Die sieben Masken des Teufels. Eva Siebenherz

Читать онлайн.
Название Die sieben Masken des Teufels
Автор произведения Eva Siebenherz
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742796578



Скачать книгу

mühsam auf und stellte mich mit dem Gesicht zur Wand. Schwere Schritte von Stiefeln ertönten. Ich konnte nicht ausmachen, wie viele Personen das Karree dieses Hofes betraten. Und dann prasselten Fragen auf mich herab.

      »Warum haben Sie das getan? Warum versuchen Sie Ihre Taten einem Genossen anzuhängen? Woher hatten Sie die Medikamente? Wieso sind Sie in die Kaserne gegangen?

      Wie viel Geld haben Sie dafür bekommen? Oder haben Sie etwas ganz Anderes erhalten? Antworten Sie!« Ich hatte die Fragen gehört, nicht alle, aber einen Teil.

      Und ich begriff weder den Inhalt noch um wen oder was es ging. Stundenlang dieselben Fragen und Schläge. Und mir war kalt, ich zitterte am ganzen Körper und klapperte mit den Zähnen. Irgendwann brachten sie mich in eine Zelle und warfen mir eine Decke zu. Das Licht blieb an, ein flackerndes Licht. Ich schlief sofort ein. Minuten später wurde ich geweckt und in einen Verhörraum gebracht.

      Aber die Situation hatte sich geändert. Jetzt waren zwei Herren im Anzug und zwei männliche Aufseher da. Stasi! Das konnte ich förmlich riechen. Ich bekam eine Tasse Kaffee und Gebäck gereicht.

      Erstaunt sah ich Herrn Schmidt (so hatte er sich höflich vorgestellt) an. Er lächelte mich freundlich an. »Liebe Frau Siebenherz, an was können Sie sich als Letztes erinnern?«

      Ich sah ihn an und überlegte angestrengt, aber mein Hirn versagte in diesem Moment komplett. Es war leer, da war nichts. »Können Sie nicht oder wollen Sie nicht?«.

      »Da ist nichts, ich weiß es nicht mehr«, stotterte ich. Schmidt klopfte auf den Tisch und ein Aufseher trat vor und schlug mir die Faust ins Gesicht.

      Die Wucht des Schlages warf mich vom Stuhl. Ohnmächtig blieb ich liegen. Als ich wieder zu mir kam, hatte ich ein Bild vor Augen, dass ich lange nicht mehr loswerden würde.

      Schmidt. Immer wieder hatte ich dieses Gesicht vor mir. Das Antlitz dieses Mannes war schon ein Widerspruch in sich.

      Ich würde ihn auf Anhieb, wenn ich ihm zum ersten Mal begegnet wäre, als den Richard Gere der DDR bezeichnen. Dieser Mann wusste ganz genau, wie er aussah, wie er wirkte, und wusste genau, wie er sich und sein Auftreten einsetzen musste. Und zwar punktgenau. Markante Gesichtszüge, smartes Auftreten, sinnliche Ausstrahlung, laszive Blicke. Seine edel wirkenden Gesichtszüge waren die perfekte Täuschung zu dem, was er tatsächlich war.

      Ein Blick in die stahlblauen Augen war im ersten Moment prickelnd und faszinierend. Das Kalte und Glasklare spürte man erst beim zweiten oder dritten Blick. Aber auch nur dann, wenn er wollte, dass man einen Vorgeschmack erhaschen sollte. In den ersten Stunden gab er dir das Gefühl dich zu entführen. Du sahst nicht mehr die kahlen, grauen Wände des Verhörraums. Er plauderte zwanglos, ließ seine schönen Augen tief in deine sinken.

      Umschmeichelte mit lasziven frivolen Blicken deine Figur. In diesen Momenten wirkte Fremdes irgendwann und irgendwie vertraut, zugleich rückte Vertrautes weit weg. Und irgendwann verkehrte sich dein ganzes Leben ins Gegenteil.

      Was war jetzt fremd und was war vertraut? Diesem Mann trautest du nichts Böses zu, du vergaßest zeitweise, dass er dein Vernehmer war.

      Leise Töne, ausladende Gesten. Baute eine Bindung zu dir auf. Er suggerierte dir Vertrautheit.

      Du solltest vergessen, dass er der Jäger und du die Gejagte bist. Er vermittelte dir, alle Zeit der Welt zu haben.

      Aber das war ein Irrtum, denn der Mann war alles andere als geduldig. Erreichte Schmidt in seiner eigenen Vorgabe nicht sein selbst gestecktes Ziel, änderte er abrupt die Rahmenhandlung.

      Nur die Zuschauer und der Täter blieben dieselben. Schmidt verließ den Raum und ließ dich mit der Gewissheit zurück, ihm alles gesagt zu haben, was er wissen wollte. Ich lehnte mich zurück, atmete tief durch und entspannte mich ein wenig.

