Lizenz zum Schnüffeln. Martin Cordemann

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Название Lizenz zum Schnüffeln
Автор произведения Martin Cordemann
Жанр Языкознание
Серия Harry Rhode
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750214439



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ein Schuljunge vorkommen, der zu spät zum Unterricht gekommen war. Und auf sowas konnte ich überhaupt nicht! Wenn ich nur wüsste, woher mir dieser Typ so bekannt vorkam...

      „Ich habe mir Ihre Akte angesehen. Was Sie geleistet haben gefällt mir.“

      „Danke. Darf ich Ihre Akte auch sehen?“

      Er verstand keinen Humor, er hatte auch keinen. Für ihn, das war ziemlich offensichtlich, zählte Leistung. Ich konnte nur hoffen, dass er bald wegbefördert würde.

      „Mir scheint, dass mir an Ihnen nur Ihre Erfolge gefallen“, sagte er kalt. Einen solchen Satz hatte ich nicht von ihm erwartet, die Aussage schon, aber die Satzkonstruktion überraschte mich. „Ich weiß nicht, ob Sie das verstanden haben, aber ich bin jetzt Ihr Vorgesetzter!“ Noch immer war keine Wärme in seinen Augen... aber dieser Spruch kam mir seltsam bekannt vor. „Ich bin Ihr Vorgesetzter!“ Das war... Oh nein! Das... Ich hatte halb angenommen, dass das nur ein Traum gewesen war... aber vielleicht war es auch nur halb ein Traum gewesen! Jedenfalls wusste ich jetzt wieder, woher ich Prosser kannte.

      „Hmmm“, murmelte ich und ließ mich auf der Lehne des Besuchersessels nieder.

      „Ich habe Ihnen nicht angeboten, Platz zu nehmen.“

      „Das habe ich auch nicht getan. Aber höflich wäre es trotzdem von Ihnen gewesen.“

      „Sie tragen keine Krawatte“, stellte er fest.

      „Dafür trage ich einen Bart“, antwortete ich und grinste leicht, weil ich wusste, dass ihn das störte.

      „Das ist mir auch aufgefallen. Ihr Äußeres ist sehr ungepflegt und entspricht nicht meinen Vorstellungen.“

      „Danke.“

      „Ich denke doch, dass sich das bald ändern wird.“

      „Worauf begründen Sie das?“

      Sein Blick war eisig, desgleichen seine Stimme: „Sie sind im Begriff, sich unbeliebt zu machen.“

      „Das Kompliment kann ich zurückgeben“, erwiderte ich ohne seinem Blick auszuweichen. Sein Bemühen, sich Feinde zu machen, stand dem meinen in nichts nach.

      Dann begann er, mir seine Ideologie klarzumachen: „Das einzige, was ich von Ihnen erwarte, ist Leistung! Und gepflegtes Aussehen! Die Polizei steht im Blick der Öffentlichkeit. Ich erwarte, dass Sie Ihre Arbeit gut tun und stets den klaren geraden Weg gehen. Ich erwarte Ergebnisse von Ihnen. Verstehen Sie, was ich meine?“

      „Hmm, denk schon.“

      „Es ist wichtig, Ergebnisse zu haben.“

      „Sie meinen: einen Schuldigen.“

      „Das ist Polizeiarbeit.“

      „Einen Sündenbock zu suchen ist Drecksarbeit.“

      „Man erwartet von uns Lösungen.“

      „Man erwartet von uns gute Arbeit. Und es ist unmöglich, überall den Schuldigen zu finden. Das kann keiner. Das erwartet auch keiner.“

      „Kein Wunder, dass Sie es nie zu etwas gebracht haben“, sagte Prosser. „Wie Sie wissen, habe ich dafür gesorgt, dass Sie einen Vermerk in Ihrer Akte bekommen haben.“

      „Ja, das weiß ich noch sehr genau.“ Oder sagen wir, es war mir eben endlich wieder eingefallen!

      „Sie hatten im Dienst getrunken!“

      „Es war Silvester!“

      „Machen Sie sich mit einem vertraut: Von jetzt an werden Sie tun, was ich Ihnen sage! Ich bin der Boss. Ich gebe hier die Befehle. Sie werden sich danach richten.“

      „Das bleibt abzuwarten!“ Ich erhob mich und schlenderte auf die Tür zu. Dieser Mann war mir von Grund auf unsympathisch.

      „Ich bin noch nicht fertig“, schnitt seine kalte Stimme durch den Raum.

