Eine Studentin. Peter Schmidt

Читать онлайн.
Название Eine Studentin
Автор произведения Peter Schmidt
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742710260



Скачать книгу

ein Geheim­nis … mei­ne eigent­li­che Su­che war an­fangs ein Gen-Schal­ter, der Sucht durch über­starke Lust ab­schal­tet. Ich ge­lang­te also eher zu­fäl­lig zur Ent­de­ckung des Aver­sio-Ge­ne­tic-Toggle-Switchs.“

      „Aber die Abschaltung von Sucht­ge­füh­len blieb spä­ter auf der Stre­cke?“, er­kun­digte sich Ca­rolin.

      „Ein solcher Schalter wurde im Ge­hirn bisher nicht ge­fun­den. Viel­leicht be­fin­det sich ja hier im Ar­beits­kreis ein künf­ti­ger No­bel­preis­trä­ger, der uns auch von die­ser Gei­ßel der Mensch­heit be­frei­t? Sig­mund, was hal­ten Sie da­von?“

      Reck nickte hüstelnd und griff nach sei­nem Pfer­de­schwanz. Es wirk­te nicht so, als wenn ihm die Heraus­forde­rung eine Num­mer zu groß er­schien.

      „Es wäre ein wichtiger Fort­schritt“, sagte Hollando.

      „Ich ar­beite daran …“

      „Dabei denken Sie an alle Arten von posi­tiven Ge­füh­len, die uns scha­den, Pro­fes­sor Hol­lan­do?“, er­kun­dig­te sich Ca­ro­lin. „Nicht nur sexu­elle Per­ver­sion, son­dern auch Hab­gier, Mord­lust, Nie­der­tracht, Lust am Bö­sen?“

      „Genau das – und nicht we­ni­ger. Ich be­wun­dere im­mer wieder Ihre Fä­hig­keit, Probleme auf den Punkt zu brin­gen, Fräu­lein Mey­ers.“

      „Danke, immer aufgeschlossen für Kom­pli­men­te. Be­son­ders, wenn sie be­rech­tigt sind …“

      Gelächter in der Runde.

      Ich hätte dir die Flasche Grappa doch lieber an den Kopf wer­fen sol­len, dachte Ca­ro­lin.

      „Aber nun zum eigentlichen Thema unseres heutigen Ar­beits­krei­ses“, sagte Hol­lan­do. Er erhob sich und schal­tete den Pro­jek­tor ein.

      Auf der Videoleinwand er­schien ein Kä­fig, in dem ein Rhe­sus­äff­chen stand, die Arme aus­ge­brei­tet, den Kör­per fixiert.

      Das Me­tall­ge­rippe glänzte blau­violett wie Stahl, der ge­schweißt oder zu­sätz­lich bear­bei­tet wor­den war, wohl, um ihm mehr Stabi­li­tät zu ver­leihen. Der Kä­fig konnte belie­big an­ge­schrägt und in die Senk­rechte oder Waa­ge­rechte ge­bracht wer­den. Das Tier steckte in einem Gewirr aus In­fu­sions­schläu­chen, Ka­thetern und Kabeln, die mit Appa­ra­ten ver­bun­den wa­ren. Aus dem be­wegli­chen Arm über ihm ragte eine Bohr­vor­rich­tung zum Auf­frä­sen von Kno­chen, wie Ca­ro­lin sie aus der Neu­ro­chi­rur­gie kannte.

      In seinen Kopf war eine Me­tall­röhre ein­ope­riert, vermutlich, um bei Un­ter­su­chun­gen des Ge­hirns weitere Schädel­öff­nun­gen zu ver­mei­den.

      Die Augen des kleinen Affen wa­ren ge­weitet vor Angst. Trotzdem wirkte sein Blick trübe und ab­we­send. Wäre es ein ver­äng­stigtes Kind, hätte man ihm trös­tend über den Kopf strei­chen wollen …

      Er hängt dort mit seinen aus­ge­brei­teten Ar­men so hilflos wie Chris­tus am Kreuz, dach­te Ca­rolin ent­setzt.

      In Brusthöhe hing ein schwar­zer Kas­ten mit aus­zieh­ba­rer An­tenne, etwa so groß wie eine Zi­ga­ret­ten­schach­tel. Die Be­schrif­tung auf der Blech­wand lau­tete:

      IMPULSGEBER

      Unter dem Brustbein des Affen be­fand sich ein röh­ren­ar­tiger Drehver­schluss mit Schlauch­ver­bin­dun­gen zu einem Stän­der, an dem mit Flüs­sig­kei­ten ge­füll­te Beu­tel hin­gen.

      Eine Vor­rich­tung, de­ren Zweck Caro­lin zu­nächst nicht ver­stand – bis sie be­griff, dass der Rhe­sus­affe künst­lich er­nährt wurde …

      „Schauen wir uns einmal den Nuc­leus ac­cum­bens im Af­fenge­hirn an“, sagte Hol­lando.

