Название | Petri Heil, Herr Pastor |
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Автор произведения | Claus Beese |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738003109 |
»Stellen Sie so hohe Ansprüche?«, forschte Klaaspedder erstaunt weiter.
»Aber sicher, Herr Pastor. Was soll ich mit so einem jungen Heißsporn, der zwar breite Schultern und starke Arme hat, dessen Kopf aber ansonsten leer ist? Mein Mann müsste eine Mischung aus vielem sein. Wissen Sie, so eine wirkliche Respektsperson, er sollte gläubig und für alle Menschen da sein, vielleicht so ein bisschen wie Sie. Und er muss Angler sein, Herr Pastor. Weil nämlich Angler ein Auge für die kleinen Schönheiten und Wunder der Natur haben, ruhig, gütig und geduldig sind, und in ihrer Seele friedvoll und rein!«
Jan Heinrich Klaaspedder fühlte, wie es ihm die Kehle zuschnürte. Hätte er noch bei ihren ersten Worten jubeln mögen, so war ihm jetzt hundeelend zumute. Fürwahr, Katrin hatte ihm da einen Brocken hingeworfen, an dem er lange und heftig zu kauen haben würde. Er hatte es auf einmal sehr eilig, sich zu verabschieden. Mit einem gemurmelten Hinweis auf die Dunkelheit entschuldigte er seinen plötzlichen Aufbruch. Fluchtartig trat er den Rückzug an, aber Katrins Worte hallten in ihm nach, bis er zuhause war. In dieser Nacht fand er keine Ruhe, tausend Gedanken schwirrten in seinem Kopf hin und her, und erst am frühen Morgen fiel er in einen unruhigen Schlaf.
Freunde in der Not
Noch einer machte in dieser Nacht kein Auge zu. Peter Petersen saß an seinem Stammplatz am großen Weiher und konnte sich nicht so recht auf seine Ruten und die Aale konzentrieren. Zu viele Gedanken gingen ihm im Kopf herum. War es denn rechtens, dass er seit Jahr und Tag die Kirche nicht mehr betreten hatte? Dass er sich derart außerhalb der Gemeinde stellte, als wolle er mit ihr nichts mehr zu tun haben? Meinte er denn mit seiner Verweigerung die Gemeinde? Oder wollte er einfach nur das Kirchengebäude nicht mehr betreten? Konnte man es ihm denn verdenken, nach allem was geschehen war?
Vor seinen Augen tauchten wieder die Bilder auf, die ihn nun schon fast zwanzig Jahre begleiteten. Bilder von dem kleinen, blonden Jungen, seinem Sohn, der übermütig und mit hellem Lachen durch den Garten tobte. Doch gab es da noch andere Bilder. An die zwei Jahrzehnte war es nun schon her, dass der Maurermeister Peter Petersen den Auftrag erhalten hatte, den mit der Zeit baufällig gewordenen Glockenturm der Kirche auszubessern. Über die Jahre war der Mörtel brüchig geworden, und ab und zu lösten sich sogar ganze Steinbrocken aus dem Gemäuer und stürzten zur Erde herab. Bislang war nichts passiert, man hatte den Turm weitläufig abgesperrt. Doch an dem Tag, den Petersen nie vergessen würde, schlug das Schicksal erbarmungslos zu.
Das große Holzgerüst stand bereits, und Petersens Gesellen machten sich daran, die losen Mauerstücke des Turmes abzutragen. Es würde lange dauern, denn der Turm war an allen Ecken ziemlich marode. Es ging schon auf die Mittagszeit zu, und wie jeden Tag kam Petersens Junge um dem Vater das Essen auf die Baustelle zu bringen. In seiner Erinnerung sah Petersen, wie der Junge ihm den Topf mit dem dampfenden Essen hinstreckte. Liebevoll hatte er dem Kleinen über den blonden Schopf gestrichen und sie scherzten miteinander. Dann hatte er ihn mit einem zarten Klaps vor die Büx wieder nach Hause geschickt, wo die Mutter auf ihn wartete. Just, als der Junge unter dem Gerüst hindurchging, traf ihn der große Mauerbrocken, der sich eine Sekunde vorher hoch über ihm aus dem Turm der Kirche gelöst hatte. Da lag der Junge, und das blonde Haar färbte sich rot. Petersen trug seinen toten Jungen nach Hause. Fassungslosigkeit und Trauer übermannten ihn. Er machte sich schwere Vorwürfe, den Jungen auf der Baustelle geduldet zu haben. Seine Frau erlitt damals einen schweren Schock, und sie starb nur vier Wochen später. Seither war er ganz allein mit seinem kleinen Töchterchen.
