Ein Hauch Zufriedenheit. Heidi Dahlsen

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Название Ein Hauch Zufriedenheit
Автор произведения Heidi Dahlsen
Жанр Языкознание
Серия Alles wird gut ...
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742747631



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der gute alte Duden herhalten. Zum Beispiel kann ich mich nur schwer damit anfreunden, dass wohl fühlen auseinander geschrieben wird. Das ist, als würde man miteinander kuscheln, ohne sich zu berühren. Wie soll man sich denn da beim Kuscheln wohl fühlen. Und Kommas kann man zurzeit sowieso setzen, wie einem gerade zumute ist … na ja, irgendwie“, lacht Lydia. „Jedenfalls werde ich dich nicht verklagen. Ich weiß, wie das ist, wenn behauptet wird, man wäre zu blöd zum Korrekturlesen.“

      Olli wird stutzig und fragt: „Verklagt dich jemand, weil zu viele Fehler in deinen Büchern sind?“

      „Nein. Ich musste nur an den Anfang meiner Karriere denken, als meine Bücher noch nicht bekannt waren und ich zusätzlich bei einem Verlag gejobbt habe.“

      „Davon hast du mir noch nie was erzählt“, sagt Christine.

      Lydia winkt ab. „So interessant ist die Geschichte nicht.“

      „Es wird Zeit, dass du darüber berichtest“, fordert Olli sie auf.

      „Na gut … Also dort arbeitete auch ein Lektor, dem niemand etwas recht machen konnte, außer man lobte ihn überschwänglich. Er wollte beim Chef durchsetzen, dass ich entlassen werde. Seine Begründung lautete: `Lydia findet kaum Fehler.´

      Mit einer Kollegin war ich gemeinsam für das Korrekturlesen verantwortlich. Sie fing meistens vorn an zu lesen, und ich nahm mir eben zuerst den hinteren Teil vor.

      Sie schlug vor, dass sie alle Fehler mit einem roten Stift markiert. Ich sollte einen grünen nehmen, damit die Autoren gleich wissen, an wen sie sich bei Rückfragen wenden können. Gesagt – getan. Als jeder mit seinem Teil fertig war, tauschten wir und lasen sozusagen das zweite Mal über den Text. Das macht sich gut, weil man doch schnell etwas übersieht. Jedenfalls waren auf sämtlichen Seiten rote und grüne Anmerkungen.

      Besagter Lektor rümpfte die Nase, als er das sah und lief sofort zum Chef, weil er der Meinung war, dass meine Kollegin immer nach mir noch viele Fehler fand. Wir konnten aber den Chef aufklären. Er sah zum Glück alles etwas lockerer. Ihm kam es darauf an, dass alles, was den Verlag verlässt, weitestgehend fehlerfrei ist. Und das war es auch. Hätte ein Dritter nach uns gelesen, hätte der sicher auch noch einzelne Fehler gefunden. Da aber nie Klagen kamen, war das unserem Chef egal.“

      „Solche Leute kann ich leiden“, sagt Olli. „Behauptungen aufstellen, ohne die Hintergründe zu kennen und dann noch petzen. Diesem Lektor hätte ich ein Schild mit der Aufschrift: `Achtung! Vor Inbetriebnahme des Mundwerks – Gehirn einschalten!´ über dem Schreibtisch angebracht.“

      „Das hätte nichts geholfen“, sagt Lydia. „Der war dermaßen von sich überzeugt. Um solche Menschen kann man nur einen Bogen machen.“

      Christine blättert in dem umfangreichen Manuskript und ist verwundert. „Wieso bist du eigentlich so schnell fertig geworden?“

      „Ich hatte dir doch erzählt, dass Elke mir Notizen über ihr Leben schicken wollte“, antwortet Lydia. „Na gut, dachte ich, erst mal abwarten. Sie hat mich jedoch positiv überrascht. Alles zusammen war das schon ein ziemlich fertiger Entwurf, den sie bereits selbst mehreren Verlagen angeboten hatte. Es wird aber immer schwerer, jemanden zu finden, der sich die ersten Versuche eines unbekannten Autors überhaupt anschaut. Einige Verlage haben ihr umgehend abgeschrieben, einem sollte sie erst einmal eine Unsumme überweisen, und einer hat nur sein Bedauern zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht berühmt ist, denn dann wäre eine Veröffentlichung gar kein Problem. Davon kann ich nun profitieren. Meine Lektorin ist ziemlich begeistert und somit zufrieden mit mir. Während meiner Schreibblockade im Herbst hatte sie sich Sorgen gemacht.“

      „Na, wir uns erst“, sagt Christine.

      „Oholli, kommst du mal hoch“, ruft Daniel. „Bertram steckt schon wieder etwas in der Nase fest.“

      Sie hören Bertram schreien. Olli springt auf und läuft nach oben. Lydia sieht erschrocken zu Christine und wundert sich, dass sie einfach ruhig sitzen bleibt.

