Der verborgene Erbe. Billy Remie

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Название Der verborgene Erbe
Автор произведения Billy Remie
Жанр Языкознание
Серия Legenden aus Nohva 5
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742739742



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Stunden über den Laut seines Kriegers.

      Mittels weiteren Bambusstöcken, die sie nutzten, um das Floß im Wasser zu bewegen, und um das Abtreiben Flussabwärts zu mindern, waren sie gegen Abend endlich zum anderen Ufer gelangt.

      Jedoch nicht, ohne Bekanntschaft mit den Alligatoren zu machen.

      Riesenviecher waren das, die Wexmell das Fürchten lehrten. Sie gaben bedrohliche Laute, eines Fauchens gleich, von sich, wenn sie sie aus Versehen mit den Bambusstöcken unter Wasser stupsten. Der ganze Fluss war voll mit ihnen, kaum Wasser war zu sehen. Mehr als einmal schnappten die Tiere nach der Beute auf dem Floß, die Pferde wurden nervös. Einem Alligator war es sogar gelungen, seine Vorderbeine und den Bauch auf die Bambusrohre zu hieven, sodass das Floß zu kippen drohte, und sie alle beinahe in das Wasser gefallen wären. Glücklicherweise war das Tier zurück in den Fluss gerutscht, und sie kamen alle mit einem Schrecken davon.

      »So ein Vieh würde ich gerne erlegen«, tat Melecay seine Gedanken kund, »und seine Haut und seinen Kopf als Trophäe mit nach Hause nehmen. Die Dienerschaft würde Augen machen!«

      »Hängen da nicht schon genug widerliche Jagdtrophäen in Euer Burg?«, murrte Karrah.

      »Wäre es Euch lieber, sie würden Euch fressen, geschätzte Schwägerin?«

      »Gewiss nicht.« Karrah hatte ängstlich ins Wasser geblickt.

      »Wir müssen nicht alles töten, das sich uns entgegenstellt«, hatte Wexmell sich eingemischt.

      »Seid nicht so langweilig«, scherzte Melecay.

      Es interessierte Wexmell reichlich wenig, ob Melecay ihn für langweilig hielt, nur weil er nicht auf alles, was sich bewegte, mit dem Schwert einschlug.

      »Nehmt Euch in Acht«, warnte Janek schließlich, und erstickte Melecays Jagdlust mit nur wenigen Worten im Keim. »Sie mögen schwerfällig aussehen, aber sobald wir am Ufer sind, sollten wir uns hüten. Sie können schneller rennen, als wir ihnen zutrauen. Und wenn sie einmal zubeißen, lassen sie nicht mehr los. Ihre Kiefer sind stärker als die Kraft von Hundert Mann. Wenn sie einen von euch haben, kann euch nichts mehr retten.«

      Seine Warnung konnte sie glücklicherweise nicht mehr auf die Probe stellen. Am Ufer angekommen, hatten sie sich beeilt, vom Fluss wegzukommen.

      Kein Alligator war hinter ihnen her gewesen.

      Auf dieser Flussseite befand sich der Anfang der Zivilisation Elkanasais. Sie gelangten rasch an eine Straße, deren Verlauf sie folgten. Schilder deuteten die Richtungen zu verschiedenen Gasthöfen. Einer davon war ihr Ziel, bevor die Dunkelheit über sie hereinbrach.

      Noch einige Male waren sie von starken, plötzlich einsetzenden Regen überrascht worden. Ihre Füße waren wund, weil ihre Stiefel bald durchweicht waren. Donner und Blitze trieben sie zur Eile an. Ein jeder von Ihnen ersehnte sich eine warme Mahlzeit und ein flauschiges Bett. Wein und eine relativ gefahrlose Nacht.

      Nun, als sich die Dämmerung ankündigte, hatten sie ihr Ziel erreicht.

      Dainty hatte den Namen des Gasthofes in die Gemeinsprache Nohvas übersetzt. Ganz passend trug er den Namen »Zum reißenden Fluss«, und befand sich etwa einen halben Tagesritt südlich von dem etwas größeren, bekannteren Gasthof »Immergrün«.

      Warum Wexmells Kontaktmann den kleineren, weniger beliebten Gasthof für ihr Aufeinandertreffen gewählt hatte, erschloss sich Wexmell natürlich sofort. Hier quartierten weniger Späher und andere Soldaten des Kaisers, die unangenehme Fragen an Fremde stellen konnten.

      Noch wollte Wexmell sein Hiersein geheim halten. Und zwar so lange es ihnen möglich war.

