Trojanische Pferde. Peter Schmidt

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Название Trojanische Pferde
Автор произведения Peter Schmidt
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847657736



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Bordelle von Frankfurt oder Hamburg. Oder man bringt sie dazu, durch billige Peepshows zu tingeln. Sie werden eingeschüchtert und in Abhängigkeit wegen der Unterstützung ihrer notleidenden Familien gehalten. Sie sind hochverschuldet, und wenn das alles als Druckmittel noch nicht ausreicht, findet sich immer ein wohlmeinender Schläger, der ihnen Manieren beibringt.”

      “Die Sache scheint Ihnen ja mächtig an die Nieren zu gehen?”, erkundigte ich mich. “Was rechnen Sie sich denn dabei aus? Dass Mutter Theresa Ihnen demnächst ein Zertifikat über Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe ausstellt? Von denen, die solche Mädchen ausnutzen, gibt's Tausende, und wenn wir einen von ihnen verjagen, machen wir bloß seinem Nachfolger Platz.”

      “Das lassen Sie mal unsere Sorge sein.” Er zog einen Umschlag aus der Innentasche seines Mantels, schob ihn mit den Fingerspitzen auseinander und ließ mich den Inhalt sehen. “Was halten Sie denn davon?”

      Es waren so nagelneue Zweihundertmarkscheine, dass man ihre Farbe riechen konnte – schwer zu sagen, ob sie aus dem Farbkopierer oder von der Bundesbank stammten.

      “Das reicht gerade mal für die Anzahlung.”

      “Na, na, halblang bitte. Dies hier ist ein hübsches Sümmchen. Soviel haben Sie im ganzen letzten Monat nicht auf einem Haufen gesehen, höchstens im Traum.” Er zog drei Scheine heraus und ließ sie zwischen meine Beine auf die Tischplatte flattern. “Hier sind sechshundert Anzahlung. Die behalten Sie, auch wenn Sie nach unserer harmlosen kleinen Besichtigungsfahrt das Handtuch werfen.”

      Ich sah mir die Scheine an – sie schienen echt zu sein –, schob sie mit dem Unterarm in die Schreibtischschublade und goss mir aus der Kanne neben meinem rechten Knie etwas kalt gewordenen Kaffee ein.

      “Eines will ich Ihnen gleich sagen: Ich arbeite nicht für anonyme Auftraggeber. Ich will Namen hören – überprüfbare Namen und Adressen.”

      “Kein Problem.” Der Weißhaarige reichte mir seine Visitenkarte. Everding & Kranz – Anwälte. “Ich bin Kranz, das ist mein Kompagnon Everding.”

      “Also gut”, meinte ich an Everding gewandt. “Dann sagen Sie mir mal, wie Sie ausgerechnet an mich geraten sind. Dieser sogenannte Kassierer vom Athene ist mir nur ganz zufällig vor die Wagentür gelaufen.”

      “Ausgerechnet in dem Moment, als sein Nasenbein in der richtigen Position war?”

      “Er hat sich vorgebeugt, um an meinem Wagen herumzufummeln. Was weiß ich? Vielleicht war er ja gerade dabei, meine Reifen durchzustechen?”

      “Und den zweiten Mann, den man Ihnen auf den Hals gehetzt hat, haben Sie kurzerhand in die geschlossene Abteilung des nächsten Hospitals einliefern lassen?”

      “Weil er eine etwas zu lockere Hand bei den Nullen auf meiner Rechnung hatte. So was fällt bei den Seelenklempnern nun mal unter die Rubrik ‘krankhafte Phantasie’. Das sind keine Kassierer, sondern Burschen, die von den Restaurantbesitzern Schutzgelder erpressen. Diesmal hatte unser lieber Amaxos vom Athene endlich mal ‘nen Grund, sich tatsächlich von ihnen beschützen zu lassen.”

      “Was ist mit dem Blutgerinnsel an seinem Hinterkopf?”

      “Nur der Türrahmen meines Wagens.”

      “Und vor den ist er genauso zufällig geknallt wie der andere mit dem Nasenbein gegen Ihre Wagentür?”

      “Ich mag früher mal ein Draufgänger gewesen sein, aber im Alter stellt man sich schnell die Frage, ob das Faustrecht zur Regelung unserer Angelegenheiten wirklich die angemessenste Methode ist. Wenn Sie einen Auftrag für mich haben, der etwas mehr Kopf als Muskeln verlangt, werden wir uns vielleicht handelseinig. Alles andere würde mir unweigerlich das Gefühl verschaffen, ich hätt's lieber mit einem Job als Sparringspartner versuchen sollen.”

