Название | Homo sapiens movere ~ gezähmt |
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Автор произведения | R. R. Alval |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738097320 |
Die Zeit verlief bisher nur langsam.
Doch endlich war die Stunde vorbei und – Wunder über Wunder – niemand hatte sich die Mühe gemacht, in meinem Büro vorbei zu sehen. Vorsichtig öffnete ich die Tür und lugte auf den Gang. Totenstille. Keine Schritte, keine Stimmen, keine Geräusche, kein Rattern des Paternosters. Außer meinem aufgeregten Herzklopfen, dass man bestimmt bis in die oberen Etagen vernahm. Leise tappte ich den Gang entlang, ließ den Aufzug links liegen – womöglich wurde dadurch nur der Sicherheitsdienst auf mich aufmerksam – und lief mit meiner Gänsehaut als Begleitung die Treppen hinunter. Nur die Notbeleuchtung brannte, was die ganze Sache noch gruseliger machte.
Endlich stand ich mit wild klopfendem Herzen vor der Tür zum Archiv. Würde jemand mein außerplanmäßiges Eintreten bemerken? Falls ja, würde ich das umgehend wissen, denn das Archiv ließ sich im Notfall hermetisch abriegeln. Ein Eindringling galt mit Sicherheit als Notfall, oder? Verdammt, ich war mir nicht mehr sicher, ob ich das wirklich riskieren wollte! Wie lange würde meine Luft reichen? Was, wenn ich aufs Klo musste? Verflixt! Meine Angst würde mich eher umbringen als der eine Schritt ins Archiv, der alles entschied.
Zitternd flogen meine Finger über das Nummernfeld an der Tür, bis sechs grüne Lämpchen aufleuchteten und die Tür lautlos entriegelt wurde. Tief Luft holend trat ich ein und… nichts passierte. Kein Knall, kein Zischen, nichts. Nur das Licht ging an. Vollautomatisch. Ein Bewegungsmelder, der – soweit ich wusste – nirgendwo aufgezeichnet wurde. Falls doch – tja, das würde ich bald wissen.
Ich bekreuzigte mich und begann meine Suche.
Erleichtert stellte ich fest, dass die Akten nicht nach Jahreszahlen, sondern alphabetisch geordnet waren. Also auf zum Gang mit dem W. Der lag am hinteren Ende, so dass nun dort die Lichter aufflammten und die am Eingang allmählich erloschen. Praktisch. Allerdings auch heikel, sollte noch jemand das Archiv betreten. Besonders wenn es der Sicherheitsdienst wäre. Ach was, du machst dir zu viele Gedanken! Das sagte ich mir zwar, aber meine Nervosität blieb. Besonders, weil ich die besagte Akte nicht finden konnte.
Was seltsam war.
Schließlich war Weller-Opt im System und demzufolge entweder ein Ortsansässiger oder ein movere.
Bei beiden Optionen mussten sich seine Unterlagen im Archiv befinden. Leider nicht zwangsweise in der oberen Etage. Die Vorstellung, in die unteren Etagen des Archivs vorzudringen, fand ich äußerst beunruhigend. Denn da unten befanden sich Aufzeichnungen über movere, deren Fähigkeiten als extrem gefährlich eingestuft wurden. Gehörte Weller-Opt in diese Kategorie? Wäre seine elektronische Akte sonst für mich gesperrt gewesen? Der Verdacht ließ sich nicht von der Hand weisen. Zumal die andere Möglichkeit nur noch die ganz untere Etage war, und ob ich in die hinein kam, war fraglich. Was, wenn dort ein anderer Nummerncode galt?
Meine Befürchtungen waren unnötig.
Denn ich entdeckte eine Stahltür, die sich knarrend öffnen ließ und eine Treppe enthüllte, die mich innerhalb des Archivs bis ganz nach unten führte. Sofern die Tür der dritten Einheit nicht verschlossen war. Die zweite war es jedenfalls nicht. Mit einem mulmigen Gefühl durchsuchte ich auch das zweite Archiv. Dieses enthielt tatsächlich eine Akte über Weller-Opt. Eine leere. Und das hieß, dass die Unterlagen entweder verschwunden waren oder sich – trotz meiner Hoffnungen – nochmal ein Stockwerk tiefer befanden. Und das war alles andere als gut. Denn dieses Archiv betraf Fälle absoluter Geheimhaltung. Das hätte ich mir gleich denken können, ich Depp! Umso überraschter war ich, dass sich die Tür über den Treppenzugang zwar nur mit etwas Gewalt, aber nichtsdestotrotz öffnen ließ. Vorsichtig öffnete ich sie einen Spaltbreit und wieder passierte nichts. Dennoch wartete ich eine Weile.
