POLIZEIT-Bericht. Martin Cordemann

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Название POLIZEIT-Bericht
Автор произведения Martin Cordemann
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738079203



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sehr bizarre Unfälle gehabt, das war jedenfalls die offizielle Ansicht der zuständigen Versicherung. Sie waren bei Nacht in die Bank eingedrungen, bei Tag, bei Vollmond, während einer Invasion der Grool, sogar bei der Taufe des Papst-Sohnes. Niemand hatte es geschafft. Niemand hatte seine Beute aus der Bank herausschaffen können. Sie alle waren verhaftet worden, oder getötet, oder, wie im Fall von O.J. Stark, beides. Es hatte nie…

      Bill stockte. Da war ein Eintrag, nichts offizielles, mehr ein Gerücht. Es sah so aus… man sagte sich… es ging das Gerücht, es habe einen Einbruch in die Bank gegeben, einen erfolgreichen Einbruch. Es war ein Mythos, niemand hatte je Beweise dafür gefunden, vielleicht war es schlicht gelogen. Über die Täter war nichts bekannt oder vielmehr die angeblichen Täter und was sie angeblich erbeutet hatten. Es gab große Zweifel daran, dass diese Geschichte wirklich der Wahrheit entsprach. Offiziell.

      Und doch stahl sich ein Lächeln auf Bills Gesicht. Es gab Hoffnung. Die Hoffnung, dass es doch nicht unmöglich war. Darauf hatte er gehofft. Hätte man ihm gesagt, dass es nie passiert war, niemand jemals erfolgreich gewesen war, es niemand überlebt hatte… er hätte es trotzdem versucht. Und wäre vermutlich daran gescheitert. Und das war noch immer möglich, denn nicht alle Verbrecher, die sich an der BANK versucht hatten, wurden namentlich aufgeführt, nur die Prominenten unter ihnen. Also konnte es gut sein, dass er es versucht hatte und wie so viele gescheitert war. Oder gestorben. Aber auch der Gedanke hätte ihn niemals davon abgehalten, denn er hatte mal in einem Buch gelesen, dass man seine Zukunft selbst bestimmte. Und wenn man seine Zukunft bestimmte, konnte man auch seine Vergangenheit verändern. Jedenfalls glaubte er das. Er lud sich alle verfügbaren Daten über die Bankraube und die Sicherheitssysteme der BANK herunter und holte dann seinen Zeitreiseleiter in dem Restaurant ab, in dem er ihn zurückgelassen hatte. Er kam gerade noch rechtzeitig, denn der bestellte sich gerade seinen zweiten Nachtisch.

      Es würde eine langwierige, lange Aufgabe werden, dass wusste Bill. Aber es störte ihn nicht, denn er hatte Zeit. Alle Zeit des Universums, um genau zu sein. Denn er hatte einen Plan. Einen Plan, der so großartig war, dass er sich wunderte, warum vor ihm noch niemand auf diese Idee gekommen war. Alles, was er brauchte, war jede Menge Zeit – und eine Zeitmaschine. Beides war verfügbar. Die Zeitmaschine konnte er sich ausleihen, aber er würde sie nicht lange brauchen. Und es würde egal sein, wieviele Jahre seines Lebens er in diesen Bankraub investierte, am Ende würde alles zu seinen Gunsten verlaufen, er würde jung und reich sein und sein Leben genießen, wie er es noch nie genossen hatte. Es war egal, wie lange er für die Planung, die Ausarbeitung der Details brauchte, es war egal, ob er ein klappriger alter Mann sein würde, wenn er damit fertig war, denn es stand in seiner Macht, alles zu ändern.

      Bill arbeitete sich langsam in die Materie ein. Das war das schöne an der Zukunft, in der er gewesen war, Banken interessierten dort niemanden mehr, DIE BANK war schon seit Jahrhunderten Geschichte und ihre Sicherheitsmaßnahmen waren nicht mehr geheim. Alles war öffentlich, alles war zugänglich, alles stand ihm zur Verfügung. Schritt für Schritt, Stufe für Stufe arbeitete er sich in das Sicherheitssystem ein, so lange, bis er sich im Schlaf darin zurecht fand. Irgendwann hatte er es dann, die Bank gehörte ihm, er konnte sich frei in ihr bewegen, in seinem Geist und in seinem holographischen Modell, das er sich angefertigt hatte. Er wusste, wo sich was befand und wie er von wo nach wo kam. Das war der Anfang. Die Frage war, ob es da vielleicht noch geheime Sicherheitsmaßnahmen gab, die nirgendwo verzeichnet waren?

      Das war der nächste Schritt. Er setzte sich mit den Versuchen, die BANK auszunehmen, auseinander. Jetzt, wo er die Bank in und auswendig kannte, konnte er im Kopf die Schritte der Räuber nachempfinden. Er sah, wie sie welche Maßnahme ausgeschaltet – und woran sie letztendlich gescheitert waren. Einbruch für Einbruch ging er durch und irgendwann erahnte er schon vorher, an welcher Stelle der entsprechende Verbrecher scheitern würde. Und er hatte immer recht.

