Begnadet - Buch 1-2. Sophie Lang

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Название Begnadet - Buch 1-2
Автор произведения Sophie Lang
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742741516



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Schlange der Vegetarier erreichen.

      »Drüben bei den Raubtieren muss man viel länger anstehen«, meint Kyala trocken. Ich traue mich nicht zu fragen, ob das der eigentliche Grund dafür ist, dass sie sich zur Minderheit der Vegetarier zählt. Und warum sie die Fleischesser Raubtiere nennt.

      Kennst du Dr. Luise Kleist, will ich Kyala fragen, weil ich meine Verabredung mit der hübschen Blondine nicht vergessen habe und mich außerdem interessiert, ob Lu einen der Wahlkurse für Catwalk besucht hat. Aber in diesem Moment klopft mir jemand sachte auf die Schulter.

      Es ist Lu.

      »Lu?«, begrüße ich sie überrascht. »Du hast mich gefunden. Ich habe gerade an dich gedacht.«

      »An mich gedacht? Ehrlich? Du bist ja süß«, sagt sie und lächelt schief. »Ich sitze dort drüben. Wir haben noch Platz. Wenn du magst, dann komm einfach zu uns rüber.«

      »Klar will ich«, sage ich prompt und dann huscht mein Blick zu Kyala, die so tut, als ob sie von Allem nichts mitbekommt. Oder die vielleicht tatsächlich nichts mitbekommt?

      »Habt ihr auch noch Platz für meine Kollegin?« Lu sieht Kyala an. In ihren Augen sehe ich etwas aufblitzen. Kyala zählt offensichtlich nicht zu den Personen, mit denen sie für gewöhnlich verkehrt.

      Aber so wie ich Lu einschätze, ist sie eine tolerante Person. Wenn nicht, dann würde ich bei Kyala bleiben.

      »Wir haben auch noch einen Platz für deine Kollegin«, sagt Lu gefährlich langsam, vermutlich in der Hoffnung, dass ich nicht noch mehr von Kyalas Gattung im Schlepptau habe.

      »Prima.« Lu atmet durch, lächelt umwerfend charmant und zwinkert mir mit einem Auge zu, bevor sie wie ein Topmodel mit ihren Hüften wippt und zum Tisch zurückschwebt. Ich folge ihr mit meinen Augen und - oh Schreck - dort sitzt auch Alexander, der hübsche Typ von heute Morgen. Und noch ein anderer junger Mann. Nordischer Typ mit blondem Haar, groß und schlank mit einem schwarzen Hard Rock Cafe Helsinki Shirt an, der auch nicht lumpig aussieht. Ich wende mich wieder Kyala zu, die dasteht und nichts tut.

      »Ist das in Ordnung für dich?«, murmle ich vorsichtig, in der sicheren Annahme, dass sie nichts von der Unterhaltung mit Lu verpasst hat. Kyala ist vielleicht nicht besonders gesprächig, aber sie ist bestimmt nicht taub.

      »In ihn bin ich schon seit seinem ersten Tag im Institut verknallt.«

      »Wie bitte?« Also direkt ist Kyala schon. Aber wen meint sie nur? Vielleicht den muskulösen jungen Mann hinter dem Tresen. Oder? Könnte sie eventuell? Meint sie eventuell Alexander? Oder den Schweden?

      »In wen?«, erkundige ich mich ganz vorsichtig, während mir der hübsche Mann hinter der Essensausgabe einen Blumenkohlbratling auf den Teller bugsiert und mich angrinst (nicht gerade gierig, aber mit einer gewissen Hungrigkeit in seinem Blick).

      Himmel, der findet mich zweifellos attraktiv. Aber die Essensausgabe ist bestimmt kein geeigneter Ort für einen Flirt. Und ich bin garantiert niemand, mit dem man einfach so drauflos flirten kann. Was ist hier eigentlich los? Ich fühle mich, als wäre ich in die Haut eines anderen Menschen geschlüpft. So viele Leute, die mich nett finden und mit Meusburger ein weiterer Vertreter des männlichen Geschlechts, der mich attraktiv findet. Das wird mir langsam unheimlich.

      »Alex«, sagt Kyala. Ich benötige nur eine Millisekunde, um zu verstehen. Sie ist in Alexander verliebt. Nun, wer konnte ihr das verdenken.

      »Noch einen Blumenkohl?«, schmachtet mich der Mann hinter dem Tresen an.

      »Nein!«, zische ich rüde. Bemerke dann meinen Fehler und lächle gekünstelt, schnappe mir Kyala und gemeinsam gehen wir zu Lus Tisch.

      »Und wie findest du Meusburger?«, fragt mich Lu, die mir Auge in Auge gegenüber sitzt. (Ich erwähne das, weil es bei Kyala und Alex ebenfalls so ist). Ich habe ihr den Platz gelassen und fühle mich verpflichtet, ihr dabei zu helfen, sich an ihn heranzumachen. Oh je, hoffentlich wird das nicht kompliziert.

