Tief Verborgen. Pia Schenk

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Название Tief Verborgen
Автор произведения Pia Schenk
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847645399



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Sarah und Jonah, irgendwo in den Alpen. Allerdings gab nur eine Handvoll Bilder darüber Aufschluss, die meisten Seiten waren leer. Ob sie nun immer so gewesen oder vor einer Stunde ihres Inhalts beraubt worden waren, konnte ich nur mutmaßen.

      Meine einzige Hoffnung war jetzt mein Onkel, und der würde in spätestens einer guten Stunde neben mir Platz nehmen. Ohne abzuschließen, hastete ich aus dem Haus zu meinem Auto und los ging die Fahrt. Eigentlich fuhr ich oft und gerne mit dem Auto um den See, gemütlich von einem Ort zum anderen. Aber heute achtete ich kaum auf die schöne Umgebung, konnte mit meinem Blick kein Bild erfassen. Ich hatte nur einen Gedanken - schnell anzukommen.

      Es war schwer bis unmöglich Patrick in Diskussionen oder Gespräche zu verwickeln. Hatte er etwas zu sagen, so tat er dies. Keine Erklärungen, Annahmen oder Vermutungen, nur satte Fakten: klar, verständlich, deutlich. Ob dies nun seinem Charakter entsprach, vom übermächtigen Vater herrührte, eine einfache Berufsdeformation oder vom Todestrauma Sarahs beeinflusst war, wusste ich nicht klar zu bestimmen.

      Um der Wahrheit näher zu kommen, um zu erfahren, was gestern tatsächlich in der Dependance stattgefunden hatte, musste ich auf seine Initiative hoffen. Mit vielen Fragen kam ich bei ihm nicht weiter.

      Der Parkplatz des Seerestaurants in Tutzing war übervoll und langsam wurde es richtig warm. Die Luft begann zu flimmern. Sicher saß Patrick auf der Terrasse am Seeufer und genoss den wundervollen Blick, über den See hinweg zu den Alpen und darüber nichts als stahlblauer Himmel. Wir waren schon oft gemeinsam mit dem Boot hier gewesen. Obwohl er Menschenansammlungen stets mied, schien er sich hier seiner Anonymität sicher.

      Da er es vorzog, immer in der letzten Reihe zu sitzen, war es für mich nicht schwierig, ihn schon von weitem auszumachen. „Hinten den Rücken frei und vorne alles im Blick haben“, war eine seiner Theorien. Seine Sicherheit ging ihm über alles. Mit ihm am Tisch waren noch zwei Personen, vielleicht ein Paar. Aus der Entfernung konnte ich sie nicht genau erkennen, da ich sie lediglich von der Seite sah. Hoffentlich saßen sie nicht mit, sondern nur bei ihm am Tisch. Näher kommend stellte ich fest, dass sie miteinander sprachen. Die Frau schüttelte den Kopf, strich sich ihr langes, helles Haar aus der Stirn und wandte ihr Gesicht meinem Onkel zu. Sie schien ihm zu gefallen. Er machte einen ungeheuer gelösten Eindruck, an sich vielleicht nichts Besonderes, in seinem Falle jedoch eher merkwürdig. War das nicht die Frau, mit der ich Jonah in München gesehen hatte? Der hell gekleidete Mann daneben wurde von ihrer Gestalt nahezu vollständig überdeckt.

      Durch das Gedränge hindurch hatten sie mich nicht kommen sehen. Als ich endlich in Griffnähe kam, glaubte ich, den Herrn im weißen Sommeranzug wiederzuerkennen. Er blickte nun auch in meine Richtung, stierte geradezu.

      Er war es, der Mann auf dem Stuhl im Brunnenzimmer und er sah aus wie, … wie Paul - mein Großvater.

      Das machte nicht nur keinen Sinn, sondern das konnte auch nicht sein! Großvater? Aber Großvater war doch verschwunden, tot, irgendwo in Südafrika! Leider sah man mir meist sehr genau an, was ich dachte oder fühlte, da nützte auch das Anlegen eines passenden Lügengewandes wenig. Geschweige denn - … Ich war vollkommen schockiert.

      Dabei wirkte die anfängliche Situation auf der Terrasse so harmlos, wie inszeniert. Gedränge, Hitze, Geplauder, Gelächter, wolkenloser Himmel und ein schimmernder, leicht bewegter See. Und ich? Nur ich konnte dieses sommerliche Schauspiel nicht wahrhaben, nicht genießen.

