beschimpften sich gegenseitig.

      „Gut, dass wir so wenig spanisch verstehen! Ich habe nur ‚subito‘ verstanden. Ist das nicht italienisch?“

      Die Blechlawine, die ihnen entgegenkam, schien endlos zu sein, sie waren die einzigen, die nach bergab fuhren.

      „Vielleicht ist da oben ein Popkonzert oder es gibt etwas gratis?“

      „Das kann uns ja egal sein, Hauptsache, wir haben freie Fahrt. In einem Kilometer bitte nicht nach links fahren, sondern nach rechts ins Einkaufszentrum von Meloneras!“

      „Verstehe ich nicht, wir haben doch heute Morgen alles eingekauft.“

      „Es fehlt noch das, was wir danach immer kaufen.“

      „Verstehe ich auch nicht, aber ist eine gute Idee. Dann gehen wir heute wieder zum Schnitzelkönig, damit du nicht kochen musst.“

      „Du musst ja nicht jedes Mal drei große Bier trinken und ein Rumpsteak von vierhundert Gramm! Auch im Urlaub sollte man an seine Gesundheit denken.“

      „Danke für den Tipp, ich beuge lieber für die Zukunft vor, man weiß ja nie, wann schlechte Zeiten kommen.“

      Solche Larifari-Einstellungen zum Leben hatten sie immer schon aufgeregt, sie sagte aber nichts mehr, weil er dann noch mehr solcher Dummheiten als Entschuldigung bringen würde. Logik in der Ernährung war nicht sein Fall. Sie verkniff sich auch ihr letztes Argument „Stell dich mal wieder auf die Waage!“, sie kannte seine saudoofe Antwort: „Hier kann man günstig neue Gürtel kaufen“.

      „War es damals auch so heiß?“

      Er zeigte auf das Außenthermometer.

      „Toll, wie in den Tropen! 36,4 Grad. Schön, deswegen sind wir ja hier, da schmeckt das Königsbacher noch besser!“

      „Damals gab es keinen Smog wie heute, für eine Stadt am Meer ist das peinlich.“

      „Schau! 37,2 Grad!“

      „Auf solche Rekorde kann ich verzichten, zehn Grad weniger wären mir lieber.“

      Sie fuhren schweigend weiter und beobachteten das Thermometer, das schon fast 38 Grad erreicht hatte.

      Die Sicht wurde schnell immer schlechter.

      „Nix ‚ewige Sonne‘, wie es im Werbeprospekt heißt, das ist eine typische Übertreibung der Spanier, bei uns wäre das nicht möglich.“

      „Verdammt! Am dritten Urlaubstag schon dieser Reinfall. Man kann sich nicht einmal beschweren, das nutzt hier gar nichts.“

      Die Straßenbeleuchtung ging flackernd an.

      „Na, dann gute Nacht! Erst halb fünf, das kann ja heiter werden. Ich habe das Recht, jeden Abend beim Sonnenuntergang am Meer zu sitzen und ungestört den Beginn der Dunkelheit zu bewundern!