      „Wir haben einen Notfallplan“, erklärt Christine ihr. „Olli kümmert sich um die kleinen Katastrophen, und ich mache den Rest. Manchmal müssen wir mehrmals am Tag seine Nase beräumen. Es hilft auch nicht, dass Olli ihm gedroht hat, dass beim nächsten Mal ein Arzt mit einer großen Zange kommen muss. Man hört ja öfter, dass kleine Kinder sich irgendetwas in die Nase oder Ohren schieben. Olli sagt, was reinpasst, wird schon wieder herauskommen. Nun erzähl mir aber erst mal, was du Weihnachten machst. Feierst du wieder mit uns?“

      „Ich fahre am ersten Feiertag zu meinem Bruder“, antwortet Lydia, „denn das Spektakel am Heiligabend auf dem Reiterhof will ich mir nicht entgehen lassen. Wer kann schon Weihnachten in einer alten Scheune verbringen? Tilly schwärmt seit Wochen von nichts anderem. Jutta hat mir erzählt, dass Jenny sogar mal nichts zu meckern hat, und das will was heißen. Ich bin aufgeregt wie ein Kind … na ja, fast. Aber ich konnte mich schon seit Jahren nicht mehr so auf den Heiligabend freuen.“

      „Weihnachten macht doch erst Spaß, wenn viele Kinder dabei sind“, sagt Christine. „Die Mädchen sind sehr begeistert von dem Theaterstück, das du für sie geschrieben hast. Um alles real wirken zu lassen, wollten sie ein echtes Baby für die Krippe. Sie gingen davon aus, dass das für Bertram ein Spaß wäre. Er soll sich jedoch mit Händen und Füßen gewehrt haben, als sie ihn zur Probe reinlegen wollten. Und Richard hat sofort den Kopf geschüttelt, als Tilly ihn nur fragend angeschaut hat. Meine uralte Babypuppe muss nun als Jesuskind herhalten.“

      „Und es besteht wirklich gar keine Möglichkeit, sich die Scheune schon mal anzusehen?“, fragt Lydia.

      „Es ist große Heimlichkeit angesagt“, sagt Christine. „Die Mädchen haben alles genau geplant und vorbereitet, vom zeitlichen Ablauf bis zum Baum schmücken. Onkel Heinrich wurde gebeten, die riesige Tanne aufzustellen, und den Kamin soll er vorbereiten. Ansonsten liegt eine Glocke des Schweigens über der Scheune. Selbst die Tür zu meiner Werkstatt wurde verschlossen, damit ich nicht zufällig in die Vorbereitungen platze. Habe ich dir schon erzählt, dass Angela mit ihren Töchtern Annika und Katrin vorübergehend bei meiner Mutti auf dem Reiterhof wohnt?“

      „Nein.“

      „Die leben doch in einem ziemlich baufälligen Haus, und vor zwei Wochen ist auch noch die Heizung ausgefallen. Sie sind meiner Mutti sehr dankbar, dass sie ihnen eine Ferienwohnung überlässt, und helfen mit, wo sie nur können.“

      „Das kann ich mir vorstellen. Hat der Prozess gegen Angelas Mann schon stattgefunden? Sie hat unter ihrem sogenannten Familienoberhaupt bestimmt sehr gelitten.“

      „Nicht nur sie“, sagt Christine, „auch die Mädchen. Von einer Verurteilung habe ich noch nichts gehört. Angela erzählt kaum etwas, und Tilly will Annika nicht ausfragen.“

      Olli kommt ins Wohnzimmer. Er hat Bertram auf dem Arm.

      „Christine, sieh bitte mal nach, ob die Verletzung schlimm ist. Er hat sich dieses Mal einen kleinen Baustein in die Nase gesteckt und versucht, ihn auszuschnauben. Dabei hat er natürlich zugedrückt, und jetzt blutet es etwas.“

      „Zeig mir mal dein Näschen“, sagt Christine und nimmt den Kleinen auf ihren Schoß.

      Ihm schimmern Tränen in den Augen. Er schaut Christine schuldbewusst an und reckt seinen Kopf nach hinten.

      Sie sieht, dass er keinen großen Schaden angerichtet hat und sagt sehr ernst zu ihm: „Ich glaube, du hast ganz großes Glück gehabt. Warum machst du das immer wieder?“

      Bertram zuckt mit den Schultern und sagt leise: „Ich weiß nicht.“

      „Probiere bitte mal, ob du wie ein Häschen schnuffeln kannst“, fordert sie ihn auf.

      Bertram zieht seinen Mund zusammen und wackelt mit der Nase auf und ab. Christine lächelt und gibt ihm einen Kuss auf die Wange.

      „Wenn du ein Gummitierchen ganz langsam lutscht, wird hoffentlich alles wieder gut“, sagt sie.

      Bertrams Augen leuchten auf. „Ich möchte bitte ein rotes Drododil.“

      Christine