DAS GESCHÄFT - TEIL 1. Christoph Hoenings

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Название DAS GESCHÄFT - TEIL 1
Автор произведения Christoph Hoenings
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847644453



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Servietten auf den Schössen der Gäste aus, ein weiterer verteilte Brot auf die Seitenteller, ein dritter servierte aus einer Karaffe eisgekühltes Wasser.

      Einer brachte die Aperitifs.

      Der Ober verteilte riesige, in Leder eingebundene Speisekarten. Garcia war sicher, dass nur auf der Karte, die Kinzel in den Händen hielt, Preise verzeichnet sein würden.

      Sie prosteten sich zu, Graf sagte etwas, und alle lachten.

      Oberst Garcia zahlte beim Barkeeper seinen Whisky-Sour und machte sich auf den Heimweg.

      Ein solches Leben würde er auch bald führen!

      ---

      Roxana Torreblanca erkannte Graf in dem Moment wieder, in dem er die Bar betrat.

      Ihr Herz klopfte bis zum Hals.

      Er war in Begleitung des Paares, mit dem sie ihn vor dem Restaurant gesehen hatte. Alle drei setzten sich an einen Tisch in Roxanas Nähe.

      Seit sie Graf auf dem Parkplatz vor der Tortuga Loca gesehen hatte, war sie nervös. Sie war nervös gewesen auf der Heimfahrt, sie war nervös gewesen, während sie sich zuhause zurecht gemacht hatte. Sie war nervös gewesen, als sie zum Hotel gefahren war und nervös, seit sie hier in der Bar wartete. Sie hatte dreimal Pipi machen müssen. Roxana fand Graf nicht schön! Aber sie fand ihn attraktiv.

      Roxana hörte, wie Graf und das Paar sich unterhielten. Es klang wie auf den Tonbändern, die Carlos Garcia im Büro abhörte.

      Sie sah zu, wie der Kellner Getränke servierte, für den Mann einen Whisky, für die Dame einen Cocktail und Weißwein für Graf. Sie prosteten einander zu.

      Roxana sah sich um. Der Mann an der Bar, der sie vorhin schon angegrinst hatte, schielte immer noch zu ihr herüber, unterhielt sich jetzt aber laut auf Englisch mit dem Barkeeper. Ansonsten waren noch drei Paare in der Bar sowie eine Vierergruppe, die sich angeregt unterhielt.

      Roxana wusste, sie sah gut aus in ihrem enganliegenden schwarzen Kleidchen mit Minirock. Trotz der sommerlichen Wärme draußen trug sie schwarze Strumpfhosen, und sie war froh, diese angezogen zu haben. Die Bar war stark klimatisiert. Es war kühl hier, und sie fröstelte mit ihren kurzen Ärmeln. Roxana trug ihr Haar offen. Sie wusste, sie hatte wunderschönes Haar, dick und pechschwarz.

      Sie sah, dass Graf zu ihr herüberblickte, und sie wich seinem Blick nicht aus. Er schaute ihr einen Moment lang über zwei Tische hinweg direkt in die Augen. Dann verzog sich sein Mund zu einem ganz winzigen Lächeln.

      Roxana atmete tief durch. Na also.

      Sie musterte Graf weiterhin. Er war kahl, wie Garcia ihr gesagt hatte, aber sie konnte erkennen, dass er seine Haare wegrasiert hatte. Er hatte, fand sie, einen schönen Kopf. Außerdem schien er witzig zu sein. An dem Tisch wurde reichlich gelacht. Graf hatte etwas schalkhaftes in seinen Augen, die manchmal belustigt blitzten. Dabei war sein Gesicht fast die ganze Zeit ernst.

      Roxana fand ihn sehr elegant, mit grauer Hose und dunkelblauem Blazer. Dazu trug er ein hellblaues Hemd und eine einfarbige dunkelblaue Krawatte.

      Als der Kellner kam, bestellte Roxana noch einen Planter´s Punch.

      Graf blickte zu ihr herüber. Wieder das gleiche Spiel, Blickkontakt für zwei, drei Sekunden und dann das fast unmerkliche Lächeln.

      Roxana fragte sich, ob Graf ein guter Liebhaber sei. Garcia rammelte immer nur hastig und kam schnell zum Höhepunkt. Wenn sie sich nach den Beischläfen Garcias nicht noch selbst streichelte, wäre das Ganze unerträglich. Aber Garcia hatte ihr den Job beim Dienst verschafft, hatte dafür gesorgt, dass sie gut bezahlt wurde, besser als viele Angestellte in der Behörde. Sie konnte von ihrem Einkommen ihr Häuschen bezahlen, sogar ein Auto hatte sie. Sie war sicher, wenn ihr Verhältnis mit Garcia endete, würde er dafür sorgen, dass ihr gekündigt würde. Als ihre Eltern verhaftet worden waren, war Roxana nach Lima gebracht worden, nur mit einem Koffer mit ihren Habseligkeiten. Damals war sie sechzehn. Ein Verwandter ihres Vaters hatte sie nach ihrer Ausbildung als Sekretärin im Gesundheitsministerium untergebracht. Dort hatte sie fünf Jahre später, als er wegen einer persönlichen Angelegenheit vorsprach, Garcias Aufmerksamkeit erregt. Garcia hatte sie eingeladen, in seine Abteilung ins Verteidigungsministerium zu kommen und ihr gleich klargemacht, was er außerdienstlich von ihr wollte.

