Oskar trifft die Todesgöttin. Jörgen Dingler

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Название Oskar trifft die Todesgöttin
Автор произведения Jörgen Dingler
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847634317



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bestimmt – eine ungewohnt derbe Wortwahl für das vornehme Christinchen. Klang mehr nach Oskar.

       Mein schlechter Einfluss auf das hochwohlgeborene Hanseatent ö chterchen.

      Irgendwie musste er in diesem Moment etwas loswerden, was gerade nicht daher passte. Es bestand die Möglichkeit, ihr das nicht mehr allzu oft sagen zu können… oder allzu lange.

      »Ich liebe dich, Christine«, sprach er leise ins Mikrofon des Headsets.

      Sie drehte sich zu ihm, sah dann wieder nach vorn und stülpte die Unterlippe vor. Kein Kommentar von ihrer Seite, keine sonstige Mimik, keine Freude.

       Verdammt! Vergiss nie ihre Empathie und halte dich mit tiefsinnigen Liebesbezeugungen zur ü ck!

      Aber Liebe hat ihre eigenen Gesetze. Gesetze, die jeder Vernunft und vor allem Vorsicht widersprechen können. Die Art, in der sie auf einmal den Helikopter nach unten drückte und beschleunigte, widersprach ebenfalls jeder Vernunft. Sie rauschten die Westküste in einer ‚Höhe‘ entlang, bei der man fast den großen Zeh aus der Tür halten konnte, um festzustellen, ob das Wasser warm genug zum Baden war. Der schnittige Varicopter raste in maximal 50 Metern Höhe die Küste entlang. So erschraken dann auch die wenigen Badenden, als sie Stellen passierten, an denen sich vereinzelt jemand zu Wasser ließ. Bei Christine war die Formulierung ‚ein Fortbewegungsmittel beherrschen‘ mehr als angebracht. Sie gehörte nicht zur Masse derer, die selbst als Lenker eher Passagier sind. Ihrem schelmischen Gesicht war abzulesen, dass auch bei Vermeidung der Jetkorridore das Motto ‚no risk no fun‘ nicht zu kurz kam. In Anbetracht der Geografie ließen sich hier nur vereinzelt Menschen zu Wasser. Die West- oder eher Nordwestküste war nicht gerade die Küste der Traumstrände. Landschaftlich durchaus beeindruckend, aber unter Badeparadiesen verstehen Urlauber etwas anderes. Die Küste wurde immer noch unwirtlicher, aber auch landschaftlich beeindruckender, je weiter sie nach Norden kamen. Nachdem ausnahmsweise sogar ein kleiner Sandstrand aufblitzte (den Christine zum letzten Erschrecken der Badenden nutzte), stiegen die Felsen immer dunkler, bedrohlicher und senkrechter in die Höhe. Oskar vermutete richtig, dass sie sich im wahrsten Sinn des Wortes dem Höhepunkt näherten, den höchsten küstennahen Felsen, etwas südwestlich des Nordkaps der Insel.

      Der Zielpunkt der Reise. Maryfuego.

      Die vulkanische Landschaft unterhalb der Lavawände wurde gleichsam mit dem Ansteigen der Felsen immer weitläufiger, sodass Christine den Helikopter von oberhalb des Meeres landeinwärts ziehen konnte. Unter ihnen flog die dunkle Küste vorbei, auf der rechten Seite erhoben sich steile, dunkle, in Schichten farbige Wände, die ein wenig an die Felsformationen des Grand Canyons erinnerten. Diese Wände mussten in der Tat mehrere hundert Meter hoch sein. Nur machte es einen Unterschied, ob man sie am Pool sitzend in einer Senkrechtaufnahme von Google Maps sieht oder mit ein paar hundert Sachen nahe an ihnen vorbeirauscht.

      Jetzt müssten sie bald da sein. Sie zog den Heli fast rechtwinklig landeinwärts und hielt genau auf die riesige Wand zu. Die Faszination der Farbigkeit und Struktur jahrtausendelang erkalteter Lava konnte leider nichts von ihrer Bedrohlichkeit nehmen. Vor allem deswegen nicht, weil diese sicher gut einen halben Kilometer hohe Wand auf sie zuraste. Die Pilotin riss den Heli erst knapp vor der Wand hoch, sodass man den Eindruck bekam, als würde man das atemberaubende Vulkangestein senkrecht in einem Höllentempo hochfahren. Spätestens jetzt stand außer Frage, warum Christine ihre Passagiere im Befehlston ermuntert hatte, sich anzuschnallen.