      Er deutete mit dem Zeige­stock auf seine Stirn ober­halb der Brauen, da wo gläu­bige Hin­dus einen ro­ten Punkt tra­gen, das sogenannte ener­geti­sche „dritte Auge“.

      „Wie bei uns Menschen ist dieses nur erb­sen­große Or­gan neben den Man­del­ker­nen ein zen­traler Be­reich der Emo­tio­nen. Die Ver­mu­tung liegt also nahe, dass Ein­griffe sowohl po­si­tive wie ne­ga­tive Ge­fühle be­ein­flus­sen könn­ten.

      Unsere ersten Versuche waren noch recht pri­mi­tiv. Wir inji­zier­ten Dopa­min – im Volks­mund auch Glücks­hor­mon ge­nannt. In­dem ich da­bei die jeweils akti­ven Be­rei­che per Bild­schirm­ana­lyse im­mer ge­nauer iden­tifi­zierte und ein­engte, ent­deckte ich na­he beim Nuc­leus ac­cum­bens dann die Gen-Struk­tur des Toggle-Switchs.

      Tatsächlich lässt sich dieser Schal­ter durch Do­pa­min und Stress­hor­mone be­ein­flussen.

      Doch die Wir­kung ist zu unge­zielt. Wie bei einer ma­nisch-de­pressi­ven Reak­tion ge­ra­ten wir, je nach­dem, ein­mal in Eks­tase mit über­bor­den­den Glücks­gefüh­len oder in tiefste De­pres­sion und Ver­zweif­lung …“

      Hollando schwieg und blickte fra­gend in die Runde, ob ihm alle fol­gen konn­ten.

      „Mein zweiter Versuch bestand darin, den Schal­ter mit­tels so­ge­nann­ter opto­ge­neti­scher Me­thoden zu be­ein­flus­sen, wie sie un­ter an­de­rem von mei­nem ame­ri­kani­schen Kol­le­gen Deisse­roth ent­wickelt wurden.

      Op­to­gentik be­fasst sich mit der Kon­trol­le von Zel­len durch Licht. Ihre Ak­tivität kann mit blauen Laser­blit­zen an­regt und mit gel­bem Licht ge­dros­selt wer­den.

      Blaues Licht führt zu mehr Do­pa­min – also auch po­siti­ven Ge­fühlen – und hö­he­rer Akti­vität im Nuc­leus ac­cum­bens. Gelbes Licht er­zeugt we­ni­ger Do­pa­min.

      Nur reagierte der Gen-Schalter nicht wie er­hofft mit ei­ner Re­du­zie­rung ne­ga­tiver Ge­fühle. Weni­ger Do­pa­min über In­ak­tivie­rung durch gel­be Licht­im­pul­se führte nicht auch zu we­ni­ger Sucht­ver­hal­ten.

      Sie er­in­nern sich? Das war meine ur­sprüngli­che In­ten­tion! Sucht wird durch Lern­vor­gänge in rea­len Be­loh­nungssitu­a­tio­nen so stark ver­fes­tigt, dass schon der bloße Ge­dan­ke an das Sucht auslö­sende Ob­jekt wie­der zu einer Stei­ge­rung von Dopa­min und zwang­haf­ten Moti­vatio­nen führen kann …“

      „Ähnlich, wie bei starken Rau­chern?“, fragte Reck.

      „Ja, der Zwangsmechanismus ist bei jeder Sucht der glei­che. Ob Sex oder Ess­lust, Alko­holis­mus, Dro­gen oder Nei­gung zum Sa­dis­mus.“

      „Sind Versuche an Rhesus­af­fen denn über­haupt ver­gleich­bar mit Er­gebnis­sen im menschli­chen Ge­hirn?“, er­kun­digte sich Ca­rolin.

      „Meine erste menschliche Ver­suchs­per­son war eine chro­nisch Schmerz­kranke, nicht nur körper­lich, son­dern auch see­lisch lei­dend, die sich frei­willig zur Ver­fügung stellte“, sagte Hollando. „Sozu­sagen als letzte Mög­lich­keit, um ohne dau­ernde Schmerz­medi­kamente von ih­rem Lei­denspe­gel her­un­ter­zu­kom­men. Also eigentlich wie ge­schaf­fen für unsere Ex­peri­mente mit dem Gen-Schal­ter. Und das Er­geb­nis war frap­pie­rend …

      Leider genügt es nicht, wenn man die wirksamste Vari­ante fin­den will, nur beste­hende Schmer­zen he­run­terzu­fah­ren. Da­zu ist es er­for­derlich, auch künstlich starke Schmer­zen zu er­zeu­gen, um das genau Maß der Grenz­werte zur die Kon­trolle von Schmer­zen zu ermitteln.“

      „Aber dafür wird sich kaum je­mand frei­wil­lig zur Ver­fü­gung stel­len?“, fragte Caro­lin.

      „Das ist ein Manko unserer For­schung“,