Es kamen weder irgendwelche blutrünstigen Wachhunde angestürmt, noch verlangte jemand meinen Ausweis, noch wurde das Archiv verriegelt
In meinen Augen extrem schlampig, aber ich wollte mich nicht beschweren.
Im Gegenteil!
Ich konnte mein Glück kaum fassen und rechnete jeden Moment damit, doch noch erwischt zu werden. Wie auch im oberen Bereich des Archivs fielen mir noch nicht einsortierte Akten auf, die sich im Eingangsbereich stapelten. Freilich war dieser Haufen kleiner als die oben.
Was genau bedeutete das? Dass das Archiv nur einmal aller paar Monate aktualisiert wurde?
Doch im Gegensatz zu den beiden oberen Etagen bemerkte ich, dass die Unterlagen bereits sorgfältig datiert waren und beinah so aussahen, als hätte erst vor kurzem jemand mit ihnen gearbeitet. Außerdem stand hier ein Kopierer. Wozu? War es nicht einfacher die Daten aus dem Netzwerk zu ziehen?
Argwöhnisch betrachtete ich mir die Papiere näher. War es nur ein Zufall, dass mir einige Namen bekannt vorkamen? Ein fürchterlicher Verdacht regte sich in mir, den ich zerstreuen wollte. Doch so, wie ich die erste Akte aufschlug, hätte ich mich gern übergeben. Dasselbe galt für die anderen Unterlagen, in die ich einen flüchtigen Blick warf. Wo genau war ich da nur hineingeraten? Sollte ich es darauf beruhen lassen? Nein, das konnte ich nicht. Was immer die Behörde für innere Sicherheit damit zu tun hatte, es war nicht rechtens!
Es war – egal, wie ich es drehte oder wendete – rundherum falsch. Als fühlender Mensch ging es mir gegen den Strich. Wusste mein Chef davon? Oh Gott! Bestimmt. Ansonsten hätte er mich doch nicht versetzt. Oder war es gar so, dass er Anweisungen von oben erhielt, die er nicht in Frage zu stellen hatte? Herrje, was sollte ich nur tun?
Wie konnte ich das hier ignorieren?
Ich wendete mich dem zweiten Stapel zu, der zwar katalogisiert zu sein schien, doch dessen Inhalt war beruhigender für meinen Magen. Es waren auf den ersten Blick völlig normale Unterlagen, in denen nur einige Textpassagen mit einem Marker hervorgehoben worden waren. Wie wichtig waren diese Markierungen? Sie mir anzusehen, hatte ich möglicherweise die Zeit, aber keine Nerven. Aber hier stand ein Kopierer… und es gab genug Papier… und ich war hier…
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Vier Stunden später war ich wieder in meinem Büro, ohne dass mir jemand aufgelauert oder mich erwischt hatte. Beinah hatte ich das Gefühl, als wäre ich völlig allein in dem Gebäude, obwohl ich es natürlich besser wusste. Nur allmählich beruhigte sich mein Herzschlag, während ich die kopierten Papiere auf meinem Schreibtisch ablegte. Ich musste mir überlegen, wie ich die unbemerkt heimbrächte, denn der Stapel war ziemlich dick.
Und schwer.
Beinah hätte ich beim Verlassen des Archivs die Hälfte verloren, aber es war mir gelungen, alles festzuhalten und in mein Büro zu transportieren. Dutzende kopierte Akten, inklusive der von Weller-Opt, die ich erst nach einigem Suchen gefunden hatte. Denn der unterste Trakt des Archivs war zweigeteilt. Beinah hätte ich aufgeben, bis ich den zweiten Gang W bemerkte. Es war mir kalt über den Rücken gekrochen, als ich die Akte auf- und sofort wieder zugeschlagen hatte. Anscheinend gab es deshalb zwei Gänge, weil… tja, wie sollte ich das ausdrücken? In diesen zweiten Gängen schienen all die Akten zu hängen, die sich inhaltlich an die vorn liegenden Ordner anpassten. Inklusive recht verstörenden Bildmaterials und diversen handschriftlichen Ergänzungen. Ich hatte mir aber nur Weller-Opts Akte genommen.
Zumindest von dort.
Welcher Gattung Mensch musste man angehören, um einem anderen Derartiges anzutun?
Jeden Moment rechnete ich jetzt damit, dass meine Bürotür aufflog und ich verhaftet wurde oder etwas in der Art. Doch alles blieb ruhig. Müde fuhr ich mir übers Gesicht und setzte mich. Theoretisch sollte ich jetzt schlafen – irgendwie – aber die vor mir liegenden Papiere ließen mir keine Ruhe.
Noch war mir das, was ich entdeckt