Название | Wasser, Fische und Agenten |
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Автор произведения | Claus Beese |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738018578 |
Prompt kam sie auch wieder zu sich, als wir am frühen Abend bei Rendsburg in die Obereider einbogen. Die besten Liegeplätze sollte es ganz am Ende der Nebenwasserstraße geben und langsam tasteten wir uns das Flüsschen hinauf, welches sich völlig überraschend zu einem ziemlich großen See erweiterte. An seinem Ende liegt der Rendsburger Hafen und die Steganlage des Rudervereines Rendsburg.
Sehr zögerlich manövrierte ich unsere DODI an die Anlage heran und mit großen Augen betrachteten wir erst einmal aus der Ferne das Treiben auf den Stegen. Sofort fiel uns auf, wie merkwürdig hier angelegt wurde. Man fuhr zwischen zwei im Wasser stehenden Pfeilern hindurch, belegte achtern die Leinen auf den Dalben, um dann mit dem Bug bis an den Steg zu fahren. Dort wurde dann das Vorschiff festgemacht und als allerletztes die Achterleinen stramm gezogen und belegt.
»Boh, ey! Was stehen die Dalben weit auseinander!«, flüsterte mein holdes Eheweib erschüttert.
Wir fuhren langsam am Steg vorbei und sahen weiter hinten kleinere Boxen. Gerade wollte ich meine bessere Hälfte darauf aufmerksam machen, als wir recht zügig von einem Kajütboot unserer Größe geschnitten wurden. Der Skipper hatte eine freie Box entdeckt, flitzte zwischen die Dalben, warf geschickt wie ein Cowboy ganz lässig seine Lassos über die Pfähle und war im nächsten Moment am Steg fest. Das Zweite, was uns an Rendsburg auffiel, war ein erschütterndes Ereignis von der Tragweite einer Naturkatastrophe. Auf der Steganlage erhob sich ein Gebrüll, als wollten alle Skipper gleichzeitig übereinander herfallen. Wir versuchten die Quelle des Tumultes zu orten und sahen – nichts! Dann stürmte ein Männlein über den Steg, das unentwegt vor sich hin brüllte.
»SEEADLER, nimm deine Drahtesel vom Steg, sonst mach‘ ich Seepferdchen draus! MARIANNE, du sollst nicht drängeln, du kriegst gleich deinen Strom! Und du, Kaaskopp! Wenn deine Tölen hier auf den Steg kacken, versenk‘ ich deinen Käsetransporter eigenhändig!«
Das Männlein war jetzt vor der Box mit dem gerade angekommenen Kajütboot stehen geblieben und baute sich in voller Größe vor dem Skipper auf, der gerade einen Fuß anhob, um sein Schiff zu verlassen.
»Und du!«, brüllte er den Skipper an, dass diesem die Haare auf Sturm standen. »Du schaffst sofort deine Streichholzschachtel aus der Box, die ist nämlich für Schiffe, nicht für Badewannen. Such dir da hinten ‘ne kleinere!«
Er deutete in die Richtung, in der auch wir einen Liegeplatz für uns vermutet hatten. Fluchend fuhr der Skipper sein Boot aus der Box und nahm Kurs auf die kleinere Anlage. Das mächtige Männlein winkte uns zu.
»Los, DODI! Trab an hier! Ich hab‘ nicht ewig Zeit! Oder wollt ihr da draußen auf Reede gehen? Meine Güte, Skipper, das kann doch nicht so schwer sein. Los, husch, durch die Pfähle, Tampen drüber und ran hier! Werner fängt euch schon auf!«
Das tat er wirklich. Kurz bevor wir gegen den Steg bumsten, lehnte er sich mit seiner schmächtigen Gestalt gegen den Bugkorb und drückte uns zurück.
»Wäre mächtig nett, wenn du mal den Gang rausnehmen könntest!«, presste er zwischen zusammengekniffenen Lippen hervor und ich tat ihm den Gefallen. Er übernahm die Leinen und, zack, war DODI fest. Er begrüßte uns mit Handschlag, als wären wir alte Bekannte.
Bevor ich etwas sagen konnte, grinste er mich an und senkte etwas die Stimme.
