Название | Verfluchtes Erbe |
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Автор произведения | T.D. Amrein |
Жанр | Языкознание |
Серия | Krügers Fälle |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738009125 |
Hoffentlich ist ihr nichts Schlimmeres passiert. Krüger suchte nach der Klingel. Das wollte er jetzt sofort wissen. Nervös klingelte er erneut.
Erst nach einigen Minuten erschien eine Schwester.
„Wie fühlen Sie sich, Herr Kommissar?“, fragte sie.
„Wie ich mich fühle? Gut, aber das ist jetzt unwichtig.
Wie geht’s Frau Siller?“
„Ihrer Mitfahrerin?“, gab die Schwester zurück.
„Ja, natürlich. Was ist mit ihr?“
„Sie lebt“, antwortete die Schwester.
„Sie lebt! Was soll das heißen? Ist sie schwer verletzt?“ Krüger versuchte aufzustehen.
„Beruhigen Sie sich!“ Sanft drückte sie ihn zurück auf sein Bett. „Sie hat einen gebrochenen Arm. Sonst keine schweren Verletzungen.“
Keine schweren Verletzungen, dachte Krüger erleichtert. Gott sei Dank.
„Nur“, fuhr die Schwester fort, „in ihrem Gesicht werden einige Narben bleiben. Das steht fest. Sie wird nie wieder so aussehen, wie früher.“
Krüger schossen die Tränen in die Augen. „Ihr Gesicht ist ... verletzt.“
„Man könnte auch sagen, entstellt!“ Messerscharf die Stimme der Schwester.
Krüger zog sich die Decke über den Kopf. Was habe ich getan? Ausgerechnet ihr Gesicht. Warum bin ich nicht tot?
Die Schwester zog ihm die schützende Decke weg. „Haben Sie Schmerzen?“ „Ich? Nein, nein.“ Er fühlte sich nur wie betäubt und wollte am liebsten irgendwo versinken.
„Dann lasse ich Sie für den Moment allein!“
Krüger gab keine Antwort. Hielt den Blick fest an die Zimmerdecke gerichtet. Die Tür fiel ins Schloss. Eine schreckliche Stille blieb zurück.
Ganz allein würde er für lange Zeit nie mehr sein. Das schien ihm seltsam klar.
***
Nach zwei Tagen durfte er zum ersten Mal wieder aufstehen. Mit den ungewohnten Krücken suchte er den Weg zu seiner Praktikantin. Es waren lange Tage gewesen.
Das bohrende Schuldbewusstsein ließ ihm keine Ruhe. Wie konnte er sich nur so ablenken lassen.
Ohne sie wäre ihm das niemals passiert. Trotzdem gab er sich allein die Schuld.
Endlich hatte er den Weg zurückgelegt. Sie lag hinter Glas. In künstlichen Koma. Das sei üblich bei starken Gesichtsverletzungen, hatte ihm ein Arzt bei der Visite nebenbei anvertraut.
Von ihrem Gesicht konnte Krüger nichts erkennen. Alles bandagiert. Bis auf einen schmalen Streifen, durch den die geschlossenen Augen sichtbar wurden. Eine Sauerstoffmaske verdeckte im unteren Teil, Mund und Nase.
Vielleicht ist es doch nicht so schlimm, versuchte er, sich einzureden. Aber in seinem Innersten wusste er es besser. Noch nachdenklicher als zuvor, stöckelte er in sein Zimmer zurück.
***
An Nadjas Zustand hatte sich nichts verändert, als Krüger ein paar Tage später entlassen wurde. Er war dazwischen noch einmal bei ihr gewesen. Einerseits froh, sich ihr noch nicht stellen zu müssen. Andererseits ließ sich die Ungewissheit nur schwer ertragen.
Bis auf weiteres war er jetzt krankgeschrieben. Also igelte er sich zuhause ein. Auf dem Weg hatte er sich eine Flasche Schnaps besorgt. Sie jedoch bisher nicht angerührt.
Jedes Mal, wenn er gedacht hatte, jetzt halte ich es nicht mehr aus, konnte er sich schließlich doch noch zurückhalten.
Bis er sich endlich entschloss, die Flasche wegzuschütten. Noch einmal zum Trinker zu werden, das würde das Ende seines bisherigen Lebens bedeuten.