      Lachend strich sich Bill über seine faltigen Wangen. Und wurde sich eines Fehlers in seinem Plan bewusst, eines klitzekleinen, nun, nicht unbedingt Fehlers, aber einer Unsauberkeit, die ihm gerade erst in ihrer Bedeutung klargeworden war. All dieses Wissen, das er hatte, die Möglichkeit, sich in der Bank perfekt zurechtzufinden, all dieses Wissen musste er zu gegebener Zeit vermitteln. Denn er selbst in seinem jetzigen Zustand würde den Bankraub nicht durchführen können, soviel stand fest. Vielleicht gab es ja die Möglichkeit, seine Gedanken zu kopieren, seine Erinnerungen an die Bank auf jemand anderen zu übertragen. Ja, das wäre der beste Weg, dachte Bill, das würde vieles vereinfachen. Doch darum würde er sich kümmern, wenn es soweit war. Noch hatte er nicht alle Probleme gelöst.

      Leichtfüßig bewegte er sich durch sein Modell der BANK. Eine Sicherheitsmaßnahme nach der anderen, an der seine Vorgänger gescheitert waren, überwand er und kam so weit, wie noch nie jemand vor ihm gekommen war, jedenfalls nicht in der Wirklichkeit. Ab hier war es nur noch ein kleines Stück, aber er hatte keine Erfahrungswerte, wusste nichts darüber, woran man hier scheitern konnte, weil noch nie jemand bis hierher vorgedrungen war, um hier zu scheitern. Bill kannte die Sicherheitsmechanismen, die sich hier befanden – und nach einer halben Ewigkeit hatte er einen Weg gefunden, auch sie zu überwinden. Dann hatte er es geschafft. Er hatte sein Ziel erreicht, war in das Heiligtum der Bank vorgedrungen… jetzt musste er nur noch ein paar wirklich wertvolle Dinge stehlen und heile wieder herauskommen.

      Das hatte sich inzwischen als der knifflige Teil herausgestellt. Nicht das Herauskommen, dafür hatte er eine Idee. Aber die Sache mit dem Diebesgut. Es gab keine Liste darüber, was genau sich in der Bank befand. Also würde er improvisieren müssen. Und ein bisschen recherchieren, was in der Zeitperiode, die er sich für seinen Bankraub aussuchen würde, als wertvoll galt und was sich möglicherweise im Tresor der BANK finden ließ.

      Noch einmal ging Bill alles durch, einmal, zweimal, zwanzigmal, hundertmal. Am Anfang tat er sich beim Finale noch ein wenig schwer, aber irgendwann hatte er es dann raus. Wenn die Sicherheitsmaßnahmen in der wirklichen Bank so waren, wie in seiner, dann hatte er eine gute Chance. Nun wurde es Zeit, zum nächsten Teil des Plans überzugehen.

      „Was?“ fragte der junge Mann ungläubig und starrte ihn an.

      „Ich bin Bill Smythe“, wiederholte Bill, „Ich bin du… in alt.“

      Der jüngere Bill schien ein paar Probleme damit zu haben, diese Tatsache zu akzeptieren.

      „Hattest du nie das Verlangen, eine Bank auszurauben?“ fragte der alte Mann nun sein jüngeres Ich.

      Das dachte einen Moment darüber nach, dann nickte es.

      „Die größte Bank im Universum!“

      „Die hab ich gefunden“, lächelte Alt-Bill. Irgendwann würde er sich das mit dem Universum und all dem erklären, aber das schien im Moment weniger von Bedeutung zu sein, wichtig war, dass sein jüngeres Ich sein älteres zu erkennen schien. „Und ich habe einen Plan ausgearbeitet, wie wir sie besiegen können.“

      Oder, genau genommen, wie er sie besiegen konnte – nicht er, der alte, sondern er, der junge Bill. Das war von Anfang an sein Plan gewesen: Einen Weg zu finden, den größten Bankraub aller Zeiten zu begehen – und diesen Weg dann seinem jüngeren Ich zu vermitteln. Bill würde den Bankraub durchführen, aber nicht der alte Bill, der junge. Er würde die Bank ausrauben und reich werden und Bill würde ein großartiges Leben führen. Bill tat das für sich – und mit sich. Er hatte sogar einen Weg gefunden, die Erinnerungen, die er in seiner Banksimulation gesammelt hatte, so zu speichern, dass er sie auf sein jüngeres Ich übertragen konnte. Das würde ihm einiges an Erklärungen sparen und der Jung-Bill konnte schon bald genauso sicher durch die Simulation laufen, wie er es tat. Nachdem auch das ausbaldowert war, hatte Bill nur noch eine Zeitmaschine auftreiben müssen und dann konnte es losgehen – verdammt Zeit, wie er fand, denn er hatte viele, viele Jahre seines Lebens in die Ausarbeitung dieses Plans gesteckt und inzwischen war er wirklich zu alt dafür. Aber das hatte er ja schon immer in seine Überlegungen mit einbezogen.

      „Was ist das?“ fragte der junge Bill und deutete auf das Gerät, das der alte Bill nun aus seiner Tasche geholt hatte.

      „Es ist ein Geschenk“, meinte der Alte und lächelte. Es traf nicht ganz zu, gar nicht, um genau zu sein. Andererseits: „Für dich“, fügte er