Название | Blutige Fäden |
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Автор произведения | Fabian Holting |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738039313 |
»Gut«, sagte sie, »ich vertraue Ihnen.« Sie klang noch bedrückter, als zu Beginn unseres Telefongesprächs. »Aber bitte melden Sie sich sofort bei mir, wenn Sie mehr wissen«, fügte sie hinzu. Ich konnte hören, dass sie beinahe weinte.
»Frau Kessler, glauben Sie mir, Ihr Sohn ist verreist, vielleicht macht er auch eine kleine Krise durch, möglicherweise hat er Liebeskummer oder ist mit seinem Studium nicht mehr zufrieden.« Ich hörte ein leises Schluchzen. Es entstand eine Verlegenheitspause.
»Entschuldigen Sie«, sagte Frau Kessler nach einer gefühlten Ewigkeit, »ich habe heute Geburtstag.« Ich verstand sofort, was sie meinte.
»Noch hat Sascha den ganzen Abend Gelegenheit dazu, Ihnen zu gratulieren. Wenn er es vergessen sollte, dann kann es auch bedeuten, dass er einfach mit anderen Dingen beschäftigt ist.«
»Aber in den letzten Jahren hat er immer angerufen, meistens schon früh morgens bei mir in der Boutique.«
»Aber davor hat er es auch schon einmal vergessen, oder?«
»Ja, als er auf Abschlussfahrt mit seinem Abijahrgang war.«
»Frau Kessler, ich melde mich, sobald ich neue Anhaltspunkte dafür habe, wo Sascha sich derzeit aufhält. Und wenn er Ihnen doch noch zum Geburtstag gratulieren sollte, dann rufen Sie mich bitte sofort an.« Ich gab ihr meine Handynummer und beendete das Gespräch, indem ich ihr alles Gute zum Geburtstag wünschte. Ich hätte ihr gerne dabei ins Gesicht gesehen, doch ich wusste auch so, dass ich sie nicht beruhigt hatte.
6
Der Himmel war klar, und obwohl es noch hell war, stand ein noch blasser Mond über den Häuserdächern, als ich etwa zwei Stunden nach meinem Telefonat mit Frau Kessler meine Wohnung wieder verließ. Es war draußen bereits empfindlich kalt. Dass es später noch Nachtfrost geben würde, schien so sicher zu sein, wie das Amen in der Kirche. Dennoch ließ ich meinen Cinquecento stehen und holte mein altes Rennrad aus dem ehemaligen Kohlenkeller. Ich wusste, am Abend würde es nicht bei einem Bier bleiben. Mein Exkollege war in dieser Beziehung hartgesotten und auch sonst nicht gerade zimperlich, was das Genießen des Lebens anbelangte. Er war seit drei Jahren geschieden und man hatte den Eindruck, dass er einiges nachzuholen hatte. Wie er bei den Gehältern, die Silberlocke seinen Detektiven zahlte, seine geschiedene Frau und die beiden Kinder im Teenageralter aushalten konnte, war mir allerdings schleierhaft. Vermutlich hatte er noch andere Einnahmequellen, über die er zumindest mir gegenüber verschwiegen war wie ein Grab. Er hatte gute Verbindungen zu verschiedenen gesellschaftlichen Kreisen. Er kannte diverse Lokalpolitiker und hatte sogar Kontakt zu einigen Hamburger Wirtschaftsgrößen. Zu guter Letzt war da noch sein ominöser Kumpel bei der Polizei, der Zugriff auf fast alle wichtigen Datenbanken der Ermittlungsbehörden hatte. Diese Connection, die auch Silberlocke für seine Privatdetektei gelegentlich in Anspruch nahm, wollte auch ich jetzt nutzen.
Mein ehemaliger Kollege hatte sich für den heutigen Abend eine Bar in der Nähe des Sandtorkais in der Hamburger Überseestadt ausgesucht. Als ich die Bar betrat, die in einer Mischung aus klassischen und modernen Elementen bis ins Detail durchgestylt war, sah ich ihn bereits an einem der freien Tische unweit der Theke sitzen. Vor ihm stand ein halbvolles Glas Bier. Für einen Mittwochabend waren die anderen Tische recht gut besetzt. Darunter wohl viele Angestellte aus den umliegenden Büros, einige Pärchen und solche, die es noch werden wollten. Vor dem Hintergrund meiner vielseitigen Kneipenerfahrung war es also ein eher langweiliges Publikum. Wir klatschten uns freundschaftlich ab. Noch bevor ich mich setzte, signalisierte ich der jungen Frau hinter der Theke, dass ich auch gerne ein Glas Bier hätte.
