Название | Natascha |
---|---|
Автор произведения | Nadja Christin |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738011333 |
Ich stoße ein Lachen aus, es hört sich zittrig an und nicht echt. Die Furcht sitzt mir, trotz allem, noch tief im Nacken.
Gerade überlege ich, ob ich mich einfach abwenden und meiner Wege gehen soll, da taucht unerwartet etwas aus dem dichten Nebel auf.
Eine Gestalt ist auszumachen, erst nur die Umrisse, aber je näher sie kommt, umso deutlicher wird sie.
Der milchige Dunst scheint aber nicht nur vor mir zu sein, er hat wohl auch schon mein Gehirn erreicht. Das Denken fällt mir zunehmend schwerer, die Gedanken driften immer wieder ab. Ein Schleier aus Blut und Tod drängt sich zwischen die Vernunft, die Angst und meine Instinkte.
Ich hebe meine Hand, um mir damit über die Augen zu wischen, aber es ist ein Gefühl, als gehöre das Körperteil zu jemand anderem, einer der meilenweit entfernt ist.
Mit einem Mal hat er mich erreicht, er steht vor mir, lächelt mich an. Seine kalten Hände ruhen einen Augenblick auf meinen Hüften, umarmen langsam meinen dürren Körper.
Bevor auch nur ein Gedanke an Gegenwehr es durch die dicke Nebelsuppe in meinem Kopf schafft, lehne ich meine Stirn gegen seine eiskalte Schulter.
Seine Wange streicht über meine. Wie eisig seine Haut ist, kühl und angenehm. Sein Atem kitzelt mich am Ohr. Ich will ihm unbedingt in die Augen sehen, so hebe ich meine verkrampften Hände und halte sein Gesicht fest, sehe in seine Augen, in diese wunderschönen braunen Augen.
Eine unendliche Tiefe erwartet mich. Die Pupillen wirken, als brenne ein Feuer in ihnen, ein alles verschlingender Vulkan.
Sie scheinen mich an zuschreien: »Versinke in uns, ertrinke in uns, du brauchst nie wieder an die Oberfläche zu gelangen, nur hier bei uns findest du den Frieden, den du dir so sehr wünschst.«
Fast möchte ich dem Feuer zustimmen, ich will meine Augen schließen und unter die Oberfläche tauchen, mitten in das heiße Brennen. Mich einfach fallen lassen, hinab in diese unendlich tiefen Brunnen.
Ich bin bereit, um für immer zu versinken, endlich meinen Frieden zu finden.
Da wird das Feuer der Pupillen größer, es flackert kurz und wächst an. Verschlingt langsam das ganze Braun der Iris, wird immer gelber, das Schwarz der Pupille wird länglich, scheint sich auszudehnen, sie werden zu Schlitzen, senkrechte Schlitze.
Raubtieraugen.
Hungrig blicken sie mich an, ein Knurren, wie ein Donnergrollen, ist zu hören. Es scheint nicht aus seinem Inneren zu kommen, sondern von überall her. Um mich herum ist nur noch dieses Knurren zu hören, es hüllt mich ein.
Ich bin total erstarrt, blicke wie hypnotisiert auf die Veränderung seiner einst so schönen Augen.
Ein Zischen, ein Fauchen, er öffnet seinen Mund, wirft den Kopf in den Nacken.
Ich sehe Zähne blitzen, lang und spitz.
Keinerlei Furcht ist in mir, nur ein unheimliches, aber zugleich tröstliches Gefühl, und das Wissen darüber, dass ich gleich erlöst bin.
Ich werde meinen Frieden finden.
Ich schließe die Augen und erwarte den Schmerz.
Erwarte, dass Justin mich beißt.
Sein Kopf schnellt nach vorne, und er schlägt mir seine Zähne in den Hals.
Gegenwart:
Erschrocken reiße ich die Augen auf und schnappe ein paar Mal gierig nach Luft.
Trotz meiner ausgebreiteten Arme, muss ich mich anstrengen, damit ich das Gleichgewicht nicht verliere.
