Название | Auferstanden aus Ruinen |
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Автор произведения | Florian Lettre |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742771698 |
„Haben sie schon eine Examensarbeit?“
„Nein.“
„Wo sind sie zur Schule gegangen?“
„Ich bin in C. zur Grundschule gegangen und in M. zur Oberschule.“
„Das Gymnasium in M. kenne ich. Ich habe vor fünf Jahren einen Vortrag in der Aula gehalten. Das Lehrerkollegium hatte mich eingeladen. Wie war ihre Abiturnote?“
„Sehr gut.“ Der Professor sah ihn anerkennend an.
„Und die Eltern?“
„Mein Vater ist Werkleiter in einem Betrieb in C.“
„Sind sie mit dem Studium hier zufrieden?“
„Ich habe schon viel gelernt.“
„Ich gebe ihnen ein Thema. Dann können sie hier im Institut arbeiten. Ich brauche Studenten, die mir helfen. Die Literatur suchen und aufbereiten. Das wird ihnen bei ihrer Examensarbeit helfen. Sie können hier viel lernen.“
„Vielen Dank“, sagte Florian. Der Professor rief seine Sekretärin aus dem Nebenzimmer. Sie schrieb seinen Namen auf, und wo er wohnte. Florian gehörte jetzt dazu.
Florian ging zur S-Bahn. In seinem Kopf gingen viele Gedanken durcheinander. Er war stolz, diesen Schritt gewagt zu haben. Der Professor schien für Lob sehr zugänglich zu sein. Auch wenn es nur von einem Studenten kam. Florian hatte das nicht erwartet. Wollte der Professor ihn für seine Zwecke anstellen? Wollte er ihn ausnutzen? Was war das für ein Mensch? Hatte er eine Frau? Und Kinder? War er Genosse? Was hielten seine Mitarbeiter von ihm? Was hielten die anderen Professoren von ihm?
Am nächsten Tag war Florian wieder in der Vorlesung. Sie war interessant wie immer. Am Ende der Vorlesung winkte der Professor Florian zu sich. Er gab ihm einen ganzen Stapel von Literatur. Florian sollte das durcharbeiten und Zusammenfassungen über den Inhalt schreiben. Die anderen Studenten sahen ihn erstaunt an. Was hatte das zu bedeuten? Was ging da vor? Hatten sie etwas versäumt? Florian fing am Abend an, die Literatur durchzuarbeiten. Es waren sehr spezielle Artikel aus verschiedenen Zeitschriften. Manche interessierten ihn, manche nicht. Als er fertig war, gab er alles der Sekretärin des Professors. Die war überrascht, dass es so schnell gegangen war. Der Professor hatte schon einen neuen Stapel von Literatur bereitgelegt. Florian nahm sich dieses Mal mehr Zeit. Er war nicht nur für den Professor da. Wenn er die Sachen abgab, die er durchgearbeitet hatte, lag ein neuer Stapel für ihn bereit. Er nahm sich mehr Zeit für einen Stapel. Er musste an sein Studium denken.
Nach mehreren Wochen winkte der Professor ihn wieder zu sich. Sie gingen zusammen in sein Zimmer. Es sah aus wie beim ersten Mal. Der Professor hatte einen Artikel vor sich, den Florian geschrieben hatte. Er unterstrich einen Satz und hielt ihn Florian hin.
„So kann man das nicht schreiben. Verstehen sie?“ Florian wusste nicht, was an dem Satz falsch war.
„Ja“, sagte er. „Ich muss aufmerksamer sein. Es soll nicht wieder vorkommen.“ Der Professor sah ihn anerkennend an. Dann lächelte er.
„Im Übrigen bin ich mit ihrer Arbeit zufrieden. Ich hoffe, sie lernen dabei wissenschaftlich zu arbeiten. Die meisten Studenten wissen nicht, was das ist.“ Er stand auf und gab Florian die Hand.
„Sie wollten mir ein Thema geben für meine Examensarbeit.“ Der Professor war etwas irritiert.
„Wollte ich das? Ja, ich erinnere mich. Meine Sekretärin wird ihnen einen Vorschlag geben. Sie müssen sich dann entscheiden, ob er ihren Vorstellungen entspricht.“
Florian verabschiedete sich. Der Professor hatte vergessen, dass er ihn um ein Thema für seine Examensarbeit gebeten hatte. Er war vergesslicher, als Florian gedacht hatte. Die Stapel mit Artikeln, die Florian durcharbeiten musste, wurden größer.
