Aus dem Totenreich. Norman Dark

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Название Aus dem Totenreich
Автор произведения Norman Dark
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738095524



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Hehl daraus gemacht, dass ich meinen Mann liebe und ihn niemals verlassen werde.«

      »Das verlangt auch niemand von dir. Dem Lebensstandard, den dir der große Opernsänger bietet, könnte ich ohnehin nicht gerecht werden. Darüber mache ich mir keine Illusionen. Aber auf den Spaß, den wir gemeinsam im Bett haben, möchte ich nicht verzichten.«

      »Dimi sei doch vernünftig. Wir hatten eine schöne Zeit, doch die ist jetzt vorbei.«

      »Sagst du. Was ist der Grund für deinen Sinneswandel? Ist er dir dahinter gekommen und verlangt die Trennung?«

      »Nein, zum Glück nicht. Und ich möchte, dass das so bleibt, um ihm den Kummer zu ersparen.«

      »Mich interessiert der Kummer des feinen Herrn einen Dreck. Er wird in so manchem Hotelzimmer auch sehen, wo er bleibt.«

      »Du irrst. Orfeas ist nicht so triebgesteuert wie du. Er …«

      »Und du, hast du vergessen zu sagen. Wenn er dir sexuell das bieten könnte, was du brauchst, hättest du dich bestimmt nicht mit mir eingelassen.«

      »Das war ein Fehler, gebe ich zu. Ich habe meine körperlichen Bedürfnisse einfach überschätzt.«

      »Das ist ja wohl die billigste Ausrede, die ich jemals gehört habe. Gib doch zu, dass du mich satt hast. Wahrscheinlich wartet schon der nächste Galan um die Ecke.«

      Dimitrios’ Stimme war vor Erregung schrill geworden.

      »Würdest du bitte aufhören, so zu schreien? Wir ziehen schon alle Blicke auf uns.«

      »Das ist mir egal. Jetzt weiß ich auch, warum du partout nicht in mein Apartment kommen wolltest. Weil du dort mit Sicherheit wieder schwach geworden wärest.«

      »Mag sein. Aber eben das will ich nicht mehr. Die Gründe habe ich dir genannt. Ich bin deiner nicht überdrüssig, sondern will nicht länger ein doppeltes Spiel spielen. Ich fühle mich schlecht dabei. Und das negative Gefühl überwiegt die Lust.«

      »Das werden wir sehen. Lass erst deinen Hormonpegel wieder ansteigen, dann wirst du vor meiner Tür stehen. Davon bin ich überzeugt.«

      »Warum könnt ihr Männer eine Niederlage nicht mit Anstand wegstecken? Euer Ego ist so groß, dass ihr reihenweise Frauen abservieren könnt, aber wehe, es ist umgekehrt der Fall.«

      »Blah, blah. Ich weiß, was du für mich empfindest, auch wenn du es dir nicht eingestehen willst. Sonst hättest du niemals das Risiko der Entdeckung in Kauf genommen.«

      »Wie oft soll ich es dir noch sagen? Ja, du bist ein sehr guter Liebhaber, und ich möchte die Stunden mit dir nicht missen. Aber ich bin es leid, die untreue Ehefrau zu sein, und möchte nicht länger die Liebe meines Mannes aufs Spiel setzen. Für mich ist das Gespräch jetzt beendet. Es ist alles gesagt worden.«

      Eudokia stand auf und steuerte dem Ausgang zu.

      »Darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen!«, rief ihr Dimitrios, weiß vor Zorn, hinterher, »mir entkommst du nicht so leicht. Damit du Bescheid weißt.«

      Im Nordwesten Athens lag das Stadtviertel Akadimia Platonos, das nach der Platonischen Akademie benannt wurde. In der heutigen Zeit prägten Hochhäuser mit acht bis zehn Stockwerken das Viertel. Es hatte keinen besonders guten Ruf, da es als heruntergekommen galt. Das hohe Aufkommen von Immigranten verunsichere die Einwohner, hieß es unter anderem.

      Traianos Nimpitis lebte von Sozialhilfe und schlug sich mehr schlecht als recht durch. Hin und wieder besserte er mit kleinen Diebstählen seine Haushaltskasse auf. Die Beute nahm ihm ein Hehler zum Bruchteil des tatsächlichen Wertes ab. Trotzdem blieb noch genug übrig, um wieder eine Weile damit auszukommen.

      An diesem Morgen war der unscheinbare, etwas ungepflegte Dreiunddreißigjährige, der weder einen Beruf noch eine Freundin hatte, schon früh auf den Beinen, für seine Verhältnisse jedenfalls, denn nicht selten schlief er bis mittags. Sein Ziel war die Agia Aikaterini oder auch Ayia Ekaterina Kirche am östlichen Rand des Plaka Viertels. Die kleine Kirche aus dem 11. Jahrhundert stand inmitten moderner Wohnhäuser. Ganz in der Nähe befanden sich der Hadriansbogen und das Denkmal des Lysikratus. Doch das fand ebenso wenig Traianos’ Interesse wie die kleine, aber feine Kuppel, die Fresken und Altäre der Kirche. Bei seinen Erkundungszügen waren ihm zwei vergoldete, dreiarmige Kerzenleuchter aufgefallen, die bestimmt ein hübsches Sümmchen bringen würden.

