Homo sapiens movere ~ gejagt. R. R. Alval

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Название Homo sapiens movere ~ gejagt
Автор произведения R. R. Alval
Жанр Языкознание
Серия gejagt
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738002973



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Augen und erkannte mit Genugtuung, dass er mich mit Blicken verschlang.

      Kurz darauf drehte er die Brause ab und griff nach einem großen Handtuch, in das er mich einwickelte und aus der Wanne hob. Keinerlei Kraftanstrengung für ihn. Als wöge ich nicht mehr als ein Wollknäuel. Er hielt mich eine Spur zu lang fest, ehe er begann, mich mit kreisenden, sanften Bewegungen trocken zu rubbeln. Daran könnte ich mich durchaus gewöhnen.

      Ein zufriedenes Seufzen kroch aus meinem Mund.

      Dann erinnerte ich mich jedoch, wo ich war, wer hinter mir stand und was ich ihm zu sagen hatte. „In einer halben Stunde ist es soweit.“ Ich nickte und griff nach dem kleinen Handtuch, das er wie einen Turban um meinen Kopf geschlungen hatte. Alan drehte mich zu sich herum, wobei er das große Handtuch von meinen Schultern gleiten ließ. Er streichelte meine Schultern und meine Arme, über die sofort eine Gänsehaut krabbelte.

      Begleitet von winzigen Funken meiner Energie.

      Schließlich umfing er meinen Nacken. Ganz langsam beugte er sich vor, strich sanft mit den Lippen über meine, und ich gab mich für den Moment dieser Zärtlichkeit hin. Wer weiß, wie viel Zeit uns noch blieb.

      Warum sollte ich mich länger gegen diese Anziehungskraft wehren?

      Ich mochte ihn.

      Ein wenig.

      Was er für mich empfand, wusste ich nicht.

      Noch nicht.

      Ich hoffte, dass mir genug Zeit blieb, es herauszufinden. Ziemlich schwachsinnig, oder?

      Ich öffnete meine Lippen, die er mit seiner Zunge um Einlass bat und gab mich völlig dem Gefühl hin, welches mich dabei durchströmte. Alan küsste verdammt gut. Bisher hatte er mich jedes Mal verschlungen. Doch diesmal lag eine sanfte Intensität darin, die ich von ihm nicht gewohnt war. Schwer atmend löste er seine Lippen von meinem, zog mich enger an sich, so dass ich seine pulsierende Erregung deutlich spürte, vergrub sein Gesicht an meinem Hals, atmete tief meinen Duft ein und schob mich schließlich langsam von sich.

      Sein Blick war vor Begierde verschleiert.

      Seine Augen dunkel vor Verlangen.

      „Du solltest dich anziehen.“, sagte er mit einer Stimme, die einige Nuancen tiefer als gewöhnlich war. Zögernd trat Alan einen Schritt zurück, schloss kurz die Augen, atmete angespannt aus, drehte sich um und verließ das Bad.

      Ich fragte mich, ob er unter anderen Umständen diese Chance genutzt hätte. Wahrscheinlich. Das Ritual war jedoch wichtiger als sein Verlangen.

      Oder meines.

      Dass ich ihn ebenso wollte, konnte ich nicht abstreiten. Leider passte dieses Begehren überhaupt nicht in mein Konzept. Besonders nicht, weil er gedachte, mich zu heiraten. Dabei hatte er mir nicht mal einen Antrag gemacht, sondern holterdiepolter meinen Vater um meine Hand gebeten.

      Sehr, sehr altmodisch.

      Als hätte ich kein Wörtchen mitzureden.

      Vermutlich hatte ich das in seinen Augen auch nicht. Tja, ich würde ihn eines Besseren belehren. Ich wollte meinen Spaß haben, mich aber keinesfalls binden.

      Nicht sofort.

      Und nicht an ihn.

      Denn falls ich jemals heiratete, dann nur einen Mann, der mich nicht nur vor Leidenschaft glühen ließ, sondern dem ich vertrauen konnte.

      Den ich liebte.

      Der dasselbe für mich empfand.

      Sofern ich überhaupt so lange lebte.

      Nach dem Ritual, was ohne Zwischenfälle ablief, fühlte ich mich derart beschwingt und zufrieden, dass ich vergaß Alan, in das Geschehen der vorangegangenen Nacht einzuweihen. Erst als ich wieder daheim war, erinnerte ich mich an mein Vorhaben. Natürlich hätte ich bei Alan übernachten können. Ich wusste nur zu genau, dass dort eins zum anderen gekommen wäre. Doch da ich keinerlei Ambitionen verspürte an den Feierlichkeiten nach dem Fest teilzunehmen, war ich Alans Anziehungskraft entkommen.

