Название | Das Tagebuch des Schattenwolfprinzen |
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Автор произведения | Billy Remie |
Жанр | Языкознание |
Серия | Legenden aus Nohva 3 |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742790316 |
Aber er konnte nur sich selbst für diese Lage verantwortlich machen. Gegen den guten Rat seiner Mutter war er aus seiner sicheren Festung geschlichen und hatte sich auf und davon gemacht, um die Welt zu sehen. Er war zwanzig Sommer alt und hatte abgesehen von den sicheren Wänden und Mauern seines Zuhauses noch nichts anderes gesehen; er hatte nach Abenteuern gesucht.
Jedoch hatte er bemerkt, dass er für Abenteuer nicht vorbereitet gewesen war. Er konnte weder jagen noch ein Feuer entzünden, noch sonst irgendetwas, das ihm beim Überleben geholfen hätte. Nachdem seine Vorräte zu Ende gegangen waren, hatte er Hunger gelitten, außerdem waren seine Silbermünzen ausgegangen, weshalb er sich kein Zimmer in einem Gasthaus hatte leisten können.
Eagle hatte aus Not gehandelt, als er sich auf dem Mark einen Apfel angeeignet und dann in den Ställen geschlafen hatte. Niemand hatte ihn darüber aufgeklärt, dass er König Rahff den Zweiten höchstpersönlich bestiehl – und dass es verboten war, in dessen Ställen zu schlafen.
Jetzt saß er in dieser blöden Zelle fest und konnte nur hoffen, dass seine Mutter ihn vielleicht irgendwie wieder freikaufen konnte.
Erneut wurde im Kerker die Tür geöffnet und Eagle erhob sich bereits, weil er hoffte, sie würden ihn wieder gehen lassen. Vielleicht war König Rahff ja gnädiger, als von ihm behauptet wurde.
Jedoch zerstreuten sich Eagles Hoffnungen, als keine Wachen, sondern gepanzerte Ritter in glänzenden Rüstungen hereinkamen. Sie schleiften einen bewusstlosen Mann zur Nebenzelle, der Gefangene blutete aus einer Kopfwunde.
Die Gittertür quietschte, als sie geöffnet wurde. Die Ritter der Königsgarde warfen den Mann in die Zelle, der reglos auf der Seite liegen blieb. Etwas fiel aus der Kleidung des Gefangenen und rutschte über den Boden in die Nähe der Gitterstäbe, die Eagles Zelle von der anderen trennte.
Die Ritter schienen es nicht zu bemerken, sie verschlossen die Zelle und verließen den Kerker wieder, einer der beiden pfiff dabei fröhlich vor sich hin, obwohl er gerade einen Todgeweihten seinem Schicksal überlassen hatte. Denn König Rahff ließ alle Gefangenen hinrichten, ob Dieb oder Mörder, der König schlachtete alle Verbrecher ab. Selbst jene, deren einziges Verbrechen es war, der falschen Religion oder Rasse anzugehören, denn König Rahff vertrat das Gesetz der Kirche, und diese kannte keine Gnade, nur Fremdenhass.
Eagle wartete ab, bis die Tür geschlossen wurde. Dann ging er zur Gitterwand.
»Hallo?« Eagle sank auf die Knie und betrachtete den anderen Mann. »Geht es Euch gut?«
Der Mann blieb reglos auf dem Boden seiner Zelle liegen. Vielleicht war er betrunken und hatte im Vollrausch die Wachen angegriffen? Aber warum wurde er dann von Rittern der Garde hereingeschleift? Er stank auch nicht nach Alkohol, obwohl Eagle Erbrochenes an ihm riechen konnte.
»He, du!«, rief er lauter.
Es tat sich nichts.
Eagle fuhr sich durch sein rotblondes Haar und seufzte unzufrieden. Er hätte dem Mann gerne geholfen, das lag in seiner Natur, er half jedem, auch Fremden, vor allem jenen, die verletzt waren. Doch er kam leider nicht an den reglosen Mann heran.
Da der andere Mann nicht aufwachte, langte Eagle nach dem Gegenstand, den er verloren hatte. Er presste das Gesicht gegen die Eisenstangen und streckte den Arm in die Nebenzelle. Seine Finger angelten die Kante und er zog den Gegenstand näher.
Es war ein zerschlissenes, kleines Buch.
