Название | Rosen und Tränen |
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Автор произведения | Heike Schultze |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738009484 |
Sandi war mehr als überrascht. Daniel war ja schon einen Kopf kleiner als sie, aber dieser Junge war ein Zwerg dagegen!
„Ich werde’ sie schon mal für dich testen, ob sie auch willig genug für uns ist!“ Ehe Sandi es verhindern konnte, hatte sie dieser Winzling umarmt und drückte sie fest an sich. Man sollte gar nicht glauben, was für eine Kraft er hatte. Nun begann er auch noch damit, sie überall zu betatschen. Sandi hatte sich noch immer nicht von ihrer Überraschung erholt und konnte sich deshalb auch gar nicht wehren. Aber die Situation war ihr sichtlich unangenehm!
Nun griff jedoch Daniel ein und stieß den Kleinen von ihr weg. „Lass gefälligst deine Pfoten von ihr, sonst gibt’s eine platte Nase!“
Daniel trat noch einen Schritt auf ihn zu und der Zwerg drehte sich schnell um und rannte zur Haustür hinaus. Daniel sah Sandi nun entschuldigend an. „ Tut mir leid! Das war mein kleiner Bruder Axel. Er ist elf und in dem Alter ist er echt lästig!“
Sandi hatte sich nun endlich von ihrer Überraschung erholt und lächelte Daniel an. Er war ja eigentlich selber nur ein Jahr älter als sein Bruder, doch auf sie machte er schon einen sehr viel reiferen Eindruck.
Nun stellte Daniel ihr erst den Rest der Familie vor. Außer seinem Vater und dessen Freundin Emilia, die gerade an der Arbeit waren. In dieser Zeit wurden die Kinder dann von Daniels Großeltern betreut. Seine Großmutter war eigentlich sehr nett, aber sie konnte auch schnell sehr streng werden, wie Sandrine bald feststellte. Wahrscheinlich lag das an ihrer Behinderung. Sie saß nämlich im Rollstuhl. Bei einem Unfall hatte sie beide Beine verloren und musste nun stündlich mit Schmerzspritzen behandelt werden.
Daniels Großvater war ein stiller und mürrischer Mensch, der Sandi mit verkniffenem Blick musterte. Sie fühlte sich sehr unwohl in seiner Gegenwart.
Außer seinem missratenen Bruder hatte Daniel noch drei jüngere Schwestern, mit denen sich Sandi auf Anhieb gut verstand!
Kora war mit acht Jahren die Älteste und auch die Vernünftigste. Sie war ein stilles Mädchen, das über sein Buch gebeugt am Küchentisch saß und Sandi nur kurz zunickte.
Claudia war sieben Jahre alt und ein quirliges wildes Kind. Sie begrüßte Sandi besonders herzlich und Sandi fand sie sofort am nettesten.
Die Kleinste war Cosima mit ihren fünf Jahren. Sie war als einzige nicht so schlank wie die anderen, aber das konnte man ruhig noch in die Kategorie Babyspeck einordnen. Sie war einfach ein richtig süßes Püppchen und Sandi war von ihr einfach angetan.
Alle Geschwister sahen sich unheimlich ähnlich. Alle hatten dieselben schwarzen Haare und auch dieselben tiefblauen Augen.
Nach dieser Vorstellung zeigte Daniel ihr nun endlich sein Reich im oberen Teil des Hauses. Er hatte hier eine eigene kleine Wohnung, die allerdings auch ziemlich renovierungsbedürftig aussah. Die Wohnungstür hatte kein Schloss und die beiden Räume, die Daniel bewohnte waren nur durch einen Vorhang, der an zwei eingeschlagenen Nägeln hing abgeteilt. Der hintere Raum war sein Schlafzimmer und der Vordere eine Art Wohnzimmer.
Hier stand an der einen Wand eine zerschlissene Couch, ihr gegenüber ein zerkratzter, wackeliger Tisch und davor ein alter Stuhl. In einer Ecke des Raumes stand noch ein halb kaputter Kleiderschrank. Das ganze Zimmer war übersät mit herumliegenden Kleidern und an den Wänden hingen Zirkusplakate und verschiedene Zeitungsausschnitte.
„Tut mir leid, aber ich kam noch nicht zum Aufräumen!“ entschuldigte er sich. Sandi fragte sich, ob er jemals zum Aufräumen kam. Daniel raffte einige Kleidungsstücke zusammen und warf sie einfach auf die andere Seite des Vorhangs. Es war ihm sehr peinlich, dass es hier so schlimm aussah. Sandi grinste. Sie sah sich nach einem Sitzplatz um und setzte sich schließlich auf die Couch, da ihr der Stuhl nicht besonders Vertrauenserweckend aussah. Daniel hatte seine Aufräumarbeiten erledigt und setzte sich nun neben sie.