      Empfand es eher einem Film gleich, der nur am Rande meines Blickfeldes sichtbar durchlief. Denn meine gesamte Konzentration, die Blickmitte fing ausschließlich diesen Tisch - mit diesen drei Personen ein.

      Jetzt sah man mir die Erschütterung nicht nur an, sondern sie schien mir gar aus dem Antlitz zu gleiten, um einen darunterliegenden Angstzustand zu entblößen. Fassungslos starrte ich meinen Onkel an.

      „Emma, ich möchte dir „Jemanden“ vorstellen“ sagte Patrick mit leicht belegter Stimme.

      Zögerlich, fast schon mühsam, wendete ich den Blick von Patrick ab, hin zu diesem „Jemand“, der in diesem Augenblick vornüber auf den Tisch sank. Die danebensitzende Frau legte ihre Hand auf seinen Rücken, drückte sanft zu, so als ob sie ihn wecken wolle. Sein Rücken aber zeigte einen dunklen Punkt auf, wo sich Blut ansammelte und nach und nach auf dem hellen Stoff ausbreiteten würde. Geschickt schob sie den offenbar leblosen Körper mit der freien Hand wieder in eine sitzende Position, stand auf und entfernte sich ohne Übereilung.

      Mein Onkel erhob sich ebenfalls und steuerte mich mit einem Schubs in Richtung Parkplatz. Dank des Getümmels hatten wir nicht nur kein Aufsehen erregt, sondern dankvollen Gesichtern die begehrten Plätze überlassen!

      „Beeil dich und gib mir den Autoschlüssel Emma. Wo hast du denn geparkt. Schnell, verdammt wir haben keine Zeit zu verlieren.“

      „Aber wir müssen doch helfen, ich gehe wieder zurück.“

      „Zu spät, Emma, nicht stehen bleiben, weiter, komm!

      Patrick drängte mich grob auf den Sitz und fuhr zügig in Richtung Starnberg.

      „Emma, ich bringe dich nach München zurück, hier bist du nicht mehr sicher.“

      „Nicht mehr was? Ich? Was soll das heißen, nicht sicher? Nicht sicher vor wem? Und in München soll ich sicher sein? Wie denn, wenn ich nicht einmal hier mit dir sicher bin! Ich kapiere überhaupt nicht, was hier vorgeht. … der Mann, der Mann ist tot! Ich komme wie besprochen zum See, kann Dich und Jonah nicht finden und werde in eurer Anwesenheit im Brunnenzimmer niedergeschlagen. Jonah erzählt mir dann, das sei alles gar nicht so gewesen. Ohnmächtig, ich, am Opferplatz, das ist doch Quatsch. … einfach so, nach vorne gekippt. Ich hatte mich auf ein Wochenende mit euch gefreut. Du weißt doch, was mir deine Meinung zu meinen Projekten bedeutet. Aber das ist ja jetzt unwichtig. Und am nächsten Morgen fährst du mit dem Boot und einem Freund raus, bestellst mich dann schnell nach Tutzing, - wo ich dich mit meinem Großvater, deinem Vater, seelenruhig am Tisch sitzend vorfinde???!

      … Das Blut breitete sich auf seinem Rücken aus, alles rot. Als ich endlich kapiere, wer er ist, da ist er wieder tot. Tod und wieder Blut. Du weißt doch genau, dass mich dieser Traum wieder verfolgt. Und wer war denn diese Frau? Erkläre es mir, bitte, ich will es wissen.“

      Ich schrie das alles aus mir raus, in der Hoffnung, dass es dann in die Welt verschwand, vielleicht hin zu ihm, aber in jedem Falle weg von mir. An der nächstmöglichen Ausfahrt steuerte er das Auto auf einen Parkplatz. Ich weinte mittlerweile aus Erschöpfung, meine Gegenwehr war gebrochen.

      „Lass uns bitte keine Zeit verlieren Emma. Du hast ja Recht. Wir fahren nur kurz nach Bogenhausen, suchen ein paar Sachen zusammen und dann bringe ich dich zu Freunden, einem Ehepaar, nach Heidelberg.“

      Ich wusste, dass er ein paar Semester an der Ruperto Carola studiert hatte, bevor er in München promovierte. „Auf dem Weg dahin werde ich versuchen, dir eine Erklärung zu geben. Jetzt muss ich erst Alexander und Lotte erreichen, damit ich uns anmelden kann.“

      Lotte und Alexander, von ihnen und seiner Studienzeit in Heidelberg hatte ich schon viel gehört. Es war der einzige Zeitraum, den er gerne beschrieb.

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