»Hab‘ ich schon gesehen, dass es eure erste Tour ist. Wünschte mir, alle würden so vorsichtig fahren wie ihr. Aber solche Idioten, wie den eben, kann ich nich und kann ich nich ab! Am Liebsten hätt‘ ich ihn zur Getreideanlage geschickt. Soll er sich doch neben den staubigen Frachter legen, der Döskopp! So, nun sach mal Frauchen Bescheid, dass sie mit ihrem Stromkabel in die Gänge kommt, Werner hat noch ‘ne Dose frei für euch! Kommst denn nachher auf’n Bier vorbei zum Einklarier‘n, nich‘? Aber dusch vorher, du riechst wie ’n Iltis! Hier hast ‘ne Dusch-Marke, na gut, zwei!«
Er griff sich den Stecker des Landkabels, flitzte davon und nach genau drei Sekunden hatten wir Strom. Ein Mann wie ein Erdbeben. Aber er hatte seinen Laden in Schuss, das musste man ihm lassen. Bis in den späten Abend kamen noch Boote aus allen Ländern Europas an und Werner schickte keinen Skipper weg, obwohl es langsam eng wurde an seinen Stegen. Es wurde geschoben, gequetscht und gestapelt und alle fanden ein Plätzchen. Das Schöne war, jeder Skipper wusste zu jedem Zeitpunkt, wo sich der Hafenmeister aufhielt, denn Werner war einfach nicht zu überhören. Seine Flüche und die gebrüllten Anweisungen waren im ganzen Hafen deutlich vernehmbar.
Das dritte, was uns allerdings erst am nächsten Vormittag auffiel, war, dass man in Rendsburg wunderbar einkaufen konnte. Wir erreichten das Stadtzentrum nach kurzem Fußmarsch und waren begeistert von der liebevoll gestalteten Fußgängerzone mit ihren Gassen und Winkeln, den vielen kleinen Geschäften, in denen man herrlich stöbern konnte. Auch für das leibliche Wohl war hier ausreichend gesorgt. Egal, was man brauchte oder suchte, es gab hier alles.
Mittags warfen wir die Leinen los und ich manövrierte unsere DODI vorsichtig rückwärts aus der Box. Schnell noch an den Tanksteg, denn wer wusste schon, wo es wieder so bequem Sprit zu fassen gab. Die nächste Bunkermöglichkeit sollte in Kiel-Holtenau ein Tankschiff sein, das irgendwo im Vorhafen der Schleuse stationiert war. Wenn man Pech hatte, war es aber nicht da, sondern versorgte gerade einen Kümo oder sonst wen mit dem nötigen Diesel. Also: die Gelegenheit nutzen!
Kurz nach unserer Abreise passierten wir die Autobahnbrücke der A 7.
»Schau mal, Claudi. Sonst haben wir auf dem Weg nach Dänemark von da oben immer runtergeguckt und den Kanal gesehen. Jetzt fahren wir auf dem Kanal und gucken mal nach oben!«
»Mann, is‘ das hoooooch!«, murmelte unser Ableger beeindruckt und legte den Kopf weit in den Nacken, um das imposante Bauwerk zu bestaunen.
Zweieinhalb Stunden bis nach Holtenau. Die Sonne schien, der Himmel war blau und wolkenlos, die Gegend sehr reizvoll. Mit jedem Kilometer, den wir weiter fuhren, wurde das Wasser im Kanal blauer und sauberer. Wir hatten das Brackwasser der Nordsee nun endgültig hinter uns gelassen.
In der alten Schleuse in Holtenau hieß es erst einmal zahlen. Ich amüsierte mich köstlich, als ich mitbekam, wie hier gefeilscht wurde. Je größer die Yacht, umso höher das Kanalgeld. Alles in allem keine sonderlich hohen Beträge, einmal Eis essen mit der ganzen Familie kostete in etwa das Gleiche, aber egal: Hier versuchte jeder Skipper ab zehn Metern Schiffslänge sein Boot kürzer zu machen, als es war. Die Schleusenmeister blieben jedoch unerbittlich.
»Bootsname?«
»WINDSBRAUT!«
»Länge?«
»Neunfünfundachtzig!«
Der Schleusenmeister warf einen kurzen Blick von der Plattform seines Turmes herab in die Schleusenkammer.
»Zwölffünfunddreißig!«, korrigierte er mit vorwurfsvollem Unterton und schaute den Eigner strafend an. »Mal ehrlich, haben Sie das nötig?«
Der Ertappte errötete in der Regel ein wenig und zahlte dann leise murrend den angezeigten Betrag.
»Möchte mal wissen, woran die das so schnell erkennen können«, brummelte einer der ertappten Skipper, mit dem ich zusammen durch das enge Treppenhaus wieder nach unten ging.
»Die wissen doch auf den Zentimeter genau, wie lang die Schlengel in der Schleuse sind«, gab ich grinsend zurück. »Und von oben kann man hervorragend Boote und Schlengel miteinander vergleichen. Sie hatten keine Chance.«
»Oh, verdammt!«, war alles, was dem verhinderten Teppichhändler dazu noch einfiel.
Es ging einen knappen halben Meter abwärts, dann öffneten sich die schwarzen Tore und ich holte tief Luft. Welch ein Anblick!
Vor uns lag im gleißenden Sonnenlicht die Kieler Förde. Blau und hellgrün das Wasser, gelb die Strände, dunkelgrün die Wälder an den Hängen der Ufer. Und auf dem Wasser schneeweiße Segel. Meine Güte, und wir gleich mittendrin.
»DODI! Bitte räumen Sie die Schleusenkammer!«,