Название | Zulassung zur Abschaffung - Die heillose Kultur - Band 2 |
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Автор произведения | Dr. Phil. Monika Eichenauer |
Жанр | Зарубежная психология |
Серия | |
Издательство | Зарубежная психология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783844217742 |
Denn nicht nur unsere natürliche Lebensbasis, Erde, Luft und Erdatmosphäre, ist angegriffen: Der Mensch selbst ist bis ins Mark – körperlich und seelisch – ge- und betroffen. Wie lange wird es dauern, bis der Mensch dem Menschen wieder trauen und vertrauen kann – ohne dass er sich zuvor durch das zelebrierte, lukrative Leid und die von Macht dominierten Beziehungsfallen hindurchquälen und erst zusammenbrechen muss, um zu erkennen, dass nicht der Hass, sondern nur das Vertrauen im Leben ihn tragen kann. Hass, Aggression und deren Steigerungen in Form terroristischer Akte müssen aus allen Kulturen verschwinden. Ob Maßnahmen wie Anti-Terror-Gesetze dazu beitragen können, wird von einigen Seiten stark bezweifelt.
Hier möchte ich noch einmal auf das Buch von Auchter, Büttner, Schultz-Venrath und Wirth „Der 11. September. Psychoanalytische und psychohistorische Analysen von Terror und Trauma“ (2003) hinweisen. Aus dem darin Gesagten ist eine Forderung an die Medien, aber vor allem an ärztliche bzw. medizinsiche und Psychologische Psychotherapeuten abzuleiten: Die Hintergründe von Terror und Terroristen gehören mit in die Berichterstattung. Fatalerweise wird das Vertrauen, das Menschen sich aus Krisen – psychisch, seelisch oder körperlich – neu erarbeitet haben, dieses wieder errungene humane Kapital, von Politik und Wirtschaft oftmals ausgenutzt und damit erneut missbraucht. Alexander Mitscherlich, den ich bereits im Band 1 zitierte, bezog in seinen psychoanalytischen Reflexionen historische und geschichtliche Ereignisse in die psychosoziale Gegenwartsbewältigung der Menschen in Deutschland nach dem Krieg mit ein – aber er geriet in Vergessenheit. Erst anlässlich des Freud-Jahres 2006 gewannen seine Ausführungen wieder an Bedeutung. Zum Beispiel durch die Veröffentlichung von Sibylle Drews, „Freud in der Gegenwart. Alexander Mitscherlichs Gesellschaftskritik“ (2006), in der Vorträge verschiedener Autoren eines Symposiums an der Frankfurt Universität zu Ehren Freuds zu Wort kommen. Gesellschaftskritik und -reflexion erscheinen dringend notwendig. Denn diese Kultur zeichnet sich nicht nur im kapitalistischen Wettbewerb durch Grenzenlosigkeit aus. Konkurrenzstrukturen übertragen sich auch auf Kinder und Jugendliche, die sich ihre eigenen Felder suchen, um zu beweisen, dass sie dieses Spiel auch beherrschen: In Schulen, in Peer-Groups, in Banden, aber auch durch Marken-Kleidung wird das Machtspielchen nachempfunden und zelebriert.
Diese Kultur wird als Kultur der Tabubrüche und Rekorde in die Geschichte eingehen – im negativen wie im positiven Sinne. Aber die negativen werden die positiven Errungenschaften zunichte machen, wenn sich politisch nichts ändert. Der Mensch hat mit dem Menschen gebrochen.
Das kann nicht überboten werden!
Wenn „Heilung“ kulturell nicht mehr im Vordergrund steht, dann hat eine Kultur alles verspielt, was sie hatte: Menschen. Wenn Heilung als prinzipielle Ausrichtungen auf Leben, Mensch und Behandlung wertlos ist, gibt es keine Liebe mehr, kein Vertrauen, weder Mitleid noch Mitgefühl, keine Zukunft und keine Menschen mehr: Es gibt nur noch Pflichterfüller, die funktionieren.
Die politische und wirtschaftliche Ignoranz sowie die Bereitschaft, Risiken einzugehen im vollen Bewusstsein, Menschen damit zu schädigen, nehmen derzeit erschreckend zu.
Die Chuzpe ist generell ebenso unverschämt wie die Scham der Fühlenden und Denkenden beim Realisieren, wozu politisch geschwiegen werden soll. Geschwiegen werden soll zur Demontage und, überspitzt formuliert, zu Schädigungen des Menschen durch Präferierung von Zielen, die am konkreten Menschen vorbeigehen. Über das Ausmerzen von Ursachen soll nicht gesprochen werden – damit alles in Sachen Ökonomie so bleibt, wie es ist.
Frauen und Männer
Was hat das Thema „Frauen und Männer“ in dem vorliegenden Buch zu suchen? Nein, es geht hier nicht um die neue Gender-Forschung, die sich mit geschlechtspezifischen Unterschieden zwischen Männern, Frauen und Kindern in Bezug auf Medikamente und/oder Behandlungseinheiten dreht. Dazu müsste ein eigenes Buch geschrieben werden. Insofern verweist die Überschrift auf einen ungewohnten und unerwarteten Blickwinkel, der ob der lieben Gewohnheit Willen selten im Rahmen des Gesundheitswesens aufgegriffen wird.