      Es hatte Roxana ausgesprochen überrascht, als Garcia ihr die Aufgabe für den heutigen Abend beschrieb. Sonst war er eifersüchtig bis dort hinaus und stellte sich an, wenn sie mit Freundinnen ausging oder über das Wochenende wegfuhr! Und jetzt forderte er sie auf, einen wildfremden Mann anzusprechen! Es musste ihm viel daran liegen, Señor Graf auszuhorchen. Für solche Aufgaben gab es geschulte Leute. Aber er hatte sie hinzugezogen! Sie wunderte sich vor allem, dass er trotz seiner Eifersucht nicht dabei war heute Abend. Wahrscheinlich hatte er seiner Frau versprechen müssen, zeitig zuhause zu sein. Vor seiner Frau, das wusste Roxana, hatte Garcia Heidenangst. Aber seit sie am Abend Graf auf dem Parkplatz gesehen hatte, auch wenn es nur für wenige Augenblicke war, als alle in das Restaurant gingen, hatte Roxana inständig gehofft, Gelegenheit zu bekommen, diesen Mann kennenzulernen.

      Wieder ein Blick von Graf, wieder dieses kleine Lächeln.

      Plötzlich schreckte sie auf, weil sie angesprochen wurde. Vor ihr stand, mit einem Glas Whisky in der einen und einem Glas Planter´s Punch in der anderen Hand der Mann, der an der Bar gesessen hatte, und fragte:

      "Miss, kann ich Sie zu einem Drink einladen?"

      Im selben Moment standen Graf und das Paar vom Tisch auf und gingen zum Ausgang. Graf drückte im Rausgehen dem Kellner einen Geldschein in die Hand, blickte zu Roxana herüber und lächelte sie kurz und amüsiert an.

      Dann verließen alle drei die Bar.

      ---

      "Was hast du überlegt?" fragte Liliana ihren Mann, während sie im Auto nach Hause fuhren. „Beim Abendessen sah es so aus, als ob du die ganze Zeit gegrübelt hättest."

      "Habe ich auch. Ich habe überlegt, wie ich ein Gespräch zwischen Präsident Scaloni und Graf auf die Reihe bringe. Graf will zu Scaloni, bevor er überhaupt etwas tut. Er will hören, dass Scaloni das Projekt unterstützt. Wir kennen zwar die Scalonis, aber nicht gut genug. Ich brauche jemanden, der offen mit Scaloni sprechen kann und dem er vertraut. Schließlich muss er sicher sein können, dass alles im engsten Kreise bleibt. Am liebsten wäre mir Carlos Bustamante. Er ist Scalonis Weggefährte. Sie waren gemeinsam auf der Universität und haben zusammengeklebt wie Pech und Schwefel. Als Scaloni Bürgermeister von Lima war, hat er Bustamante Aufträge zugeschanzt, irgendwas mit Telekommunikation und Straßenbau. Bustamante hat im Gegenzug Scalonis Wahlkampf bezahlt. Scaloni hat Bustamante, kaum, dass er seinen Amtseid als Präsident abgelegt hatte, zum Minister für Fischereiwesen gemacht, eines der wichtigsten Ressorts. Bustamante wäre der Richtige, aber ich weiß nicht, wie ich an ihn herankomme."

      Liliana blickte Walter an.

      "Sofia?"

      "Deine Schwägerin?"

      "Sofia ist mit der Frau von Bustamante, Patricia, gut befreundet. Sie spielen Bridge und Tennis, und neulich waren sie zusammen in Miami zum Einkaufen. Ich rufe sie gleich an, wenn du einverstanden bist."

      "Das könnte die Lösung sein! Sie soll mir einen Termin mit Bustamante machen. Aber sei vorsichtig am Telefon! Ich fahre noch mal eben bei Rogerio vorbei, um von dem Gespräch mit Graf zu berichten. "

      ---

      Graf verabschiedete sich vor dem Hotelportal von Karin und Ludwig Kinzel, wartete aber, bis der Page das Auto vorgefahren hatte. Dann ging er zurück in die Bar. Die junge schwarzhaarige Frau saß noch auf ihrem Platz, immer noch allein. Sie war beschäftigt mit ihrem Mobiltelefon. Den Amerikaner hatte sie offenbar abblitzen lassen.

      Graf trat auf sie zu und sagte:

      "Señorita, entschuldigen Sie bitte, wenn ich Sie anspreche! Ich will keineswegs aufdringlich sein. Ich hatte eingehend Gelegenheit, Sie anzuschauen und wollte nicht zu Bett gehen, ohne Ihnen gesagt zu haben, dass Sie eine bemerkenswert anziehende junge Frau sind. Gestatten Sie