      Bevor es zu spät gewesen wäre.

      Noch immer fühlte ich mich berauscht von den Vorgängen des Rituals. Das gemeinschaftliche Denken und Empfinden summte in mir wie ein nachhallendes Echo. Ein bisschen, als wäre ich beschwipst.

      Seltsam, dass ich mich nicht erinnerte, dasselbe im Dezember gefühlt zu haben.

      Vielleicht, weil ich damals zu bedrückt gewesen war.

      Sowohl über Lauras Tod als auch wegen Alans Verrat. Freilich hatte ich damals nicht ansatzweise geahnt, wie weitreichend der tatsächlich war.

      Mit einem verklärten Lächeln im Gesicht schwebte ich durch die untere Etage und bereitete mein verspätetes – sehr, sehr spätes – Abendbrot zu, das wenig kalorienarm ausfiel. Dann packte ich die riesige Portion Pommes samt Steak und Bohnen auf meinen Teller und trabte – immer noch das dümmliche Grinsen im Gesicht – in meine Wohnstube, in der ich es mir vor dem Fernseher bequem machte. Nachdem ich das Essen regelrecht verschlungen hatte, holte ich mir eine Flasche Rotwein, köpfte sie und befüllte ein Glas bis zum Rand. Im Fernsehen lief nichts Gescheites.

      Wie so oft.

      Kurzerhand warf ich eine DVD in den Player. Altmodisch, ich weiß. Klar verfügte ich auch über Video-Bild-Speicher-Chips, die mit jedem gängigen Fernsehgerät abgespielt werden konnten. Aber die meisten Filme für die ich schwärmte, gab es nicht auf VBSCs. Nun ja, gäbe es schon. Ich müsste sie lediglich auf den PC überspielen und von diesem auf die Chips. Doch insgeheim war ich stolz auf meine Sammlung alter DVDs und den alten Player, der gut und gerne 150 Jahre auf dem Buckel hatte. Dank meiner Fähigkeiten als movere lief er immer noch wie am Schnürchen. Und dank eines guten Bekannten – ebenfalls ein movere – blieben auch die DVDs intakt.

      Warum also sollte ich mir die Mühe machen und die Daten übertragen?

      Die Entspannung ließ nicht lange auf sich warten.

      Tatsächlich war ich so entspannt, dass ich schon nach einer halben Stunde auf meiner Couch einschlief. Bestimmt hätte ich bis zum Morgen durchgeschlafen. Wären nicht gegen drei zwei meiner Scheiben zu Bruch gegangen.

      Durch Ziegelsteine.

      Hey, ich war schnell und sogar nahezu graziös für jemanden, der aus dem Tiefschlaf gerissen wurde!

      Aber leider nicht schnell genug.

      Ehe ich von der Couch aufgesprungen war, meinen Herzschlag in Schwung brachte, meine Augen dazu animierte aufzuklappen, dank meiner Gabe das Licht anmachte und mich vorsichtig zur Fensterfront bewegte, um auf keinen Splitter zu treten, war das Auto längst außer Sichtweite. Zu schade, dass ich weder fliegen noch teleportieren konnte. Ansonsten wäre ich jetzt der Beifahrer dieses dämlichen Steinewerfers und würde ihm, sobald er anhielt, die Scheiße aus dem Spatzenhirn prügeln.

      Fassungslos fluchend besah ich das Schlamassel.

      Was für ein Timing!

      An jedem anderen beschissenen Tag waren mehrere Rudelleute abgestellt, um mein Haus im Auge zu behalten. Nur heute nicht.

      Wegen des Rituals.

      Entweder wusste der Steinewerfer das oder hatte abgewartet, bis niemand mich bewachte. Wozu hatte ich die Fenster neu einsetzen lassen?

      Richtig!

      Weil Holz nicht durchsichtig war.

      Aber das war verdammt nochmal bruchsicher!

      Schnaubend, fluchend und mir tausende Folterarten für diese blöde Arschgeige ausdenkend, die fremder Leute Eigentum zerstörte, machte ich mich daran das Chaos zu beseitigen. Die Steine entsorgte ich mit spitzen Fingern in eine Mülltüte, die ich mit Klebeband verschloss und anschließend in die Mülltonne verfrachtete.

      Wer zum Henker musste ständig meine Scheiben einwerfen? Noch dazu mit Ziegelsteinen, die in Metha getränkt waren und Alan so richtig durchdrehen lassen würden? Diesmal würde