Название | Galvans Onkel |
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Автор произведения | Martin Schlobies |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742794758 |
"Regarde! Deux femmes superbes!", sagte Edmund und deutete auf die Tür zum Flur. Durch die Scheiben sahen wir zwei große Frauen im Flur stehen.
Die größere und ältere der beiden telephonierte, die jüngere zeigte eine Königinnensilhouette; so hoch trug sie den Kopf. Die blonden Haare hinter den Ohren zusammengerafft, fielen sie schwer auf ihre Schultern, wie eine Woge. Das Kleid hielt die aufbrechenden Brüste, züchtig, am Zügel.
Das Telephonat war beendet und die beiden Frauen gingen fort, zum Ende des Flurs, wahrscheinlich in eines der anstoßenden Zimmer. Die jüngere mit besitzergreifenden Schritten, mit der wiegenden Spannung weiblicher Hüften. Ein Mädchen im Schmuck ihrer Haltung und ihrer Jugend, rasch und stolz.
Edmund verschwand im Treppenhaus. Ich sackte in einen Liegestuhl, mit völlig leerem Kopf. Die Müdigkeit überfiel mich verdoppelt. Das Ausräumen des Autos hatte mich erschöpft. Es war eine letzte kleine Aufgabe, eine letzte kleine, anstrengende Pflicht gewesen - vor dem ersehnten Nichtstun.
Bald kam Edmund zurück aus dem Flur, eine Zeitung unter dem Arm; er sah sich um, mit jenem Blick, den ich schon gut von ihm kannte. Er erfaßte das Kastell, den Innenhof, die Türme, maß sie mit drei, vier raschen, präzisen Blicken ab und murmelte:
"36 x 36 m, fast quadratischer Umriß, Türme ca. 14 m hoch, gerechnet von den Grundmauern, Bruchstein, die ältesten Teile sicherlich noch aus dem 11. oder 12. Jahrhundert." Das alles trug er in eine unsichtbare Tabelle ein, ließ sich dann ebenfalls in einen Liegestuhl fallen und las die Zeitung - wenn er sie nicht lesen konnte, würde er sich den ganzen Tag hilflos und ausgestoßen vorkommen, vielleicht würde er sogar taub und stumm werden.
Ich versuchte mich zu entspannen, doch etwas in mir ließ nicht los, und da fiel mir die vergangene Nacht wieder ein, die Anhalterin, und der Brief, den wir überbracht hatten. Ich ahnte, ich würde Tage brauchen, um das, was ich gesehen hatte, zu begreifen. So als ob da noch eine Aufgabe auf mich wartete, eine Last, etwas Anstrengendes, etwas Beunruhigendes.
Und dann kam es mir sogar vor, als ob dieses Etwas ganz in der Nähe auf mich lauerte. Ich war irritiert von etwas, was ich nicht fassen konnte, sah unwillkürlich suchend umher. - Nichts!
Doch plötzlich fesselte etwas meine Auf-merksamkeit. Oben, auf einem Wehrgang, auf der Dachterrasse, hinter einer der Zinnen, halb verdeckt durch Efeu und Winden, glaubte ich eine schlanke Frau stehen zu sehen.
Ich sprang auf, so heftig, daß Edmund zusammenzuckte.
"Was ist passiert?", fragte er erschrocken, "Was hat dich denn ...?"
"Ich dachte, ich hätte dort jemanden gesehen, - den ich kenne."
"Du kennst viele Frauen, nicht wahr?", er lachte. Aber mir war nicht nach Lachen zumute.
Mit raschen Schritten überquerte ich den Hof, suchte die Treppe zum Turm, fand die Tür im Efeu versteckt; sie war offen. Atemlos hastete ich die enge Wendeltreppe hinauf und unvermutet stand ich auf halber Treppe von Angesicht zu Angesicht dem jungen Mädchen gegenüber, das ich am Morgen von meinem Fenster aus im Innenhof auf dem Liegestuhl liegend gesehen hatte.
Sie wollte grußlos an mir vorbei, aber die Treppe war so eng, daß ich stehenbleiben mußte, um sie vorbeizulassen. Sie schien unwillig, aufgehalten zu werden.
Sie war sehr schlank, hatte schwarze Haare, einen Teint, der etwas heller war, als hier in der Gegend üblich, und gefüllte Lippen. Sie erschien mir jetzt noch jünger zu sein, als ich anfangs gedacht hatte, höchstens vierzehn Jahre alt.
Das Mädchen starrte mich an - mit großen Augen und mit einem traurigen, im Unendlichen verlorener Blick. Es kam mir seltsamerweise so vor, als blicke sie durch mich hindurch, - oder genauer, als blicke etwas anderes durch sie hindurch. Dann senkte sie kurz die Augen.