Schweigend saßen sie nun eine Weile so da und sahen sich einfach nur tief in die Augen. Sie wurden in diesem Augenblick zum ersten Mal von einem Zauber umfangen, der sie ein Leben lang nicht mehr loslassen sollte. Knisternde Spannung lag in der Luft und Beiden fiel das Atmen schwer. Es war kaum auszuhalten, aber Sandrine fand das Gefühl wunderschön. Sie vergaß die Zeit und den Ort, wo sie sich befand und wollte, dass dieser Augenblick nie endete. Sie hatte sich noch nie so wohl gefühlt wie jetzt bei Daniel und sie wollte nie wieder woanders sein!
Langsam beugte sich nun Daniel zu ihr herüber und diesmal zuckte Sandi nicht zurück. Seine Lippen berührten die ihren nun zum ersten Mal ganz zart und es war für Sandi wie ein elektrischer Schlag. Ein wohliger Schauer durchlief sie. Es war ihr erster richtiger Kuss und obwohl es nur wenige Sekunden gedauert hatte, fand sie es einfach wunderschön. Ihr erschien es so, als seien Stunden vergangen. Sie hatte die ganze Zeit nicht gewagt zu atmen und brauchte nach diesem Kuss einige Minuten, um sich wieder zu fangen. Sie war noch wie erstarrt und zitterte noch am ganzen Körper in einer für sie noch unbekannten Erregung. Was sie in sich fühlte, war so fremdartig, aber trotzdem schon so intensiv, dass es sie überall erfasste. Sie wollte dieses Gefühl nie wieder verlieren und als es drohte schwächer zu werden, fieberte sie regelrecht Daniels nächstem Kuss entgegen. Diesmal berührten sie seine Lippen heftiger und dauerhafter. Sandi erwiderte den Kuss mit einer Heftigkeit, die sogar Daniel überraschte.
Viel zu schnell verflogen auf diese Weise die zwei Stunden, die sie zusammen sein konnten. Bald war es für Sandi Zeit zu gehen. Sie musste zu Hause noch ihr Fahrrad holen. Daniel begleitete sie noch bis hinunter zur Haustür. Dort sahen sie sich ein letztes Mal tief in die Augen. Der neuartige Zauber, der sie beide eingefangen hatte umfing sie wieder und sie wagten nicht, ihn durch einen letzten Kuss zu zerstören.
Sandi wollte noch nicht gehen. Sie verfluchte innerlich die ganze Jugendgruppe und diese dämliche Radtour. Warum musste sie da nur mitmachen? Als diese Tour beschlossen worden war, hatte sie gerne zugesagt, denn da gab es in ihrem Leben noch keinen Daniel. Aber jetzt?
Plötzlich kam ihr eine Idee! „ Willst du nicht einfach mitkommen auf die Radtour?“
Daniel sah sie an. Seine Augen leuchteten und er brauchte nicht lange zu überlegen. „Klar, wenn ich darf und es dir nichts ausmacht, dass ich nur eine alte Klapperkiste als Fahrrad habe?“
„Na, Hauptsache es fährt, oder? Wir sehen uns dann also in einer halben Stunde vor der Kirche. Von da geht’s los!“
Sandrine winkte ihm noch mal zu und lief los. Der Tag, der so wunderbar für sie beide begonnen hatte, war doch noch nicht vorbei!
Zu Hause zog sie sich ihren neuen knallgelben Jogginganzug an und legte etwas Make-up auf. Sie tat das sonst so gut wie nie, denn bisher gefiel sie sich natürlich besser. Aber heute wollte sie besonders hübsch sein. Ihr war plötzlich überhaupt nichts mehr egal.
In Windeseile war sie fertig, schnappte sich ihr Fahrrad, das sie liebevoll „Felix“ nannte und machte sich auf den Weg zur katholischen Kirche.
Dort warteten bereits die Mitglieder der Jugendgruppe mit ihren Fahrrädern auf die Leiterin Carmen Verhoeven. Die war noch im Gemeindehaus neben der Kirche und suchte ihre Sachen zusammen. Sandis beste Freundin Babette Schlüter war auch schon da. Seit der ersten Klasse waren die beiden Mädchen unzertrennlich und teilten Freud und Leid miteinander. Heute sah Babette ihre Freundin aber missbilligend an. „Sag mal, bist du in einen Farbkasten gefallen?“
Babette schüttelte den Kopf. Sandi sah sie erschreckt an. „So schlimm sieht es doch hoffentlich nicht aus, Babsi? Oder?“
„Na, ich weiß nicht! Ist nicht gerade dezent für eine Radtour mit der katholischen Jugendgruppe. Wieso hast du dich denn ausgerechnet heute so furchtbar aufgerüscht? Ist doch sonst nicht deine Art!“
Sandi lächelte ihre Freundin geheimnisvoll an und stieß einen tiefen Seufzer aus. „Ich habe einen Freund! Seit Freitag!“ Babette zog die Augenbrauen hoch. Sie war zwar Sandrines beste Freundin, aber sie nahm trotzdem nie ein Blatt