Der tote Hund in der Dachrinne. Axel Birkmann

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Название Der tote Hund in der Dachrinne
Автор произведения Axel Birkmann
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847607939



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dem Mittagessen sehen. Und einige Zeitungen und freie Reporter lassen seit heute früh das Telefon pausenlos klingeln. Es hat sich leider herumgesprochen, dass es einen Toten auf dem FMG Gelände gegeben hat. Und dieser Jürgen Tischler, derjenige der den Toten gefunden hat, kommt heute Nachmittag. Du wolltest ihn noch zu Ende vernehmen, was du gestern Nacht vergessen hast.«

      »Ach du Scheiße! Machen Sie mal eine Pause, mir dröhnt schon jetzt der Kopf.«

      »Och, das ist noch gar nichts. Zusätzlich haben sich zwei Herren vom LKA für heute Nachmittag angekündigt. Ob sie den Fall übernehmen wollen oder uns nur zur Seite stehen sollen, das weiß ich noch nicht. Ich denke, dass da unsere Staatsanwältin noch ein Wort mitreden wird. Und dann der Zettel, den wir bei dem Opfer in der Gesäßtasche gefunden haben.«

      »Also, was ist das für ein Zettel?«

      Melanie hatte den besagten Zettel die ganze Zeit in einer Plastikfolie hinter ihrem Rücken versteckt gehalten. Jetzt legte sie ihn mit einem triumphierenden Blick vor Kreithmeier auf den Schreibtisch.

      Es war ein Zehn mal Zehn Zentimeter großes Stück Papier. In der Mitte war ein runder Kreis mit Bleistift aufgezeichnet, der mit einem Kreuz symmetrisch in vier gleich große Kuchenstücke zerteilt wurde.

      »Was ist denn das?«

      »Das wüsste ich auch gerne. Ein Kreis mit einem Kreuz. Etwas Religiöses? Eine germanische Rune? Man liest doch im Moment so viel über diese Neonazis, rechtsradikale Terroristen, Dönermorde. Und Löbinger war Jude. Könnte es damit zu tun sein?«

      Kreithmeier nahm die Plastiktüte mit dem Zettel in die Hand und drehte sie. Außer diesem Kreis und dem Kreuz war nichts zu entdecken.

      »Fingerabdrücke?«

      »Rein und sauber wie die Unschuld vom Lande.«

      »Was wissen Sie denn von der Unschuld?«

      Melanie lachte. »Da hast du auch wieder Recht. Keine Abdrücke, nichts.«

      »Und schon mal nach diesem Zeichen im Internet gesucht.«

      »Kreiti, was denkst du denn. Das war doch das erste. Aber! Nichts! Nothing!«

      »Komisch. Mir kommt dieses Zeichen bekannt vor. Ich habe es schon mal gesehen. Eine germanische Rune ist das nicht. Da bin ich mir sicher. Und wir müssen vorsichtig sein, was wir reden. Eine dumme Bemerkung und schon schießen sich die Pressefutzis auf ein Thema fest. Und wir müssen die Familie Löbinger schützen. Ein Beziehungsdrama scheidet für mich vorerst aus.«

      »Das denke ich auch. Eher ein Racheakt. V wie Vergeltung oder Vendetta, Blutrache. Baumafia? Schutzgelderpressung?«

      »Ich glaube nur das, was ich sehe, und ich meine, Sie haben zu viel Fantasie. Und Sie schauen zu viel diese CSI Sendungen.«

      »Blödsinn. Das V ist mit Absicht gemacht worden. Das war kein Versehen eines schlechten Schützen. Aber vielleicht gehst du erst mal zur Lehner. Sie wartet schon brennend auf deinen knackigen Hintern.«

      »Damit sie hineintreten kann.«

      »So schlimm ist sie doch auch nicht.«

      »Doch, vor allem seit sie mit Ihrem Tennislehrer ein Verhältnis hat. Zieht sich an wie eine 18jährige und meint alle Männer müssen sie anhimmeln und ihr zu Füßen liegen.«

      »Ach, hat sie dich schon mal angebaggert?«

      »Ja, oder so ähnlich.«

      »Kreiti, Kreiti, du wirst doch nicht zu einem Womanizer aufsteigen.«

      »Knalltüte!« er trank seinen Kaffee leer, winkte Gizmo kurz zu und trat dann seinen Gang nach Canossa an, seinen Gang zur einzigen Staatsanwältin der Stadt Freising: Claudia Lehner. Ihr Dienstsitz war normalerweise in Landshut, in der Maximilianstrasse, dem Gebäude der Staatsanwaltschaft, die unter anderem auch für die Landkreise Freising und Erding mitverantwortlich ist. Insgesamt sind dort über 35 Staatsanwälte beschäftigt, die in Vier Abteilungen aufgeteilt sind. Frau Lehner gehörte zu Abteilung I, Kapitalverbrechen, darunter fiel auch der Tatbestand eines kaltblütigen Mordes. Staatsanwältin Lehner hatte quasi die Patenschaft über den Landkreis Freising. Ihr kam zu Gute, dass sie in Marzling wohnte, kannte sich also mit den Gegebenheiten recht gut aus. Immer wenn ein Kapitalverbrechen in der Domstadt begannen wurde, verbrachte sie einen Teil ihrer Tätigkeit vor Ort. Hierfür hatte man ihr ein kleines Büro im Polizeirevier in der Haydstrasse eingerichtet. Spitzname: die Kammer des Schreckens. Doch das kam selten vor, da Kapitalverbrechen in Freising eben selten vorkamen.