      Als sie den Scheitelpunkt passierten, stellte Christine den Heli derart abrupt waagerecht, sodass er einige zig Meter oberhalb der Kante wie ein unter Wasser gedrückter und losgelassener Korken auf einer imaginären Wasseroberfläche hüpfte. Wie Christines sonstigen Fortbewegungsmittel musste auch der Varicopter eine Hochleistungsausgabe seiner Gattung sein, der Flugmanöver einer Ausnahmepilotin wie ihr ermöglichte. Bei dem abrupten Abfangen des Luftfahrzeugs fand sich Oskars Magen gefühlt in seinem Kopf wieder. Gleichsam mit dem nachlassenden Nachschaukeln des Helis sank sein Magen wieder in Richtung Ursprungsposition. Der Heli schaukelte nicht mehr, stand reglos in der Luft. Oskar atmete durch und sah… nichts! Christine drückte den Varicopter rückwärts, setzte langsam in der Luft zurück. Jetzt sah er etwas. Immer mehr, je weiter der Heli sich nach hinten bewegte. Das war also die Großaufnahme dessen, was sich im Satellitenbild eher unspektakulär ausmachte. Was für Christine galt, galt wohl auch für all ihre Besitztümer.

      Die Realität toppt jede Abbildung. Das ist also Maryfuego Meer und Feuer. Noch eine Luxusfestung.

      Maryfuego war höhlengleich fast komplett in den Fels gehauen. Der Helikopter senkte sich langsam wie zuvor Oskars Magen, sodass er die Anlage besser bestaunen konnte. Genau das tat er. Er staunte Bauklötze.

      »Jetzt kannst du sagen, dass du mich liebst«, unterbrach Christine sein Staunen, indem sie mit ungewohnt dunkler Stimme in das Mikrofon ihres Headsets sprach. Sehr sexy. Normalerweise hatte sie eine glockenhelle, aber freche, mädchenhafte Stimme. Eine Stimme so süß wie die ganze Frau.

      »Ich kann das immer sagen, damit das mal klar ist«, brummte er gespielt streng. Er wollte mit dem flapsigen Spruch die Nachdenklichkeit von vorhin vergessen machen.

      Christine grinste breit. Oskars Augen schweiften über den riesigen Pool, der als einziges per künstlichen Zubauten wie ein überdimensionaler Balkon zu einem Gutteil über die Felswand hinausragte. Stabile Relings aus Holz und Stahl sicherten in Fels gehauene Gänge, die als äußere Verbindungen dienten und gleichzeitig als Aussichtsplattformen genutzt werden konnten. Hinter dem längsten dieser Gänge befand sich eine Fensterfront von mindestens zwanzig Metern Länge und drei Metern Höhe. Die Fensterfront zog sich im Halbrund, ihre rahmenlos aneinandergefügten Scheiben waren absolut plan. Warum plan und nicht gerundet wie die Fensterfront als Ganzes? Bei Christine Vaarenkroog war das keine Frage des Geldes, sondern der Machbarkeit. Mehrschichtiges Panzerglas lässt sich ab einer gewissen Größe und Dicke nicht mehr gewölbt produzieren. Oskar scannte alles sehr genau, zog seine Schlüsse, nickte kaum merklich. Und er wurde ebenfalls gescannt. Nur ein kurzer Seitenblick reichte Christine, um die konzentrierte Beobachtung, die so gar nichts von normaler Neugier und unverfänglichem Staunen hatte, bei ihrem Lover zu registrieren. Auch sie zog ihre Schlüsse… und schmunzelte. Oberhalb dieses beeindruckenden Aussichtsdecks gab es noch eine Etage, wo kleinere runde Fenster aus dem Fels lugten – Bullaugen im Vulkangestein. Christine hob ihren Heli an und strebte dem Landeplatz entgegen. So konnte Oskar nochmal einen Blick auf das Oberdeck werfen, das mehrere Palmen, ins Gestein gehauene Bänke und einen oberen Eingang erkennen ließ. Unterhalb des zumindest Volleyballfeld großen Oberdecks gab es mehrere kleine Terrassen. Sowie eine Terrasse oberhalb aller anderen, sicherlich der Balkon des Burgfräuleins. Nein, der Schlossherrin.

      »Ich warte«, neckte sie.

      »Äh was?«

      »Ich sagte vorhin… vor Stuuunden… damals: Jetzt kannst du es sagen.«

      Kleine Übertreiberin du bist! Witzboldine!

      »Dafür, dass es schon so lange her ist, hat sie ein gutes Gedächtnis.«

      »Hmhmmm. Hat sie«, summte sie. »Sie wartet übrigens immer noch.«

      »Ich liebe dich, mein unvergleichliches, absolut einmaliges Prachtweib.«

      »Na bitte, geht doch«, gurrte sie und schmunzelte.

      Oskar fiel ein felsiges Häuschen am Ende des Anwesens auf, das sicherlich irgendwas Spezielles beherbergte.

      »Und was ist das da hinten, Süße?« Er zeigte zu dem Häuschen, das eher ein Steinhäufchen war. Wenn auch im Gegensatz zur Felsenfestung erkennbar künstlichen Ursprungs, fügte es sich nahtlos ins Gesamtbild. Hier passte alles geradezu vulkanisch gut zueinander. Das war wohl auch beabsichtigt.

      »Was für Schwindelfreie«, antwortete sie in ihrem schnippisch-neckischen Ton. Sie war mit dem Landemanöver beschäftigt und sah nicht dorthin, wohin er zeigte. Für sie war ohnehin klar, was er gemeint haben musste. »Ein Sessellift, Süßer. Damit kommt man zum Strand runter.«

      »Wie praktisch.«