Der gelbe Himmel und die graue Ebene. Jörg Röske

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Название Der gelbe Himmel und die graue Ebene
Автор произведения Jörg Röske
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847675129



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      Dann drehte er seinen Kopf mit seinem schwarzen Schopf zurück, schaute hinunter zu den von vielen Wettern verwitterten Stufen und sah durch sie hindurch. Die Rüstung seiner Beine klapperte wieder, und mit der rechten Hand öffnete er die Eichenholztür zum Sturmfried. Nur diese Hand hatte einen Panzerschutz, und jedes Mal kratzte das Metall an dem Holz, das mit unzähligen Kratzern und Macken von des Ritters Begehr nach dunklem Ohnmachtsschutz erzählte.

      Als er in die Dunkelheit seines Sturmfrieds eintrat, war es, als sähe er für den Bruchteil eines Wimpernschlags ein grünes Schimmern, das ihn für dieselbe Zeitspanne irritierte. Die Dunkelheit des schwarzen Gesteins seines Turms und das aufgeschreckte Flattern der Fledermäuse ließen ihn schnell die Erinnerung an das grüne Licht nehmen. Tastsicher entzündete er mit einem Schwefelholzstück die Fackel.

      Das kleine warm scheinende Licht erfüllte den hohen und runden Raum und schuf eine sanfte, orangegelbe und dämmrige Atmosphäre.

      Jero legte seine Waffen ab, ging dann zu den Eichenholzfässern mit dem selbst gebrauten Bier und füllte einen Zinnkrug mit dem gelblich schimmernden Trank. Er setzte sich neben die Fässer auf den Ring aus Quadern, der entlang der Turmwand auf dem Boden angeordnet war und auf dem die Holzbehälter ruhten und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand.

      Nach dem Leeren des Krugs begann wieder jenes angenehme Duseln und Jero fühlte sich wieder wohl. Er füllte den Zinnkrug ein zweites Mal und stimmte seine Lieder an, die von früheren Schlachten und den holden Jungfrauen erzählten. Seine tiefe Stimme hallte durch den Turm, und die Fledermäuse beteiligten sich mit einem erneuten aufgeschreckten Flattern.

      Mit jeder weiteren Krugfüllung wurde des Ritters Gesang lauter und schauerlicher, und Jero weinte. In die Atmosphäre des das Turminnere verhalten füllende Licht rieselte ein wohltuender und goldener Regen der Müdigkeit und dem Trunkenen gelang es gerade noch, sich auf den Quaderring aus schwarzem Stein zu legen.

      Dann erklang ein schauriges Schnarchen, das durch den hohen Turmraum hallte und die Fledermäuse wieder flattern ließ. Durch die wenigen Schießscharten im Sturmfried schien das schimmernde Licht hinaus ins Dunkle der Nacht, und die Fackel war beim Aufgang der Sonne verglommen.

      Graue Horde

      Jero fiel von dem Quaderring und stieß dabei den ebenso darauf befindlichen und halb gefüllten Bierkrug um. Denn das Turmesinnere erzitterte, wurde gepeinigt von heftigen Schlägen, die von der Eichenholztür gnadenlos ins Düstere vom Sturmfried drangen.

      Noch benebelt - sein inneres Auge war von ordentlichen Schwaden eingehüllt - starrte er auf die Eichenholztür, die äußerst stabil war, das Poltern aushielt, denn Jero war ein guter Handwerker. Jedoch klapperte das Schloss bei jeder dieser grauenhaften Erschütterungen, und der Ritter sah im nächsten Moment die Verankerung des Riegels aus dem Mauerwerk springen. Gleichzeitig flog die Tür auf, und Jero sah die stumpfe Spitze eines Baumstamms, der im nächsten Moment nieder krachte. Dann stürzten Gestalten, die in graue Kutten gehüllt waren, in den Turm und begannen, auf den noch auf dem Steinboden liegenden und auf den linken Arm sich stützenden Ritter einzupeitschen. Doch mit diesen Schmerzzufügungen, gegen die sich Jero mit erhobenem rechten Arm und unbewusst mit seinem Kettenhemd wehrte, begnügten sich die grauen Gestalten nicht. Sie begannen nun, den Ritter festzuhalten und mit den Lederpeitschen zu fesseln. Mit schmerzverzerrtem Gesicht, auf dem einige blutende Striemen ruhten, sah Jero, was diese widerlichen Kuttenwesen mit ihm machten.

      Da versuchte er, seine Arme zu bewegen und die Angst in dieser Enge, brachten den Ritter in Bewegung. Er wand sich, kickte mit seiner Stirn den Kopf eines dieser Fesselnden weg und rollte mehrmals über seinem Boden hin und her. Die Gestalten wichen zurück, und Jero erhob sich, denn die Beine waren frei, hatten sich während des Rollens von den umgelegten und noch nicht zusammengebundenen Peitschen entledigt.