Als sie wieder aufsah, war ihr Gesicht verändert, spöttisch und fragend, ob ich ihrem Blick wohl standhalten würde. Schließlich bedachte sie mich mit einem Augenblitzen, so strafend und herrisch, daß ich erschrocken den Weg freigab.
"Wie heißt du?", fragte sie, als sie fast an mir vorüber war.
"Manfred!"
"Manfred!", wiederholte sie langsam, als fürchtete sie, meinen Namen zu vergessen, "Ich heiße Anna!"
"Anna! Sehr hübsch!" erwiderte ich.
"Wo kommst du her?" fragte sie.
"Vom Land!"
"Und du?" fragte ich.
"Vom Meer!" Sie lachte und beim Lachen konnte ich ihr in den geöffneten Mund sehen, der so rot war, als hätte sie gerade Himbeeren gegessen.
Als ich dieses Lachen hörte, diese tiefe Sorglosigkeit, vielleicht sogar eine Kälte, bekam ich Angst. Es war, als hätte jemand ein feines kaltes Messer in meine Brust gesenkt. Es war wohl das erste Mal in meinem Leben, daß ich vor einem Mädchen Angst hatte.
Ich ging die restlichen Stufen der Treppe hoch. Oben auf der Plattform war niemand.
4. Kapitel
Am späten Vormittag machte ich mit Edmund einen Spaziergang zum Dorf, dann hinaus über die Felder, um die Umgebung ein wenig kennenzulernen. Die Straße wurde bald brüchig, ein einsames Gehöft tauchte auf, es schien völlig menschenleer zu sein, nur ein einzelner Hahn pickte auf dem Weg, er suchte wohl Käfer im ockerfarbenen Staub, zwischen Mauern, die aussahen, wie aus den Wunden der Erde gerissen. Es war still hier, sehr still. Die Stille stritt mit der Einsamkeit.
Wir verließen die Straße und gingen durch brusthohe vertrocknete Felder, gelbe Blumen wuchsen zwischen dem Getreide, liefen auf trockenen Wegen, aus denen die kleinen wilden Gladiolen sprossten. Dann durch Mandelbaum-plantagen. Viele der Bäume waren tot; nackt und schwarz standen sie in Reih und Glied auf nackter roter Erde. Wieder Gehöfte wie Burgen, wieder endlose Wege zwischen Steinmauern.
Die Hitze stand wie ein flimmerndes Fieber über der Landschaft. Ab und zu wurden wir umschwirrt von einer riesigen roten oder blauen Libelle, oder von den grünschillernden Käfern des Glücks. Hoch oben über uns kreisten zwei Adler.
In einem Zitronenhain, der gesäumt war von Zypressen, legten wir uns auf eine Wiese, in den Schatten, um ein wenig auszuruhen. Ich fürchtete in dieser Gluthitze einzuschlafen, weil ich Angst hatte, in einem anderen Körper aufzuwachen, so sehr hatte mir die Hitze zugesetzt. Um mich wachzuhalten, begann ich ein Gespräch mit Edmund. Das war wirklich schön an diesen Ferien, die Aussicht, daß ich mich fast zu jeder Zeit mit Edmund unterhalten konnte.
"Kann man sich in eine Seele verlieben?", fragte ich, ohne recht zu wissen, wieso ich auf diesen Gedanken gekommen war, "In die Seele einer Frau?"
Edmund antwortete erst nicht, er war anscheinend kurz eingenickt. Er gähnte und es dauerte eine geraume Zeit, bis er zu sich kam,
"Vielleicht ist die Frage falsch gestellt," sagte er, "vielleicht hättest du fragen sollen: 'Kann man sich in eine Frau ohne Seele verlieben!'"
"Und wie ist die Antwort?"
"Zweifellos ja! Das passiert sogar sehr häufig!"
Ich erschrak vor der Bitterkeit in seiner Stimme, und spürte eine Welle von Mitgefühl, vielleicht auch von Mitleid für Edmund. Wie leer und traurig mußte sein Leben mit Michelle sein, daß er soetwas sagen konnte! Edmund lächelte schmerzlich, als hätte er meine Gedanken erraten, und sagte:
"Ich denke, die Männer sind nicht geschaffen, nur eine Frau zu lieben. - Ich würde gern frei sein! Irgendwo sein, wo ich niemandem Rechenschaft schuldig bin!"
"Frei?", fragte ich, "Wirklich frei sind wir nur wenige Minuten, dann melden sich schon wieder irgendwelche Bedürfnisse, Zwänge, andere Menschen mit ihren Anforderungen."
"So