      Plötzlich wurde ich hochgehoben und auf einen Stuhl

      gesetzt. Grelles Licht wurde mir ins Gesicht geblendet, sehr nah. Heiß. Ich sah nur dieses gleißende Licht, sonst nichts. Nach ein paar Minuten konnte ich weit entfernt einen dunklen Punkt ausmachen. Er kam näher, wurde größer und größer und nahm die Züge einer unglaublich hässlichen Fratze mit abgrundtief bösen Augen und einem riesigen Maul an. Mich ergriff Panik und ich sprang vom Stuhl auf. Das heißt, ich versuchte es.

      Zwei Hände, hart wie Stahlzangen, bohrten sich in meine Schultern und zwangen mich, sitzen zu bleiben. Die Fratze sah aus wie der Teufel höchstpersönlich und er kam näher. Plötzlich teilte sich die Gestalt oberhalb der Gürtellinie: ein Teufel mit zwei Köpfen. Einer links hinter dem Licht, einer rechts. Die linke Gestalt fing an zu sprechen mit der sanften Stimme von Hr. Schmidt.

      »Sie haben bei der Polizei zu Protokoll gegeben, dass Markus Müller sie auf das Gröbste misshandelt habe, stimmt das?«. Ich versuchte mich an Markus und an die Geschehnisse zu erinnern, aber da war nichts. Ich blieb die Antwort schuldig.

      Völlig unerwartet trat die rechte Gestalt vor und schlug mir wieder mit der Faust ins Gesicht.

      Für den Bruchteil einer Sekunde meinte ich das Gesicht von Klaus Kinski zu erkennen, und dann war alles weg. Rote, wallende Nebelschwaden glitten über mich hinweg, darin waren viele Finger, die wie Nadeln auf meinen Körper einstachen.

      Stöhnend versuchte ich ihnen zu entkommen, indem ich mich zur Seite rollte und öffnete die Augen. Nein, ich öffnete mein linkes Auge. Mehr ging nicht. Essen würde ich auch nicht mehr können. Jemand hatte mir den Kiefer gebrochen, damit hatten sich vorerst auch die Verhöre erledigt, glaubte ich. Doch ich wurde wieder geholt und in einen Keller gebracht. Dort musste ich mich ausziehen und nackt an den Tisch zu Hr. Schmidt setzen.

      Warum nackt? Nackt und ein paar uniformierte Männer Drumherum? Größer kann die Demütigung eines Menschen fast nicht sein. Frauen, die bei solch einem Verhör ihre

      Periode hatten, durften nicht einmal ihren Schlüpfer anbehalten. Nicht nur, dass sie das auch noch saubermachen mussten.

      Nein, sie wurden für die »Sauerei«, die sie da anrichteten, auch noch bestraft. Wieder Schmidt. Es war derselbe attraktive Mann, nur hatte er diesmal die hypnotisierende Wirkung einer Uniform gewählt.

      Er legte mir Papier und Bleistift hin.

      »Wenn Sie nicht reden wollen, dann schreiben Sie. Ich kann Ihnen nur raten, es auch tatsächlich zu tun.«.

      Aber was sollte ich schreiben? Ich erinnerte mich an nichts. Und das habe ich aufgeschrieben. Der Aufseher zerrte mich vom Stuhl, fesselte meine Hände und führte mich in eine Ecke. Dort stand ein großer glühender Kanonenofen. Er machte die Kette an meinen Händen an einem Haken über meinem Kopf fest. Schreien konnte ich nicht. Ich fing an wie ein wildes Tier zu jaulen. Der Aufseher machte meine Füße ebenfalls mit einer Kette an einem Haken im Boden fest. Und dann fing er an seinen Stiefel in mein Kreuz zu stemmen. Erst wenig, dann immer mehr. Und je stärker er stemmte, desto näher kam mein Körper an den glühenden Ofen heran. Es wurde immer heißer. Immer näher.

      In diesem Moment half mir mein Körper und ich verlor das Bewusstsein. Als ich wieder einigermaßen bei mir war, wurde ich wieder an den Tisch gesetzt.

      Diesmal stand hinter diesem Schmidt Markus und grinste mich schmierig an.

      Mir wurde ein Text diktiert, der Markus aller meiner Beschuldigungen enthob und in dem ich mich selbst als Lügnerin deklarierte. Damit hatte ich mein eigenes Urteil unterschrieben. Ich erwachte in einer Zelle ohne Licht. Einzelhaft. Tage. Wochen.

      Wie lange? Keine Ahnung. Schemenhafte Umrisse erschienen und gingen wieder, wenn der Scheinwerfer über das winzige Zellenloch an der Wand glitt.

      Die eiskalte Luft, die du einatmetest, war eine transparente Wolke beim Ausatmen. Man war versucht, danach zu greifen, weil man sonst nichts hatte.

      Doch ich tat es nicht, weil diese schwebende Form für Sekunden das einzig Schöne in dieser hässlich kalten Umgebung war. Ohne Kommunikation, ohne Ansprache, nur durch befehlende Gestik massiv fremd gesteuert