      „Ich schon.“

      „Sie werden sich mit mir als Vorgesetztem abfinden müssen.“ Ich war da nicht so sicher. „Rasieren Sie sich und kleiden Sie sich ordentlich. Und erscheinen Sie pünktlich.“

      „Wiedersehen.“ Bevor er irgendetwas sagen konnte war ich durch die Tür und hatte sie hinter mir geschlossen. Die Sekretärin, die das schwere Los gezogen hatte, ihm untergeben zu sein, sah mich fragend an. Ich schüttelte den Kopf und verzog den Mund. „Nicht mein Typ.“ Sie nickte zustimmend.

      In meinem Büro-das-zwar-keins-war-aber-anheimelnder-als-eine-Welt-in-der-Frank-Prosser-zu-den-halbwegs-sympathischen-zählte erwarteten mich ein paar belanglose Akten. Ein paar kleine Gangster hatten das Land verlassen, ein paar größere investierten in Öl und die schlimmsten saßen im Chefzimmer. Nachdem ich die Routinearbeit erledigt hatte, schlenderte ich rüber in die Computerabteilung zu Emil Schlüter. Als ich den neuen Chef erwähnte sah er ziemlich bedrückt aus. Ich sagte ihm, ich bräuchte eine Information.

      „Zeigen Sie mir alles, was Sie über einen Mann namens Frank Prosser da drin haben.“ Ich deutete auf den Computer. Er sah erschrocken auf.

      „Das meinen Sie doch nicht im Ernst?“

      „Er hat sich auch meine Akte angesehen.“ Ich hob unschuldig die Schultern. „Eine Routine-Sicherheitsanfrage. Ich meine, wir müssen doch auch sichergehen, dass er der ist, der er zu sein vorgibt, oder?“

      „Wenn Sie meinen...“ Er gab alles ein.

      „Naja, dann werden Sie mich wohl alleine lassen müssen.“ Ich deutete auf den Bildschirm. „Streng geheim!“

      Er verschwand und ich las mir alles durch, was es über den Karrieristen ein paar Etagen über mir zu lesen gab. Es war weder interessant noch berauschend. Es sagte nur aus, dass er ein Faible für große Aktionen hatte. Mit großen Aktionen konnte man viel Ruhm ernten. Sie waren sicher für ihn. Wenn was schief ging, fand sich schnell ein Sündenbock, wenn es klappte, war er der Held. Ich hasste das.

      Später am Tag erfuhr ich, dass es auch Dinge gab, die er hasste, mal abgesehen von meinem Erscheinungsbild. Wutschnaubend kam er in mein Büro-das-wie-wir-ja-alle-wissen-diesen-Namen-durchaus-nicht-verdiente-aber-dennoch-sympathischer-war-als-Prosser gestürmt und schrie: „Was bilden Sie sich eigentlich ein?

      Das war eine Frage, auf die eine komplexe Antwort von Nöten gewesen wäre, aber ich war ziemlich sicher, dass es nicht das war, was er hören wollte.

      „Sie haben in meiner Akte geschnüffelt!“

      „Ja.“

      „Sie haben nicht das Recht...“

      „Doch, das habe ich.“ Aufgebracht näherte er sich meinem Schreibtisch, setzte sich aber nicht auf die Lehne meines Besuchersessels. „Ich bin sogar verpflichtet dazu. Es hätte ja sein können, dass man Frank Prosser umgebracht hat und Sie ein Betrüger sind.“

      „Und? Hat man?“

      Zu meinem Bedauern hatte man nicht.

      „Dann bin ich ja beruhigt, dass Sie zufrieden sind.“

      „So kann man das eigentlich nicht nennen. Ach, wo Sie schon mal hier sind: Planen Sie zufällig etwas für die nächsten Tage? Eine größere Aktion vielleicht?“

      „Woher wissen Sie...?“

      „Sie machen sowas gerne. Habe ich mir sagen lassen. Sagen wir, es steht in Ihrer Akte. Außerdem ist ja wohl eine Aktion fällig, mit der Sie uns und der Öffentlichkeit Ihre Präsenz beweisen wollen. Die Bösewichter werden davon bestimmt überwältigt sein.“

      „Tun Sie einfach Ihre Arbeit, Sie Witzbold. Überlassen Sie das Denken mir.“

      „Dabei wird nicht viel herauskommen. Bedenken Sie Ihren eigenen Denkfehler: Es ist mein Job zu denken!“

      „Mischen Sie sich nicht in meine Angelegenheiten.“ Er drehte sich um und marschierte auf die Tür zu.

      Als