      2

      Während der Fahrt zum Klub fragte ich Everding, für wen sie arbeiteten. Er sah mich so überrascht an, als sei der Gedanke, er könne außer für sich selbst noch für jemand anders arbeiten, völlig neu für ihn.

      Das Haus war ein alleinstehender, windschiefer Kasten aus dunklem Backstein, an dessen Holzläden sich ein Liebhaber süddeutscher Bauernmalerei mit etwas zu grobem Pinsel und zuviel roter Lackfarbe versucht hatte.

      An der einen Seite hing eine rostige Feuerleiter, deren zernagte Bolzen aussahen, als würden sie beim Husten des nächsten Passanten herausfallen.

      Vier der Eisenstufen fehlten, aber dafür gab es am Ende der Leiter eine solide, neu eingesetzte Tür aus ungestrichenem Eisenblech.

      Das Etablissement nannte sich Thailändischer Freundschaftsverein – GÄSTE HERZLICH WILLKOMMEN! – und war so was wie ein Zwitter aus Nachtbar und buddhistischer Begegnungsstätte, in dem thailändische Mädchen einzelnen unerträglich einsamen Herren Gesellschaft leisteten.

      Wir hielten auf dem Parkplatz in der Deckung einer freistehenden Plakatwand.

      Über uns jagte eine Herde Marlborogäule durch den Nebel. Sie kamen niemals an. Aber vielleicht fand ich das ja nur deswegen so bemerkenswert, weil Unzufriedenheit inzwischen zu unserem zweiten Naturell geworden ist.

      “Also gut”, sagte Kranz. “Sie haben schließlich ein Recht darauf, zu erfahren, für wen wir arbeiten, Winger. Hat er doch, oder?”, erkundigte er sich an Everding gewandt.

      Everding nickte und betastete nachdenklich die Schwären in seinem Nacken.

      “Wir arbeiten im Auftrage einer Vereinigung gegen den fortschreitenden Verfall der Sitten in der Stadt”, sagte er, immer noch nicht viel lauter. “Leider gibt es keine rechtliche Handhabe, die Arbeit des Klubs zu unterbinden.”

      “So was existiert hier? Ich meine, seit wann machen Vereine denn in Moral?”

      “Was glauben Sie, was es hier in der Region alles gibt. Dieser Moloch von Städten, die an allen Ecken zusammenwachsen, ist mittlerweile genauso in der Hand der Ost-Mafia wie unsere ehrenwerte Hauptstadt. Da bleibt nur noch die Selbsthilfe des mündigen Bürgers.”

      “Selbstjustiz, wollen Sie sagen?”

      “Gewalt ist nicht unsere Sache, Winger. Wir wollen keine Prügel und teilen selber keine aus.”

      “Aber Sie haben doch irgendein faules Ding ausgebrütet, um den Burschen das Handwerk zu legen?”

      “Na, sagen wir mal, wir haben einen Weg gefunden, der zwar nicht illegal ist, aber auch nicht ganz koscher.”

      “Sie müssen wissen, dass in dem Laden zwischen ‘Klubmädchen’ und ‘Ware’ unterschieden wird. Klubmädchen sind gewöhnliche Bardamen aus Thailand, Ware jene Mädchen, die unter der Hand zum Kauf angeboten werden”, erklärte Kranz.

      “Und was ist meine Aufgabe dabei? Wofür brauchen Sie meine Hilfe?”

      “Wir sind zu bekannt in dieser Stadt, wir sind Anwälte, Winger. Man würde sofort Verdacht schöpfen.”

      “Wir schlagen Ihnen vor, regelmäßiger Besucher des Klubs zu werden”, sagte Everding. “Auf unsere Kosten. Das ist doch auch schon was, oder? Neben Ihren Spesen, meine ich? Der Laden ist recht gut bestückt, was den Spirituosenschrank anbelangt. Und mit Ihren Spesengeldern können Sie dann der Brünetten im Souffleurkasten ein paar schöne Stunden machen.”

      “Sie kennen Silvia?”

      “Silvia ist ein nettes Mädchen, aber den Leuten vom Theater brennen zu leicht die Sicherungen durch. Die sind nichts für Leute von Ihrem Kaliber, Ralf. Das wäre, als würde man Feuer ins Öl schütten.”

      “Na, herzlichen Dank für die Charakteranalyse.”

      Everding machte eine ungeduldige Handbewegung. “Ihre Privatangelegenheiten interessieren uns nicht. Versuchen Sie das Vertrauen der Geschäftsleitung zu gewinnen. Und nach einiger Zeit fangen Sie an, sich für eine der Damen zu interessieren.

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