»Thorsten, wie geht´s dir und was macht die Arbeit?«
»Mir geht es ganz gut und unser gehörnter Chef hat sich auch wieder beruhigt. Aber wenn er wüsste, dass wir uns noch regelmäßig treffen, würde er mich wahrscheinlich hochkant rausschmeißen.«
»Aber doch nicht seinen besten Mann«, scherzte ich, obwohl ich damit vermutlich sogar recht hatte. Thorsten war nicht nur sein bester Detektiv, er war auch ein harter Arbeiter. Dennoch sah man ihm die Strapazen seines anstrengenden Lebens nicht an. Sein volles, dunkelbraunes Haar war entweder gefärbt, woran ich nicht glauben konnte, oder aber vor dem Grauwerden noch für Jahre gefeit. Sein männlich markantes Gesicht mit dem dunklen Bartschatten wirkte immer frisch und straff. Es schien, als hätte er mit fünfunddreißig aufgehört zu altern. Nachdem mir die Sache mit der Frau unseres Chefs passiert war, hatte ich den Eindruck, dass er mich dafür ein wenig bewunderte. Auch an diesem Abend konnte er es nicht lassen, kurz davon zu sprechen.
»Eigentlich sollte ich dir das nicht erzählen«, fing er an, »aber die zwei besten Fotos von deiner Liaison mit Cleopatra kursieren noch immer bei uns im Büro.«
»Ich dachte, der Alte hätte der Löschung der Fotodateien höchstpersönlich beigewohnt.«
»Ja, aber es gibt eben noch Männer mit grenzenlosem Mut.«
Ich machte ein ärgerliches Gesicht. »Ach, bald sind die uninteressant und geraten in Vergessenheit.«
Ich wünschte mir die Zeiten zurück, in denen es noch Negative und Abzüge gab. Die Vorstellung, die Bilder könnten irgendwann in sozialen Netzwerken auftauchen, ließ mich erschauern. Ich war bestrebt, das Thema umgehend zu wechseln.
Thorsten lachte wieder. »Es war eben dumm von dir, ausgerechnet die Frau von deinem Chef zu begatten. Hättest du mich vorher nur eingeweiht, dann wäre das nicht passiert.«
Endlich wurde mein Bier gebracht. Nachdem wir angestoßen hatten, nahm ich einen großen Schluck. Thorsten leerte sein halbvolles Glas in einem Zug und hielt es anschließend mit Blickkontakt zur Theke demonstrativ in die Höhe.
»Sag´ mal, wenn ich schon das Gespött der ganzen Detektei bin, dann könntet ihr eigentlich mal was für mich tun.«
Thorsten sah mich interessiert an. »Dann hast du also deinen ersten Auftrag.«
»Richtig, eine Vermisstensuche.«
»Da werde ich dir wohl helfen müssen.«
Ich nickte nur. Thorsten bekam sein zweites Bier auf den Tisch gestellt. Ich ließ ihn einen Schluck nehmen. Erst dann fing ich an, von meinem ersten Auftrag zu berichten.
»Der Fall müsste bald gelöst sein«, bemerkte Thorsten, als ich mit meinem Bericht zu Ende war. »Schreib´ mir den Namen auf diesen Bierdeckel und morgen im Laufe des Tages kann ich dir sagen, ob er mit dem Flugzeug in den Süden geflogen ist.«
Ich blickte Thorsten freudig an. Er sah an mir vorbei und hob die Hand, um einem Bekannten zuzuwinken, der gerade das Lokal betreten hatte. »Vielleicht ist er auch mit dem Zug oder per Anhalter gefahren«, schob Thorsten hinterher, während er einer Frau auf den Hintern starrte, die gerade auf dem Weg zur Toilette war.
»Das wäre dann eben Künstlerpech«, antwortete ich beiläufig. »Sag‘ mal, kennst du eigentlich die Modedesignerin Maren Hagena?«, fragte ich ihn.
»Ein Kumpel von mir hat sie mal erwähnt. Ist wohl eine knallharte Geschäftsfrau, die es versteht, sich in der Männerwelt durchzusetzen. Ich glaube die hat mal auf nicht ganz so feine Art einen Wettbewerber rausgekickt. Was da genau war, weiß ich aber auch nicht. Warum interessiert dich die Frau?«
»Mein Vermisster hat bei ihr ein Praktikum gemacht und morgen wollte ich mich dort nach ihm erkundigen.«
»Warte doch erst ab, was ich in Erfahrung bringe.«
»Und, wie sieht es bei euch in der Detektei aus. Immer noch genug zu tun?«
»Wir sind gut im Geschäft. Der Alte versteht es blendend, gute Aufträge an Land zu ziehen, obwohl wir nicht ganz billig sind. Hast du denn bisher nur diesen einen Auftrag?«
Zu meinem Bedauern musste ich Thorsten mit Ja antworten. Ich versicherte ihm aber, dass ich guter Dinge sei, diesen Zustand bald überwunden zu haben. Ich erzählte ihm von der Anfrage für eine Mitarbeiterüberwachung. Nachdem wir jeder noch ein Bier getrunken hatten, wechselten wir endgültig das Thema. Wir sprachen über die abgelaufene Bundesligasaison und die bescheidenen Perspektiven des