Eagle setzte sich mit dem Rücken an die Gitterstäbe und fuhr über den ledernen Einband. Er wirkte stark abgenutzt und feucht. Er schlug das Buch auf. Mit dunkler Tinte hatte jemand in krakeliger Handschrift seine Gedanken festgehalten. Eagle rutschte näher zur vergitterten Öffnung, die sich direkt unterhalb der Zellendecke befand. Er setzte sich ins Licht und begann zu lesen ...
1
Den ersten Schritt zur Veränderung erkennen wir erst, wenn er bereits gemacht wurde.
»Sucht ihn!«, knurrte der Kommandant der Stadtwache. Seine dunkle Stimme grollte über die nackten Steinwände des Tempels. »Findet den Eindringling!«, forderte er von seinen Männern.
Ich duckte mich tiefer in die Nische hinter der geöffneten Holztür, durch die der Kommandant mit seinen Wachleuten gekommen war, und ärgerte mich darüber, dass er mich Eindringling nannte.
Meine Hand wanderte zielsicher zu dem Schwert an meinem Hüftgurt und umklammerte eisern seinen Griff. Den Kommandanten hätte ich ohne Schwierigkeiten überwältigen können, er stand mit dem Rücken zu meinem dunklen Versteck, er hätte mich nicht einmal kommen sehen. Aber ich war allein gegen sechs weitere Wachen, die in silbernen Rüstungen steckten, während ich nur dünnes Leder am Leib trug.
Zu riskant!
Ich besann mich und ließ vom Griff meines Schwertes ab. Ich verhielt mich ruhig.
In geduckter Haltung und mit gezogenen Waffen schlichen die Wachen tiefer in den Raum. Sie stanken nach Fisch und Met, was mich annehmen ließ, dass ich sie bei ihrem Abendmahl aufgeschreckt hatte. – Es war ein blöder Fehler meinerseits gewesen, gegen einen Krug zu laufen und Lärm zu machen. Aber mit Verfolgern im Nacken gewann meine Unternehmung an Reiz. Ich hatte nichts gegen Herausforderungen, im Gegenteil, ich bevorzugte sie.
Vielleicht hatte ich mit Absicht auf mich aufmerksam gemacht, um hinterher sagen zu können, ich hatte mich wehren müssen.
Die Wachen durchkämmten nun einen heimtückischer Raum, eine Ruhestätte für die Toten, mit vielen Versteckmöglichkeiten. Ich hätte überall lauern können.
Die Fackeln warfen Licht, und Licht warf Schatten. So konnte ich verfolgen, wohin die Wachen gingen.
Ich wartete nicht lange, als sie außer Reichweite waren, und löste mich aus meinem Versteck. Lautlos, dank leichtem Schuhwerk, schlüpfte ich hinter der Tür hervor und verschwand durch diese aus dem Raum. Ich gelangte in einen Flur und zog eilig die Tür zu.
Die Wachen hatten das Quietschen der Scharniere vernommen und ich konnte ihre Rufe und ihre schweren Schritte hinter der Tür hören.
Ohne zu zögern nahm ich den Kerzenständer, der neben der Tür im Flur gestanden hatte, und benutzte ihn als Türverriegelung. Es funktionierte, die Wachen rannten gegen die Tür, die nicht nachgab.
Über meine eigene List schmunzelnd, wandte ich mich ab und ließ das wütende Brüllen des Kommandanten hinter mir.
Aber jetzt musste ich mich beeilen, denn das Holz der Tür würde nicht ewig dem Stoßen und den Klingen der Wachen standhalten.
Ich rannte durch den Flur und durchschritt einen offenen Doppeltürbogen aus bläulich schimmerndem Gestein. Jemand ehrenwerteres als ich wäre bestimmt staunend stehen geblieben und hätte die Schönheit der unter der Erde liegenden »Halle der Toten« bewundert, die ich nun mit meinen unwürdigen Füßen betrat und entweihte. Ich hingegen machte mir nicht viel aus dem Schimmer, der mir entgegenstrahlte. Wenn mir irgendetwas keinen Vorteil einbrachte, hatte es auch nicht meine Aufmerksamkeit verdient.
Was mir hingegen einen Vorteil sichern sollte, jedenfalls laut Menard, dem Schamanen, war die Steintafel auf der Anhöhe, die sich nun über meinem Kopf erstreckte.
Tageslicht fiel durch einen Spalt im Gestein herein und beleuchtete das Grabmal, das auf dem Felsvorsprung vor vielen Jahrhunderten errichtet worden war. Ich konnte Staubkörner in dem Sonnenstrahl