Mondschein-Serenade. Albert Morava

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Название Mondschein-Serenade
Автор произведения Albert Morava
Жанр Языкознание
Серия Die Flucht
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742799265



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in der Musikbar Viola verabredet, um mit ihm über das geplante Fest der Kubaner zu reden.

      Als Bassgitarrist der Underground Gruppe mit dem schrägen Namen Hells Angels of Prague war Ryba immer wieder auf der Suche nach interessanten Ereignissen, über welche die in Prag als Berichtserstatter ansässigen Reporter der Westpresse in ihren Medien berichten würden..

      Sein Stiefvater - eines der höheren Tiere bei der Geheimpolizei Prags – fand an Jindras Annäherungsversuchen mit dem Westen wenig Gefallen: zwischen Vater und Sohn gab es andauernd Streit. Nur seiner Frau und seiner Schwiegermutter zuliebe hatte der Geheimagent seinen Stiefsohn nicht auf die Straße gesetzt. Die Bassgitarre war ihm ein Dorn im Auge.

      "Dieser Krempel nimmt hier nur Platz weg", schrie er einmal im Streit Jindra an, griff nach der Gitarre und öffnete das Fenster. Die elegante Luxusetage eines ehemaligen Patrizierhauses am rechten Moldauufer lag im dritten Stock. Zornerfüllt machte er Anstalten, die Gitarre aus dem Fenster in die Moldau zu werfen.

      "Tu’ das!" konterte Jindra, griff nach dem neuen Fernsehapparat - einem begehrten Statusobjekt damaliger Zeit - und hob das Gerät hoch. "Und ich lass ihn fallen!"

      Zum Glück schritt die Großmutter ein - elegante alte Dame, die früher bessere Zeiten gesehen hatte - und verhinderte das Schlimmste.

      Jindras Stiefvater besaß auch einen Dienstrevolver. Diesen hatte er im Nachtkasten neben dem Ehebett aufbewahrt, für den Fall, dass einmal "losgehen" würde. Er meinte den dritten Weltkrieg.

      *********

      Die Musikbar "Viola " tat ihrem Namen alle Ehre. Gelegen in der Nationalstrasse, einer der Prachtstrassen der Prager Neustadt neben dem nostalgischen Literatencafe Slavia und in umittelbarer Nachbarschaft des Vereins der tschechoslowakischen Schriftsteller, war sie der ideale Treff von zwei richtigen Männern am richtigen Ort.

      Die dunkelrot angestrichenen Wände sowie die rot gepolsterten Stühle und Plüschsofas suggerierten Sensualität. In einer Ecke stand ein schwarzer Flügel mit beigestelltem Mikrophon: Für den Abend war ein Gastauftritt der bekannten Pariser Chansonsängerin Juliette Greco angesagt.

      Jan war als erster da, setzte sich an einen der kleinen Marmortische unweit des Mikrophons und bestellte Cuba libre mit viel Eis. Er wusste, er wird warten müssen: Jindra kam immer zu spät - das war eine der grundlegenden Eigenschaften eines echten Pragers.

      Die Sängerin war noch nicht zugegen, das Lokal war nahezu leer - mit Ausnahme von einer Handvoll ausgeflippter Musikertypen an der Bar und einigen älteren Damen mit gefärbten Haaren, die im Begriff waren, sich gegenseitig durch ein Gespräch über Paris zu beeindrucken.

      "Paris muss man zu Fuss erobern", sagte eine. Einen Spazierstock als Gehhilfe hatte sie dabei.

      "Wie ich vor dreißig Jahren", sagte eine andere, die ein rotes Stirnband trug.

      "Das waren andere Zeiten."

      "Französisch istct eine schöne Sprache!"

      "Jetzt sind die Kommunisten dran, unsere Republik zu verfressen, mon dieux !"

      "Unsere Republik!"

      Die Sängerin erschien, sie trug ein langes rotes Abendkleid mit gewagtem Ausschnitt, der ihren Busen ahnen ließ und schwarze Seidenhandschuhe. Zeitgleich mit ihr tauchte endlich Jindra Ryba auf, abgehezt und schnaufend wie ein Bär.