Beim Gesundheitswesen handelt es sich um einen Bereich, in dem Mitgefühl, Fürsorge, Heilabsicht, Motivation und Sorge um den Patienten und generell Menschen im täglichen Berufsfeld im Vordergrund stehen oder besser gesagt, standen. Es ist von daher ein Bereich, der bis dato weibliche Eigenschaften im Berufsfeld verwirklicht – unabhängig von allen technologischen und kapitalistischen Bemühungen der letzten Jahrzehnte, Kapital aus Krankheit und Behandlungsmethoden zu schlagen.
Auf der untersten Treppe in diesem Gesundheitswesen findet sich eine junge, erst 1999 in die Kassenärztliche Vereinigung integrierte Berufsgruppe, die der Psychologischen Psychotherapeuten. Besser wäre diese Gruppe mit Psychologische Psychotherapeutinnen zu betiteln, denn es sind zum überwiegenden Teil Frauen, die in diesem Beruf arbeiten:
„Der Anteil der Frauen ist gegenüber 2008 von 66,7 auf 67,3 Prozent leicht gestiegen und wird auch in Zukunft weiter wachsen, denn in den unteren Altergruppen ist der Frauenanteil deutlich größer als in den oberen. Zugleich steht die Psychotherapeutenschaft wie die anderen Heilberufe vor einem Generationenwechsel. Der Altersdurchschnitt der Psychotherapeuten lag 2009 bei 53,2 Jahren – ein halbes Jahr höher als 2008.“ („BPtK-Statistik: 2009 mehr Psychotherapeuten.“ Ausgabe 3/210, letzte Seite)
Sie, die Psychologischen Psychotherapeutinnen und der kleine Anteil der Psychologischen Psychotherapeuten, haben in ihrem Berufsfeld an erster Stelle mit den Gefühlen von Patienten und deren Heilung zu tun. Analog der Abwertung von Gefühlen und Weiblichkeit in unserer kapitalistischen Kultur, unterliegen sie der gleichen Abwertung wie Frauen generell – natürlich nicht absolut, aber immer dann, wenn es um wichtige, gesellschaftliche Entscheidungen einerseits und Berufsrechte andererseits geht.
Das Männliche hat Vorrang und dominiert auch hier Welt und Leben. Wenn Mann oder Arzt nicht weiter weiß, müssen Frau oder Psychologische PsychotherapeutInnen schauen, „was denn fehlt und was zu tun ist.“ Die Psychologischen Psychotherapeuten sind qua dessen, was sie täglich von Patienten hören, zum stillen und verschwiegenen Mitwisser des, wie ich in Band 1 mitteilte, Mann-Reich-System, angehalten. Da die Auswirkungen von Wirtschaft und Politik in ihren zerstörerischen Auswirkungen auf Menschen Ausmaße annimmt, aus denen man nur darauf schließen kann, dass generell Menschen aus prekären Verhältnissen Unten völlig in der Freiheit einer Demokratie entmündigt werden – obwohl sie ihre Meinung aussprechen dürfen, aber dennoch ohne tatsächlichen Einfluss nehmen zu können – wird zusätzlich zu den generellen berufspolitischen Inhalten von Psychologischen Psychotherapeuten eine politische Funktion im vorliegenden Buch angemerkt. Weiter ist hervorzuheben, dass wir Psychologischen PsychotherapeutInnen aufgrund des hohen Frauenanteils in dieser Berufsfachgruppe die am schlechtesten honorierten Fachärzte sind! Wir sind der Bodensatz in der Honorarpolitik im Gesundheitswesen. Dies wiederum ist kein Zufall, denn das ist in Deutschland in (fast) jedem Beruf so, in dem auch Frauen arbeiten. Es ist gleichfalls kein Zufall, dass unsere Berufsrechte im Vergleich mit Ärzten an bedeutenden Stellen eingeschränkt sind. Es ist kein Zufall, dass das Interesse von Männern am Beruf des Psychologischen Psychotherapeuten rückläufig ist:
„Satte Gewinne für die Ärzte? Nicht für die Psychotherapeuten!“
Unter dieser Überschrift teilt die Deutsche Psychotherapeuten Vereinigung am 20.09.2010 mit:
„Berlin, 21. September 2010. Die öffentliche Wahrnehmung von sehr hohen Einkommen der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten verkennt dass es zwischen den Arztgruppen enorme Einkommensdifferenzen gibt. So liegen die Psychotherapeuten mit einem Reinertrag von weniger als 40.000 Euro mit Abstand an der untersten Stelle der Einkommensskala. Mit Privateinnahmen von 15 % sind es etwa 45.000 Euro.“ (Deutsche Psychotherapeuten Vereinigung, 3. Mitgliederbrief 2010, S. 5)