      Der Bezirk Akadimia Platonos verfügte zwar auch über einige Kirchen, doch Traianos war nicht so dumm, in seinem Wohnviertel auf Beutezug zu gehen, dort, wo man ihn womöglich erkannte und bis in seine Wohnung verfolgen könnte.

      Traianos kam gegen halb neun vor der Kirche an. Eine Stunde nach der offiziellen Öffnungszeit. Der Wettergott war ihm gewogen, denn die wenigen Fußgänger, die an diesem regnerischen Tag unterwegs waren, beachteten ihn nicht weiter, was ihm nur recht sein konnte. Zusätzlichen Schutz bot ihm sein altersschwacher, aber durchaus noch brauchbarer Regenschirm.

      Am Eingang stellte er den nassen Schirm artig in den dafür vorgesehenen Ständer und nahm nur seine große Reisetasche mit, in der etwas Werkzeug leise klapperte. Wie nicht anders erwartet, befanden sich keine Besucher im Innenraum. Zielstrebig ging er auf den rechten Kerzenleuchter zu und bemerkte mit fachkundigem Blick, dass das große Prachtstück, das ihm bis zur Brust reichte, aus drei Teilen bestand, die man mit wenig Kraftaufwand auseinanderschrauben konnte. Andernfalls hätte er auch ein Problem gehabt, denn man konnte nicht einfach so unbemerkt am helllichten Tag mit einem vergoldeten Leuchter aus der Kirche spazieren.

      Sich ängstlich mehrmals umsehend, begann er sogleich mit der Arbeit. Erstaunlicher Weise ließ sich niemand sehen, der ihn von dem Raub abhalten konnte. So ging er nach kaum einer Viertelstunde mit einer prall gefüllten Tasche zum Ausgang und sah zu, dass er fortkam. Erst mehrere Querstraßen weiter hielt er erschöpft inne und rief den Hehler zwecks Übergabe an.

      In einer ärmlich ausgestatteten Wohnung eines der heruntergekommenen Hochhäuser von Akadimia Platonos spielte sich derweil ein familiäres Drama ab. Danaë Samara war sehr dünn und hatte herbe Gesichtszüge. Sie wirkte wesentlich älter als Mitte zwanzig, kleidete sich nachlässig und hatte fettige, aschblonde Haare. Ihrer Tochter servierte sie das Essen im Bett. Eleni, ein hohlwangiges, leichenblasses Mädchen von knapp sechs Jahren mit rabenschwarzen, glanzlosen Haaren, weigerte sich jedoch strikt, die Suppe zu essen, die ihm seine Mutter gekocht hatte.

      Die Kleine lag schon mehrere Tage und wurde von Brechdurchfällen gequält. Der Arzt vermutete eine Magenverstimmung und riet zu leichter Kost, doch Eleni wurde immer elender und schwächer.

      »Komm, nimm wenigstens zwei, drei Löffel, damit du wieder zu Kräften kommst«, sagte Danaë, »mein kleiner Schatz muss schnell wieder gesund werden, damit er wieder draußen mit den anderen spielen kann.«

      »Die Suppe schmeckt so komisch …«

      »Das haben Dinge, die gesund sind, nun mal so an sich. Gestern ging es dir doch schon etwas besser. Das lag bestimmt daran, dass du brav gegessen hast.«

      »Nein, nachdem du mich gefüttert hast, musste ich wieder brechen, und die Bauchschmerzen wurden auch schlimmer.«

      »Das kam dir nur so vor, weil dein Magen etwas gereizt ist. Wenn du nicht isst, musst du wieder ins Krankenhaus. Willst du das?«

      Eleni schüttelte energisch den Kopf.

      »Na, siehst du, mein Liebling. Mamá wischt dir jetzt den Schweiß von der Stirn und dann bist du ein braves Mädchen. Was soll ich denn ohne dich machen? Du willst mich doch nicht ganz allein lassen? Wir haben nun mal keinen bampás (Papa), weil der nichts von uns wissen wollte und bald nach deiner Geburt das Weite gesucht hat. Aber wir beide schaffen das schon. Nur wenn du jetzt auch noch gehst … «

      »Ich will ja nicht gehen. Wo soll ich denn hin?«

      »Gehen heißt auch, dass jemand stirbt. Aber das darfst du nicht, hörst du? Sonst will ich auch nicht mehr leben.«

      »Ich will ja nicht sterben, mamá, aber mir ist immer so schlecht, und ich habe solche Schmerzen.«

      »Ich