Название | Das Schicksal und andere Zufälle |
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Автор произведения | Sabine Otto |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847618256 |
Sie gab sich einen Ruck und nahm den Brief in die Hand. Immer und immer wieder las sie die Zeilen. Sie wollte einfach nicht wahrhaben, was da schwarz auf weiß in einer klaren Handschrift zu lesen war. Sie bräuchten eine Pause, ihre Beziehung sei einfach festgefahren. Er hätte jetzt ohnehin die nächste Zeit viel auf Mallorca zu tun und da könne er die wenigen Tage, die er in Deutschland sei, bei einem Freund unterkommen. Er denke, so zwei Monate würden ihnen beiden gut tun. Es wäre auch besser, sich in dieser Zeit nicht zu kontaktieren. Er würde sich dann wieder Anfang Dezember bei ihr melden. Seine wichtigsten Sachen habe er bereits zusammengepackt und mitgenommen.
Das alles klang so endgültig. So als ob schon klar war, dass man sich auch nach der Trennungszeit nicht mehr zusammenraufen, sondern jeder seiner eigenen Wege gehen würde. Es als Pause zu deklarieren, war nur ein bisschen leichter. Die Entscheidung war noch offen und man musste sich noch nicht festlegen. So blieb die Hoffnung, dass alles wieder so werden könnte wie früher.
Nach den ersten Tränen und einem großen Schluck Rotwein, kehrte sich ihr anfänglicher Schock und ihre Enttäuschung so langsam in Wut um. Gut, wenn er es so haben wollte, wenn er es nicht einmal für nötig befände, ihr dies in einem persönlichen Gespräch mitzuteilen, ihr nicht die Chance auf eine Rechtfertigung gab, sie einfach vor vollendete Tatsachen stellte, na dann solle er doch ohne sie glücklich werden! Er würde schon sehen, was er davon hätte! Sie käme auch ohne ihn klar!
Sie ging erschöpft ins Bett und ihr letzter Gedanke, bevor sie in einen tiefen traumlosen Schlaf fiel, war, dass die ganze Aktion mit der Anzeige nun hinfällig geworden war. Da war nun niemand mehr, dem sie ein Kind unterjubeln konnte.
Das Team hatte den ganzen Dienstag und die halbe Nacht durchgearbeitet. Endlich stand die Präsentation. Am nächsten Morgen durften alle ausschlafen, bis auf Elli und ihren Assistenten Willi. Die hatten einen Termin mit Herrn Beckmann, um ihm das Konzept für seine Werbekampagne vorzustellen.
Wie er wohl war? Bestimmt so ein geschniegelter Lackaffe. Gerade in dieser Branche, hatte Elli die Erfahrung gemacht, waren die Firmenchefs meist sehr arrogant und herablassend. Sie wurde plötzlich ganz wütend auf die gesamte Männerwelt. Der bräuchte ihr gar nicht blöd kommen, dieser Schnösel! Dem würde sie es schon zeigen. Selbst wenn es für die Agentur Wagner äußerst wichtig war, diesen Auftrag an Land zu ziehen, würde sie sich nicht von so einem überheblichen Unternehmer ins Bockshorn jagen lassen. Überhaupt würde sie sich nie wieder von einem Mann verletzen lassen! Wenn die Männer es nicht für nötig hielten, ihr Respekt entgegen zu bringen, dann bräuchte sie das erst recht nicht zu tun! Moment, bremste sie eine Stimme aus ihrem Unterbewusstsein, über wen redest du denn da überhaupt? Ihr fiel die Geschichte von Paul Watzlawick ein, in der ein Mann sich bei seinem Nachbarn ein Hammer leihen wollte und sich so sehr ausmalte, dass dieser ihm nicht wohlgesonnen wäre, dass er ihn am Ende anbrüllte und meinte, er solle seinen doofen Hammer doch behalten, ohne ihn überhaupt gefragt zu haben.
In diesem Moment brachte die Empfangsdame Herrn Beckmann in den Besprechungsraum. Unwillkürlich hielt sie den Atem an. Ihr erster Eindruck entsprach hundertprozentig ihrer Vorstellung. Ein selbstbewusst wirkender, durchtrainierter, geradezu unverschämt gut aussehender Mann stand ihr gegenüber. Als er ihr zur Begrüßung die Hand gab – einen warmen festen Händedruck -, wie Elli nebenbei registrierte, ließ er seinen Blick ungeniert von ihrem Gesicht über ihren Körper bis zu ihren langen Beinen gleiten. Seine dunklen Augen blitzten für einen kurzen Moment anerkennend auf, sein süffisantes Lächeln blieb. Warum hatte sie auch heute Morgen nach ihrem Kostüm mit dem kurzen Rock gegriffen und den dazu passenden High Heels? In ihrem blauen, klassischen Hosenanzug und den flachen Pumps hätte sie sich jetzt eindeutig wohler gefühlt! Er zog sie förmlich aus mit seinem Blick. Sie merkte wie ihre mühsam aufgebaute Selbstsicherheit bröckelte. Wo blieb denn nur ihr Assistent? Und hatte Herr Beckmann denn niemanden mitgebracht? Trotzig erwiderte sie seinen Blick und forderte ihn auf, sich doch zu setzen. „Möchten Sie einen Kaffee, Wasser oder einen Saft?“
„Danke, ein Wasser wäre nett.“ Er hatte immer noch dieses leicht ironische Lächeln um seine Lippen. „Ein nettes Kostüm, das Sie da tragen.“
„Das Kompliment kann ich zurückgeben. Ihr Anzug ist äußerst kleidsam.“ Macho, schnaubte Elli innerlich, während sie ihm ein Wasser einschenkte. Wäre sie ein Mann, hätte er keine Bemerkung über ihre Kleidung gemacht. „Und Ihre Krawatte ist farblich wirklich sehr gut auf ihr Ensemble abgestimmt.“
Überrascht blickte er sie an. Kurz stockte ihr der Atem, als sie versuchte seinem Blick stand zu halten. In diesen dunklen, geheimnisvoll glitzernden Augen hätte sie sich glatt verlieren können.