      Ausgerechnet heute saß sie in ihrer Kammer im obersten Stock, hatte von dem Leichenfund auf dem Flughafengelände mitbekommen, und wollte aus erster Hand erfahren, wie weit die Ermittlungen waren. Langsam kämpfte sich Kreithmeier die ausgetretenen Stufen hoch. Er hatte eigentlich selten mit ihr zu tun, und wenn, dann reichte es ihm wieder für ein paar Monate. Frau Lehner war Mitte 40, selbstverliebt und karrieregeil. Und das mit der Karriere war so eine Sache. Es passierte zu wenig in ihrem Bezirk. Und um leitender Oberstaatsanwalt zu werden, müsste sie dem amtierenden zunächst die Bremsleitungen durchschneiden oder mit dem bayerischen Justizminister ins Bett gehen. Und das war nicht so einfach, denn der Minister war eine Frau. Und sogar ein hübsche.

      Kreithmeier schmunzelte, als er sich vorstellte, wie die beiden Frauen durch die Betten tollten. Auf so etwas ließ sich die Lehner nicht ein. Die war hetero. Das war sicher. Und die Staatsministerin? Egal. War uninteressant. Die Lehner war ja auf jeden Fall seit dem Sommer in festen Händen. In den festen Händen des Tennislehrers des Tennisclub Marzling, ein gut gebauter, muskulöser, vom Sonnenstudio angekohlter Kroate, der ihr beim Aufschlagtraining zu tief in die Augen und zu tief ins Dekolletee geschaut hatte.

      Kreithmeier klopfte an die Tür, wartete nicht auf ein freundliches Herein, sondern öffnete sie sofort. Es war sein Polizeirevier und sein Fall. Und die Lehner war nur ein geduldeter Gast.

      »Ach Herr Kreithmeier, hatte ich Sie schon hereingebeten?« Sie klappte wie ein ertappter Schuljunge ihr Handy zu und blickte den Kommissar fragend an.

      »Sie wollten mich sprechen, Frau Staatsanwältin?«

      »Ja, durchaus. Die Dinge überschlagen sich. Was sagen Sie? Der gestrige Tag war voller Überraschungen, deswegen bin ich heute hier in Freising geblieben, um mich von Ihnen auf den neuesten Stand bringen zu lassen. Erzählen Sie mal mein lieber Herr Kommissar, was ist denn da los.«

      Kreithmeier setzte sich ohne Aufforderung auf einen der beiden Besucherstühle vor dem Schreibtisch und gab in kurzen Worten eine Zusammenfassung der letzten 24 Stunden. Nur das Nötigste, war seine Devise, wollte sie Details, müsste sie anfangen zu lesen, die Berichte der Feuerwehr, der Bereitschaft, der Spurensicherung, von Melanie Schütz und von ihm selbst. Aber das wollte sie nie, dafür war sie zu faul. Und hatte zu wenig Zeit. Ja, so eine kroatische Sportskanone wollte bedient werden, dachte er, während er wie heruntergespult Rapport gab.

      Sie sah richtig liebenswürdig und freundlich aus, mit ihren langen schwarzen Haaren, ihren dunklen verführerischen Augen und ihrem opulenten Busen, den sie ihm in einer engen Bluse über den Schreibtisch entgegen streckte. Kreithmeier rückte nach rechts, um nicht von einem Knopf ins Auge getroffen zu werden, den ihre beiden Brüste unter der gespannten Bluse zum Abreißen bringen konnten. Kreithmeier blickte nur noch auf den Knopf der Bluse. Wie hypnotisiert. Wenn sie sich jetzt weiter zu ihm nach vorne lehnte, dann war es um den Knopf geschehen. Und er musste davon springen. Kreithmeier schloss schon die Augen.

      »Ist Ihnen nicht gut, Herr Kreithmeier?«, fragte Claudia Lehner und lehnte sich zurück. Die Spannung der Bluse fiel und der Knopf durfte weiterleben. Kreithmeier blinzelte die Staatsanwältin an.

      »Es war eine kurze Nacht. Vielleicht bin ich noch etwas müde.«

      »Dann trinken Sie einen starken Kaffee. Ich brauche sie heute noch. Um 16 Uhr ist Pressekonferenz. Bis dahin müssen Sie sich zusammenreißen. War schon jemand bei der Ehefrau?«

      »Das wollten wir jetzt im Anschluss machen.«

      »Wir? Ach Sie und Frau Schütz. Wie macht die sich denn so? Ist ja eine attraktive Frau.«