Es vergingen mehrere Wochen. Schließlich ging Florian zur Sekretärin des Professors. Es lag nichts für ihn bereit. Die Sekretärin wollte den Professor erinnern. Wieder vergingen mehrere Wochen. Florian holte sich einen Zettel mit dem Thema ab. Es passte zu den Forschungen des Professors. Florian ging in die Bibliothek der Universität und suchte sich Literatur dazu heraus. Er begann, sie zu studieren. Er hatte jetzt einen Stapel von Literatur, der immer größer wurde. Er arbeitete sich immer mehr in das Thema hinein. Es nahm ihn immer mehr gefangen. Er hatte immer weniger Zeit für die Stapel des Professors. Dann kam die nächste Prüfung. Er musste sich vorbereiten. Er musste seine Examensarbeit beiseite legen.
8.
Florian traf sich fast jedes Wochenende mit der Krankenschwester in ihrem Zimmer im Schwesternwohnheim. Bis gegen Morgen lagen sie im Bett. Wenn es dämmerte, zog sich Florian an und ging die Straße unter den alten Linden zurück zur S-Bahn. Er war noch müde, aber er fühlte sich wohl. Dieser andere Körper, dieser Mädchenkörper. Oder Frauenkörper. Diese Brüste. Dieses Eindringen und Verschwinden in dem anderen Körper. Er lag über ihr und sah ihre Augen und ihre Stirn und die aschblonden Haare, die sich gelöst hatten. Die Augen waren geschlossen. Manchmal waren Falten auf der Stirn. Manchmal saß sie auf ihm und bot ihm ihre Brüste dar, und er sah sein Glied in ihr verschwinden und wieder erscheinen und so weiter.
Sie sprachen nicht viel. Trotzdem hatte Florian das Gefühl, dass sie zusammen gehören. Auch wenn sie nur nebeneinander saßen. Er wusste nicht, wie es weitergehen würde. Er wusste nicht, ob sie mit ihm zufrieden war. Ob sie mit ihm zusammenleben wollte. Was sie von ihrem Leben erwartete. Sie gab keine richtigen Antworten, wenn er sie fragte. Er wusste nicht, ob sie sich keine Gedanken machte oder ob sie nicht mit ihm darüber sprechen wollte. Ihre Arbeit war ihr wichtig. Sie erzählte von ihrer Arbeit. Wenn sie etwas erzählte.
Einmal fanden sie zueinander. Er hatte ein Foto betrachtet, das auf dem Regal stand. Es zeigte eine Frau und einen Mann. Die Frau mit hellem Kleid, der Mann mit dunklem Anzug und Krawatte.
„Sind das deine Eltern?“
„Ja. Meine Mutter und mein Vater.“
„Wo ist das?“
„Bei uns zu Hause.“
„Wo ist dein zu Hause?“
„In Karl-Marx-Stadt. Kennst du Karl-Marx-Stadt?“
„Nein. Nie da gewesen. Ist es eine schöne Stadt?“
„Es geht. Immerhin bin ich da groß geworden. Zur Schule gegangen.“
„Dein erster Freund?“
„Das auch.“
„Viele Freunde?“
„Ich glaube nicht. Es ist so lange her.“
„Bist du glücklich gewesen?“ Sie sah vor sich hin.
„Bist du glücklich gewesen?“ wiederholte er.
„Ich weiß es nicht. Manchmal war ich glücklich und manchmal unglücklich und manchmal keines von beiden.“
„Leben deine Eltern noch?“
„Mein Vater ist vor drei Jahren gestorben. Meine Mutter lebt. In dem Haus, in dem ich als Kind war.“
„Hast du keine Geschwister?“
„Nein.“
„Einzelkind.“
„Ja. Einzelkind.“
„Liebst du deine Mutter?“
„Manchmal liebe ich sie und manchmal nicht.“
„Dann hasst du sie?“
„Dann hasse ich sie.“
„War sie streng?“
„Mein Vater war streng. Sie hat mir nicht geholfen.“
„Warum erzählst du wenig über früher?“
„Ich denke nicht oft