Nein, Peter Petersen fühlte keinen Hass auf Gott, wie manche ihm nachsagten. Auch hatte er keine Rachegedanken. Doch fand er beim Gebet in der Kirche keinen Trost, auch konnte der Seelsorger der Gemeinde ihm nicht sagen, warum dies alles so hatte geschehen müssen. Nur draußen in der freien Natur, wo er das Werden und Vergehen täglich sehen konnte, hatte er das Gefühl, dass Gott zu ihm sprach. Nur dort spürte er, wenn die Sonnenstrahlen Körper und Seele wärmten, einen leisen Trost und er wurde dann ganz ruhig. Die Kirche hatte er aber seither nicht mehr betreten.
Lustlos schlug er an, als der Korkschwimmer im dunklen Wasser verschwand und die Schnur sich straffte. Ein fast pfündiger Aal wanderte etwas später in den großen Eimer, aber Petersen konnte sich nicht richtig darüber freuen. Ein leises Klappern ließ ihn aufhorchen. Er blickte hinüber zum Feldweg und sah das Licht einer Fahrradlampe über den holprigen Weg tanzen. Nur wenig später tauchte Anton Schnibbel zwischen den Sträuchern auf, und Petersen fühlte, wie sein Herz leichter wurde. Mit dem Schneidermeister verband ihn eine alte Freundschaft und in seiner jetzigen Gemütsverfassung war gerade die Anwesenheit eines treuen Freundes Balsam für die Seele.
»Anton«, flüsterte Petersen, »Du hier? Ich denk, deine Frau....?!«
Schneidermeister Schnibbel kicherte spitzbübisch.
»Ach, Petersen! Mich hat es Zuhause nicht mehr gehalten, bei diesem herrlichen Aalwetter. Ich musste einfach kommen!«
»Ja, aber deine Frau? Was sagt denn deine Emmi dazu?«
»Nichts, hihi! Ich hab dafür gesorgt, dass sie nichts dazu sagt!«
»Mein Gott, Anton! Was hast du gemacht? Hast du sie etwa....?«
Petersen war bestürzt, doch der Schneider winkte ab.
»Nö, nich was du denkst! Ich hab einfach mehr Zucker in den Tee getan.«
»Zucker in den Tee...?« echote Petersen verständnislos.
»Na klar, weil doch das Schlafpulver, was mir der Apotheker gegeben hat, ziemlich bitter schmeckt. Und als sie dann schlief, bin ich schnell auf den Speicher, hab meine Klamotten geschnappt und... da bin ich!«
Er strahlte über das ganze Gesicht und Petersen musste herzlich lachen.
»Na, dann komm man her«, grinste er. »Pack deine Ruten aus, hier ist Platz für zwei und Aale sind auch genug da.«
»Und manchmal ist es ganz gut, wenn man im Dunkeln nicht so alleine ist, nicht?«, sagte Anton Schnibbel ernst.
»Du sagst es, Freund. Du sagst es«, antwortete Petersen leise und ging zu seiner Rute, um den nächsten Aal heranzukurbeln. Es tat gut, den vertrauten Freund an der Seite zu haben, und die beiden genossen es. Sie plauderten und scherzten und fingen Aale. Sie vergaßen für eine Weile ihre Probleme, und erst als die Morgendämmerung im Osten die ersten Sterne verblassen ließ, packten sie ihre Ruten ein.
»Petersen, von den geräucherten Aalen bringst du mir aber ein paar?«, vergewisserte sich der Schneidermeister, bevor sich ihre Wege am Marktplatz trennten.
»Ehrensache, sind ja auch deine dabei!«, versprach der hoch und heilig. Er würde auch den Fang des Schneidermeisters versorgen, denn der durfte ja keine Fische mit nach Hause bringen.
»Lass dich nicht von deiner Emmi erwischen!«, riet er dem Freund zum Abschied. Man winkte sich zu, und Anton Schnibbel hatte es nun sehr eilig, die heimatlichen Gefilde zu erreichen. Er trug die Angelsachen wieder fein säuberlich auf den Speicher, bevor er sich noch für ein Stündchen neben seine Emmi legte, die noch immer schnarchend in Morpheus Armen weilte. Anton Schnibbel entschlummerte ins Reich der Träume und seine letzten Gedanken, bevor ihn der Schlaf übermannte, galten dem Apotheker. Mit einem dankbaren Lächeln im Gesicht schlief der Schneider ein.
Berufliche Neugier
Peter Petersen hob erstaunt eine Augenbraue, als er feststellte, dass der Pastor mit zwei frisch gezapften Bieren quer durch den Dorfkrug auf ihn zusteuerte. Klaaspedder stellte ein Glas vor den Maurermeister, angelte sich einen Stuhl und setzte sich zu ihm.
»Moin, Petersen. Na, erfolgreich gewesen, letzte Nacht?«
Petersen betrachtete voller Misstrauen den Seelsorger. Was sollte das nun wieder abgeben? Wenn der Schwarzrock so leutselig war, dann führte er doch sicher etwas im Schilde. Dieser