      Sie saßen eine Weile geduckt in den Büschen des Regenwaldes, mit wachem Blick auf das Gehöft, das gut versteckt von grünen Blätterwänden umgeben lag. Es war nicht viel los. Eine Söldnertruppe war während ihrer Beschattung angekommen. Fünfzehn schwer bewaffnete Männer, wulstige Narben von einstigen tiefen Kratzern zeichneten ihre Gesichter und die Arme, die von ihren verschlissenen Lederwesten nicht bedeckt wurden. Ihre Haut war braun gebrannt, ihr seidenglattes Haar trugen sie wie für ihr Volk üblich lang und offen. Einem von ihnen, offensichtlich dem Anführer, fehlte ein Stück seines spitzen Ohrs.

      »Drachenjäger«, hauchte Dainty erklärend, als die Söldner ihre Pferde in die Ställe brachten, ehe sie in den Gasthof gingen. »Einzelgänger. Grimmige und ungemütliche Gesellen, aber sie scheren sich nicht um Fremde, solange sie in Ruhe gelassen werden.«

      »Drachenjäger?« Melecay knurrte leise. »Denen werde ich was erzählen!«

      »Nein«, verbot Wexmell mit ruhiger Stimme. »Sie jagen nur ihre eigenen Drachen, Großkönig, nicht die Euren. In Elkanasai sind die Flugechsen eine echte Plage. Sie haben hier reichlich zu Essen, und kaum natürliche Feinde. Die Drachenjäger sind dazu da, die Tierbestände zu beschützen. Sie tun es nicht aus reinem Vergnügen. Es ist ein gefährlicher Beruf.«

      Und Wexmell bewunderte den Mut der Männer, die den Schneid besaßen, sich immer und immer wieder gegen einen Drachen zu stellen. Es wäre töricht, sich mit ihnen anzulegen.

      »Wir haben Größeres vor«, sagte er leise zu Melecay, »verlieren wir nicht das Ziel aus den Augen.«

      »Sie sollen bloß nicht wagen, meine Drachen anzugreifen«, knurrte der Großkönig.

      Noch eine Weile beobachteten sie das Gehöft. Wexmell schickte nach einiger Zeit mit einem stummen Nicken Allahad los, der mit den Schatten verschmolz und in Verstohlenheit zu den Ställen schlich.

      Sie warteten geduldig, während Allahad unbemerkt umherschlich und die Lage auskundschaftete.

      Er kam nach einer ganzen Weile zu ihnen zurück.

      »Im Stall sind nicht viele Pferde. Im Gasthof sitzen die Drachenjäger, eine reisende Bauersfamilie und die Familie des Gastwirts, aber keine Soldaten.« Er blickte Wexmell sorgenvoll ins Gesicht. »Unser Kontaktmann ist noch nicht dort.«

      Wexmell nickte, er hatte den Bericht zur Kenntnis genommen, jedoch fühlte er sich dadurch noch immer nicht sicher. In Elkanasai würde er sich niemals völlig sicher fühlen.

      Er hob den Blick. Droben am Himmel dunkelte es, dicke Wolken zogen sich über ihren Köpfen zusammen, Donnergrollen ließ die Pferde, die sie hinter sich im Gebüsch versteckt angebunden hatten, nervös wiehern. Der Anblick des Gehöfts in der Dämmerung hatte etwas Gespenstisches an sich. Und irgendwo erwachte ein Jaguar mit einem Knurren.

      »Kommt«, sagte er mit belegter Stimme zu seinen Gefährten, »dort drinnen ist es gewiss sicherer als hier draußen.«

      »Da bin ich mir gar nicht mal so sicher«, kommentierte Melecay.

      Wexmell stand widerwillig auf, für ihn gab es kein Zurück mehr. Jetzt nicht mehr.

      »Luro, Karrah, holt die Pferde.«

      »Ja, Vater.«

      »Wex.«

      Sie gingen, und Wexmell trat mit seinen übrigen Gefährten Seite an Seite aus dem sicheren Gebüsch.

      »Hoffentlich irrt Ihr Euch nicht«, murmelte Lazlo.

      Wexmell ging auf die Tür der Gaststube zu und hauchte leise zu sich selbst: »Das hoffe ich auch.«

      Im Inneren der Gaststube war es durch die vielen Feuer aus der Küche heiß. Jedoch handelte es sich um eine, im Vergleich zur schwülen Atmosphäre draußen, angenehme trockene Hitze, die Wexmell und seine Gefährten empfing.

      Der Raum war erstaunlich großflächig, für ein solch kleines Gebäude. Es gab eine Feuerstelle, in der kein Feuer brannte, einen in die Jahre gekommenen Tresen mit einer Bar, hinter dem ein argwöhnischer älterer Elkanasai, mit von der Sonne gegerbten Gesicht und langem silbernen Haar, Bier und Wein ausgab. Die unterschiedlich geformten und unterschiedlich großen Tische in der Gaststube waren allesamt aus dunklem, abgenutzten Holz, genau wie die dazugehörigen Stühle. Es gab wenige Fenster in diesem Raum, keines besaß eine Scheibe oder gar einen Vorhang, trotzdem kam kaum Licht durch die dem Boden nahen Öffnungen