      Der Schwede sitzt zu meiner Rechten am Kopfende und stopft sich ein Stück blutiges, saftiges Steak in den Mund.

      »Meusburger? Ähm, nun wie soll ich es sagen, er erinnert mich an-«

      »Halt, sagen Sie nichts. Er erinnert Sie an einen verrückten Professor. So wie Dr. Emmett Brown aus Zurück in die Zukunft«, unterbricht mich Alexander.

      Sie? Er hat mich mit Sie angesprochen.

      Oh Gott, ich habe unser Zusammentreffen vor Gate 13 schon unbewusst aus meinem Gehirn verbannt.

      »Sie?«, fragt Lu zwischen zwei Bissen und ihre Mundwinkel kräuseln sich amüsiert, wie ein kleines Schneckenhaus. Ich stecke mir ein Stück Blumenkohlbratling in den Mund, um nicht sprechen zu müssen und denke nach.

      Was wäre, wenn er mein verlockendes Angebot, mich künftig Aeia zu nennen, ablehnen würde. Wahrscheinlich würde ich einfach die gekränkte Leberwurst spielen.

      Es gibt nichts mehr zu kauen, weil ich meinen Blumenkohl hinuntergeschluckt habe.

      »Ich bin Aeia. Mein Name ist Aeia.«

      Ich spreche sehr leise. Kaum wahrnehmbar. Alex versteht mich trotzdem. Er sieht mich an, so als würde er wie durch ein kleines Fenster in mein Inneres schauen. Mit einem Mal flackern seine Augen und aus dem dunklen intensiven Blick wird ein helles wohlwollendes Betrachten.

      »Alex«, räuspert er sich und reicht mir schließlich seine Hand über den Tisch. Ich atme aus, spüre seine Hand, wie sie meine umfasst.

      Ein eiskalter Schauer erfasst meinen Körper, läuft über meinen Rücken meine Wirbelsäule hinab. Ich krümme meine Brust, sacke überwältigt vorne über, keuche, habe das Gefühl, als würde mir jemand von hinten langsam ein Messer zwischen die Rippen schieben. Ich sehe Frauen: tote Frauen, aufgehängt an Fleischerhaken wie Tiere nach der Schlachtung. Mir wird schlecht.

      »Alexander!«, sagt jemand, aber ich höre die Stimme kaum. Der Schwede sieht mich entsetzt an. »Alexander, kommen Sie nach dem Essen unverzüglich in mein Gate«, sagt sie. Es ist eine Frau mit feuerrotem Haar, die direkt hinter mir steht.

      Mein Gehirn ist damit beschäftigt, zu verstehen, was gerade mit mir passiert. Ich höre ihre nächsten Worte, leise verhallen, als würde sie aus weiter Ferne sprechen oder aus einem Kanalisationstunnel.

      »Was hast du?«, fragt mich der Schwede. Ich habe keine Erklärung, fühle mich immer noch wie abgestochen und die Bilder gehen nicht aus meinem Kopf. Es sind nur eine oder zwei Sekunden vergangen, dann schnappt sich Kyala die Hand von Alex.

      Alex lässt mich los, nickt der Rothaarigen hinter mir zu.

      Da erkenne ich, wer die Frau ist, die hinter mir steht. Sie ist es, die Alex aus ihrem Gate geschmissen hat und ihm gedroht hat, seine Kehle aufzuschlitzen.

      Kyala beginnt Alex Hand zu bearbeiten, sich ihm auf außergewöhnliche Weise vorzustellen und mir geht es schlagartig wieder besser. Die rothaarige Frau hat unseren Tisch wieder verlassen, ist so schnell verschwunden, wie sie aufgetaucht war.

      Als ich mich wieder gerade hinsetze, bemerke ich, dass der Schwede meine Hand hält. Hat er etwa mitbekommen, was mit mir los war und allen anderen am Tisch ist nichts aufgefallen? Wie seltsam.

      Lu sieht Kyala und Alex zu. Und als ich Kyala beobachte, wie sie Alex Hand knetet, kann ich schon wieder etwas lächeln. Wie hübsch Kyala ist. Ein bisschen anders gekleidet, die Haare schön gemacht und die Männer würden ihr aus der Hand fressen.

      Ich fühle mich gut und befreit. Keine Spur mehr von Eis auf dem Rücken oder kaltem Stahl zwischen meinen Rippen.

      Der Schwede hält noch immer meine Hand fest. Seine ist weich und warm. Ich starre ihn wie ein erschrockenes Reh an. Mit einer langsamen, fließenden Bewegung lässt er mich los. Es fühlt sich an, als würde ich etwas verlieren. Ich habe Angst, dass die Schreckensbilder zurückkehren, aber das passiert nicht.

      Unbeholfen rutsche ich auf meinem Stuhl hin und her und dann stellt er sich endlich vor. Jarno ist sein Name.

      »Du