Dann doch lieber still leiden. Die Welt drehte sich trotzdem weiter.
Schmerzlich wurde ihm in diesen Tagen bewusst, dass er eigentlich keine Freunde hatte.
Natürlich waren sein Chef und ein paar Kollegen bei ihm in der Klinik gewesen.
Zuhause hatte er beschlossen, niemanden zu empfangen. Nach ein paar Tagen zeigte sich, dass auch Keiner vorbeikam.
Ich muss mein Leben neu ordnen, sagte er sich immer wieder. Aber wie?
Solange er Polizist blieb, was sollte sich ändern?
Etwas Anderes suchen? Etwas Neues?
Als Hauptkommissar hatte er viele Freiheiten. Eigentlich mochte er seinen Beruf. Wenn nur diese Arbeitszeiten sich ändern ließen.
„Du spinnst, Krüger!“, sagte er laut zu sich selbst. „Geh doch auf den Bau!“
Zum ersten Mal seit dem Unfall grinste er wieder.
Nur kurz. Dann tauchte ein entstelltes Gesicht vor ihm auf.
Schlagartig entstand ein stechender Kopfschmerz. Ohne Hoffnung auf Schlaf legte er sich hin. Wie so oft in diesen Tagen.
***
Alarm auf der Intensivstation. Die Geräte zeigten an, dass mit Nadja Siller etwas nicht stimmte. Fieber, schwacher Puls, offensichtlich eine Infektion.
Der behandelnde Arzt regte sich über die Schwestern auf. „Wie ist das möglich! So spät? Wer ist zuständig für die Patientin? Keiner!“, brüllte er hemmungslos.
Die herbeigeeilte Oberschwester scheuchte ihre Küken weg. „Ich werde es herausfinden, Herr Doktor. Aber zuerst braucht uns die Patientin.“
Der Arzt sah sie mit großen Augen an. „Denken Sie etwa, dass mir das nicht klar ist?“
„Natürlich nicht, Herr Doktor! Bitte, beruhigen Sie sich. Was soll ich ihr geben?“
„Versuchen wir es erst mit einem Antibiotika das ein breites Spektrum abdecken kann. Dann sehen wir weiter“, antwortete der Arzt, während er etwas auf seinen Rezeptblock kritzelte. „Sie kümmern sich persönlich um die Patientin, bis sich ihr Zustand stabilisiert hat!“
„Selbstverständlich, Herr Doktor!“, antwortete die Schwester unterwürfig. Froh, dass sich der Arzt so schnell beruhigt hatte.
***
Ihrer Ablösung für den Nachtdienst, einer erfahrenen Schwester, verschwieg sie den Vorfall. Sie erwähnte nur beiläufig, dass die Patientin Fieber habe.
In der letzten Zeit wuchsen ihr die privaten Probleme über den Kopf. Deshalb konnte sie sich nur noch schwer auf ihre Arbeit konzentrieren. Der Oberarzt hatte sie kürzlich in sein Büro gerufen. Noch so eine Panne, dann könne sie wieder als Hilfsschwester anfangen, hatte er ihr an den Kopf geworfen.
Ihr Chef war ein schwieriger Mensch. Eine weitere Begegnung dieser Art wollte sie auf jeden Fall vermeiden.
***
Noch in der gleichen Nacht starb Nadja. Die Notmaßnahmen der Nachtschicht konnten sie nicht mehr retten.
Ihre herrlichen, tiefgrünen Augen. Für immer erloschen. Die sie diese durch farbige Kontaktlinsen nur vorgetäuscht hatte, wusste kaum jemand.
***
Krüger erhielt die Nachricht persönlich von seinem Chef, der ihn zum ersten Mal Zuhause besuchte.
Jetzt saßen sie sich stumm gegenüber. Krüger zutiefst geschockt, sein Chef froh, die unangenehme Pflicht erledigt zu haben.
Zum Glück hatte Krüger nichts zu trinken in der Wohnung. Jetzt hätte er nicht mehr widerstehen können.
„Gehen Sie zu unserer Psychologin“, fand sein Chef endlich die Sprache wieder.
„Wozu?“, antwortete Krüger. „Was sollte das ändern?“
„Allein können Sie das nicht verarbeiten,