      Die Grauen wollten nun erneut sich des Ritters bemächtigen, doch sie zögerten, denn er war so viel größer als sie. Diesen Moment nutzte Jero, um seine hinter dem Rücken gefesselten Hände vor die Brust zu bringen, indem er seine Beine nacheinander und angewinkelt durch die durch seine beiden Arme gebildete Schlinge hindurch zog. Kaum war es gelungen, waren sie schon wieder heran und hatten ihn fast umgeworfen. Doch der Ritter hatte mit seinen Händen eine gemeinsame Faust gebildet und schlug damit und mit seinen Armen in die Gesichter und auf die Körper der Grauen. Es waren fünf - Jero hatte nun den Überblick - und die um ihn verharrenden Humpelnden und Blutenden - sie überlegten eine neue Strategie - sahen, wie der Ritter sich zu seinen Waffen bückte.

      Sofort griffen sie mit ungeahntem und Ekel erregendem Geschrei und mit schwingenden Peitschen an. Da flog der erste Graukuttenkopf, zog einen Blutschweif hinter sich her. Schreie anderer Art erklangen, durchhallten das Turmesinnere, und Jero bemerkte erst jetzt das aufgeregte Flattern der Fledermäuse, denen es nicht gelang, ein Auge zuzudrücken. Zwei der Wesen spürten den blanken und mattgrauen Stahl des Ritters Schwert, und die übrigen zwei ergriffen die Flucht. Jero verfolgte sie und streckte sie mit seinem Morgenstern am Burgtor nieder.

      Der Ritter - inzwischen bar der Fesseln an seinen Händen - brachte die leblosen Körper nach draußen vor die Burg und vergrub sie, hinein in die graue Ebene. Dann wusch er das Blut von den Steinen seines Turms und von denen am Tor. Während dieser Zeit empfand er nichts, denn er war einst einer von ihnen gewesen.

      Himmel

      Zur Zeit der Mitte des lichten Tages stach die Sonne, und Jero schwitzte unter seiner Rüstung. Er fühlte keine angenehme Wärme, sondern eine Hitze, die sein Inneres ruhelos in ihm sich drehen und wälzen ließ.

      Glücklicherweise hatte er die letzten Schaufeln Sand der Ebene bewegt und sah nun - nach einer eintönigen und beruhigenden Arbeit - zur schwarzen und präzise gestalteten und eckigen Silhouette seiner Burg. Bevor die unangenehme Hitze sich zu einem Grad der Unerträglichkeit steigern würde, kehrte er in die Kühle seiner Burg zurück. Das Abwaschen der schwarzen Steine war recht zügig verlaufen, denn nachdem der Ritter ein Minimum an Blut entfernt hatte, bemerkte er die gewaltige Resistenz des Rests, der unweigerlich verblieb. Jero war angenehm überrascht und integrierte den getrockneten Lebenssaft als Signum seiner wehrhaften Brutalität - Warnung für weitere.

      Dann überließ er den Wasserkübel mit dem Baumwolltuch sich selbst und stieg die Steintreppe innerhalb vom Sturmfried hinauf und horchte hinaus. Da spürte er wieder das Drückende des oberen Himmels, das tief gelb und von der unbarmherzigen Sonne gespeist über der Ebene lastete. Der untere Himmel, in dem Jero lebte und in seinem kleinen, schwebenden Segelschiff von Zeit zu Zeit dahertrieb, war angenehmer und milder.

      Der Ritter entledigte sich seiner Rüstung, zog das schwere Kettenhemd aus, schnallte die Blechteile von seinen Beinen ab und befreite sich von den langen Gürteln seiner Waffen.

      Da stellte er sich wieder an die säumende Mauer, legte seine Hände auf den warmen Stein zwischen zwei Zinnen und spürte einen kühlenden und wohltuenden Luftzug. Jero schloss genießend die Augen, fühlte sich leichter und befreit vom notwendigen Metall, das ihn vor den Anschlägen der Täglichkeit schützte. Dabei vernahm er das leise Knattern des Gebälks und der Stricke und Seile seines Segelschiffs, das vertäut am Sturmfried lag, sich im Luftmeer sanft hin und her wog.

      Jero bemerkte, dass er für einen kurzen und unbedachten Moment eingenickt war, wankte duselnd von der Zinnenmauer weg und legte sich auf den Boden aus schwarzem Stein.

      Die Kühle des späten Abends weckte den Ritter und er fröstelte. Unwillkürlich richtete er sich auf und tastete - sich auf den rechten Arm stützend - nach innerer Orientierung. Es gelang ihm nicht, und es dauerte eine geraume Weile, bis er seinen Blick erhob und die dunkelblauen Wolken sah. Ein kleines Quantum Frische ließ den Ritter auf die Beine kommen, und in der Ferne sah er den letzten Hauch des lichten Tages.

      Jero roch in den wohltuenden Abendwind hinein und genoss dessen Würze. Allmählich gewann des Ritters innere Substanz an Form und Gestalt, und er schritt die Zinnenmauer entlang. An seinem Schiff angekommen, dessen Deck sich nur wenig unter dem Mauerrand befand, bedachte er es mit einem prüfenden Blick und setzte dann seinen Weg fort.