      Der französische Pianist am Flügel griff in die schwarzweißen Klaviertasten; die mit Gefühl angeschlagenen Akkorde ließen eine melancholische Mischung von Pariser Nostalgie entstehen, die den Raum füllte.

      Parlez-moi d'amour sang sie und suchte einen geigneten Blickkontakt mit jemanden unter den Zuhörern, wobei ihr Blick Jans Augen streifte.

      Erst später - nach Jahren - erfuhr Jan, dass Juliette Greco zu den Jüngern-und Jüngerinnen von Sartre gehörte, die sich in Paris der siebziger Jahre um ihn scharten.

      ( In Prag waren die französischen Intelektuellen mehr als nur eine vorübergehende

      Trenderscheinung. Frankreich und Italien waren zwei vielsprechende Länder, welche

      die Sowjetunion durchaus aufnahmefähig in den Hammer-und –Sichel - Klub hielt.

      Beide Länder verfügten über starke kommunistische Parteien - und in Prags Zeitungskiosken wurden neben der russischen Prawda auch rote Westzeitungen wie L'Humanité, Il Popolo oder - die englische Arbeiterzeitung The Daily Worker angeboten.)

      Ryba bestellte ein Campari-Orange, passend zur Umgebung, eine dunkelrote Mischung von Blutorangesaft und italienischem Campari.

      "Jetzt bin ich endgültig Pleite", bemerkte er hämisch lächelnd. Er hatte einen breiten, fischähnlichen Mund.

      "Nicht die Rede“, sagte Jan.“ Nicht jeder hat so viel Glück wie du. Wie läuft das Musikgeschäft mit den Hells Angels?"

      "Geschäft? Wir sind hier nicht im Westen, deswegen machen wir keine Geschäfte und nagen am Hungertuch. In London wäre unsere Band längst 'ne Kanone geworden, wie die Stones."

      Jan richtete er seine Augen auf die Französin und versuchte ihren Blickkontakt zu erwidern; sie erinnerte ihn an Tamara.

      "Kein Geschäft?“ sagte er wie nebenbei .“Vielleicht hätte ich etwas für euch. Was spielt ihr noch außer Rock und Twist?"

      Ryba musterte ihn prüfend, fasste mit seiner breiten Bassistenhand sein Glas an und nahm einen kräftigen Schluck.

      "Gut...eigentlich spielen wir fast alles..auf Wunsch“, grinste er. “Was wäre das?"

      "Latin rock aus Südamerika."

      Während Juliette ihren nächsten sentimentalen Spaziergang unter dem Himmel von Paris unternahm, - was die anwesenden älteren Damen in schmachtende Verzückung versetzte -, erzählte Jan ihm über die Idee der Kubaner, in der ehemaligen Fabrik ein kubanisches Weihnachtsfest mit Programm zu veranstalten..

      "Ganz von der Hand zu weisen, ist die Idee nicht", meinte Ryba. "Mal sehen, was der Bandleader dazu sagt. Morgen gebe ich dir Bescheid."

      "Mañana sage ich dir auch mehr zum Programm. Kennst du Manuel?"

      "Ist das der kleine Schwarze?"

      "Ehemaliger Ballettänzer, behauptet er."

      "Klarer Fall! Der ist doch von der anderen Fakultät.."

      "Keine Ahnung. Möglicherweise wird er als Mime auftreten und könnte Musik als Tonkulisse brauchen.“

      Juliette kam beim gefühlvollen Singen ins Schwitzen; Jan konnte deutlich perlierende Schweißtropfen sehen, die von ihrer Stirn herunter zu den Augenbrauen hin kullerten und sanfte Spurrillen in ihrem Make-up hinterließen. Er fand sie begehrenswert.

      "Singen ist Arbeit", meinte Ryba trocken.

      Als sie das Lokal verließen, fielen langsam die ersten Schneeflocken vom Himmel. Plötzlich wurde es kalt und die Flocken schmolzen nicht mehr; Prags Straßenpflaster färbte sich zuckerweiß und wurde rutschig .Als guter Prager nahm Ryba ein Taxi, obwohl er, wie er sagte, gänzlich bankrott war. Mehr Schnee fiel.

      Auf die letzte Straßenbahn, die erst kurz vor Mitternacht kam, musste Jan lange warten.

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