Ich stehe hoch über dem Boden, fünfzehn Meter mindestens, auf den Überresten unserer Stadtmauer. Am höchsten Punkt, der es mir ermöglicht, meine Füße dicht nebeneinander zu stellen, auf den äußersten Zinnen.
Hier oben ist mein Lieblingsplatz, hier kann ich ungestört nachdenken und meine Gedanken und Erinnerungen kreisen lassen.
Was mich eben so erschrocken auffahren ließ, war aber weder eine Erinnerung, noch ein Traum. Letzteres ganz bestimmt nicht, da ich nicht schlafen kann, also kann ich auch nicht träumen.
Aber es war ein Gemisch aus Erinnerungen, Geschehnisse aus vergangenen Zeiten, gepaart mit … Ja, mit was genau.
Mit Wunschdenken?
Aber ich will eigentlich nicht sterben.
Selbst die Wahrheiten, die diese … nennen wir es mal Vision, beinhaltete, schmerzen sehr.
Mehr, als ich je zugeben würde, viel mehr, als ich es mir selbst eingestehen würde.
Warum nur sollte Justin mich beißen oder töten, wollen?
Gut, er hasst mich. Aber ist das schon Grund genug?
Wenn jeder jeden umbringen würde, nur weil er ihn hasst, dann ist die Welt bald sehr arm an Menschen und anderen Geschöpfen.
Er ist völlig verrückt, auch ein Grund, aber kein sehr guter.
Wie wäre es damit:
Ich habe ihn in einen Vampir verwandelt. (Schon besser!)
Ohne seine Erlaubnis. (Oh la, la!)
Im Schnellverfahren. (Jetzt kommen wir der Sache schon näher!)
Ich habe versucht ihn zu töten. (Es wird wärmer!)
Mehrmals. (Und da wunderst du dich?)
Ich habe dazu beigetragen, dass er vom hohen Rat der Vampire festgenommen wurde. (Noch wärmer)
Seine Verurteilung steht kurz bevor, ich denke das Urteil wird seinen sofortigen Tod nach sich ziehen. (Finger verbrannt!)
Aber, er ist verrückt, völlig wahnsinnig. (Hm.)
Das ist teilweise meine Schuld. (So, so.)
Und ich … (ja?)
Ich habe ihn geliebt …
Früher.
Damals, als der Wahnsinn noch nicht von ihm Besitz ergriffen hat.
Vor langer Zeit.
Vor unendlich langer Zeit.
So kommt es mir jedenfalls vor, in Wahrheit liegen gerade mal zwei lausige Jahre dazwischen, die es allerdings in sich hatten.
Frank, mein Mentor und … nun ja, so etwas wie mein Vater, hat mich damals in einen Vampir verwandelt und in den Clan eingeführt.
Die Vampire des Clans, Thomas, Elisabeth und die arrogante Jeanie. Es waren noch einige mehr, aber an sie habe ich nur eine verschwommene Erinnerung.
Dann war, und ist, natürlich noch Josh. Mein bester Freund Josh. Egal, was ich noch tun werde, oder in der Vergangenheit bereits getan habe, immer wird Josh zu mir halten.
Ansgar, mein geliebter Vampir, vom alten Schlag. Uns verbindet mehr, als nur die Augen der engen Verbundenheit.
Es ist Liebe.
Wahre Liebe, bist über den Tod hinaus. Eine Zuneigung, die niemals enden wird, egal, was geschieht.
Ich sehe sie alle ganz deutlich vor mir, als stünden Freund und Feind gemeinsam mit mir, hoch über dem Boden, auf der Ruine der alten Stadtmauer.
Ich lächle ihnen zu, sie lächeln zurück.
Dann zerfällt das Bild, zerfließt, wie ein Aquarell, über das ein Unhold Wasser schüttete.
Ein Gesicht umkreist die verlaufenden Farben, sein Gesicht.
Auch er grinst mich an, aber es ist nicht ehrlich, ich erkenne so etwas, es erreicht seine Augen nicht.
Diese Augen, die tiefen Brunnen, die einen hinab ziehen