„Nun gut, wir sind nicht hier, um über Banalitäten zu plaudern. Wie wäre es, wenn sie nun Ihren Vorgesetzten holen, um mir das Werbekonzept für meine Kampagne vorzutragen.“
Das brachte sie wieder auf den Boden der Tatsachen. Ihr erster Eindruck war richtig: ein überheblicher Macho par excellence!
„Ich bedaure, aber Sie müssen schon mit mir vorlieb nehmen. Ich bin hier die Projektleiterin. Mein Assistent wird sicher gleich hier sein, doch wir können gerne schon beginnen.“ Trotzig schaute sie ihm in sein unverschämt grinsendes Gesicht. Na warte, dem würde sie schon zeigen, was sie drauf hatte!
Schon bald hatten beide unter Ellis Ausführungen ihr kleines Geplänkel vergessen. Schwungvoll und mit Überzeugungskraft erläuterte sie ihm die geplante Kampagne und legte den hierzu aufgestellten Budgetplan vor. Er hörte aufmerksam zu und nickte nur ab und zu beifällig. Sie waren beide so vertieft, dass sie aufschreckten als Willi in den Raum kam. Er murmelte eine Entschuldigung und versuchte sich unauffällig, wie ein Schulkind, das zu spät zum Unterricht kommt, hinzusetzen. Da ihn aber nun beide anstarrten, als wäre er ein Außerirdischer von einem anderen Planeten, meinte er, sich verteidigen zu müssen. Es sei ja gestern sehr spät geworden, da sie ja das Angebot für Herrn Beckmann fertig stellen mussten und dann hätte er heute Morgen den Wecker überhört. Je mehr er sich entschuldigte, desto peinlicher wurde es. Denn allen Beteiligten war klar, dass Elli ja mindestens genauso lange gearbeitet hatte und nun hier frisch und hellwach das Projekt vorstellte. Beide beugten sich wieder über den Budgetplan. Elli redete weiter und war bald darauf wieder so in Fahrt, dass sie versehentlich Herrn Beckmanns Hand streifte. Sie zuckte zurück und konnte es nicht verhindern, dass sie leicht errötete. Doch sie schaffte es, sich schnell wieder in den Griff zu bekommen und fuhr ohne weitere Unterbrechungen mit ihren Ausführungen fort.
Als sie ihre Präsentation abgeschlossen hatte, stand Herr Beckmann auf, blickte mit einem schiefen Grinsen auf Willi: „Ich denke, wir Männer haben nun diesem energischen Vortrag nichts mehr hinzuzufügen.“ Und zu Elli gewandt. „Ich werde mich in den nächsten Tagen bei Ihnen melden. Vielen Dank einstweilen.“ Und weg war er.
Willi und Elli blickten sich perplex an. Mit so einer abrupten Verabschiedung hatten beide nicht gerechnet. Ihr Assistent schickte sich noch einmal an, sich zu entschuldigen, doch sie winkte nur müde ab und packte ihre Unterlagen zusammen. Auf einmal überkam sie die Erschöpfung durch den Stress der letzten Tage. Sie wollte nur noch in ihr Bett und schlafen, bis sie wieder von alleine aufwachte. Und genau das war es, was sie jetzt gedachte zu tun: Nach Hause ins Bett, ohne Wecker – und ohne Mann, fügte sie noch sarkastisch in Gedanken hinzu.
Auf dem Nachhauseweg gingen ihr die letzten Stunden noch einmal im Kopf herum. Sie konnte überhaupt nicht einschätzen, wie Herr Beckmann sich nun entscheiden würde. Was sie aber nicht mehr losließ, das war die Erinnerung an seine verwirrend männliche Ausstrahlung und deren Auswirkung auf ihr Gemüt.
Fast hätte sie die Geschichte mit Kai vergessen. Sie wollte jetzt auch gar nicht darüber nachdenken; erst würde sie einmal schlafen. Lächelnd musste sie an ihren früheren Lieblingsroman denken. Scarlett O’Hara würde jetzt auch sagen, ‚Morgen ist auch noch ein Tag, dann werde ich über all das nachdenken‘.
Zu Hause kam ihr der Postbote im Hausflur entgegen: „Gut, dass ich Sie hier treffe! So viele Briefe hätte ich niemals in Ihren Briefkasten bekommen.“ Mit diesen Worten drückte