Название | Liebe ist tödlich |
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Автор произведения | Tessa Koch |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742758057 |
„Na, sind wir auch endlich mal da, Flower-Girl?“ Stella sieht zu ihr auf, in dem Kraulen von Sir Wingston innehaltend, was diesem nicht zu gefallen scheint. Ihre blauen Augen blitzen schelmisch, doch Lela glaubt, auch etwas anderes in dem Blick ihrer besten Freundin zu lesen.
Dennoch muss sie ungewollt zurück grinsen. „Ja, endlich. Kaum zu glauben, wie viele Menschen immer Blumen, Gestecke und was weiß ich nicht alles haben wollen. Ich war den ganzen Tag nur am Tun und Machen.“
Stella lächelt schief und ihre blonden Locken fallen ihr in die Augen. Ein dunkler Schatten huscht über ihr Gesicht und lässt ihr Lächeln kurz flackern. „Das sieht dir ähnlich. Im Kühlschrank steht Nudelsalat, den habe ich vorhin gemacht, um mich … zu beschäftigen, irgendwie. Man kann ihn sogar essen, würde ich sagen, also wenn du magst, kannst du dir gerne etwas nehmen. Du hast bestimmt Hunger.“
Lelas Bauch knurrt laut, so als wolle er Stellas Worte unterstreichen. Sie müssen beide grinsen. „Ich bin sofort wieder da“, verkündet Lela und erhebt sich wieder vom Sofa. Kurz streicht sie Sir Wingston über den Kopf, der verträumt auf einem einzelnen Hälmchen kaut, dann verlässt sie das Wohnzimmer und geht in die Küche, um sich etwas zu essen zu holen. Das fröhliche Gelb der Wände hebt ihre Laune augenblicklich, ebenso wie der kleine Kräutergarten, den sie auf dem Fensterbrett züchten und der gut zu gedeihen scheint.
„Hast du schon von dem toten Mädchen gehört?“, ruft Stella ihr fragend hinterher.
Lela hält in dem Beladen ihres Tellers inne, mit einem Mal scheint ihr Hunger einen gewaltigen Dämpfer bekommen zu haben. „Ja“, erwidert sie nur und versucht dabei ganz normal zu klingen. Sie stellt den Nudelsalat zurück in den Kühlschrank und nimmt sich Messer und Gabel.
„Weißt du auch schon, wer sie war?“
Mit einem unguten Gefühl im Bauch geht Lela zurück in das Wohnzimmer. Stella sieht zu ihr auf, wieder ist da dieser Schatten, der über ihr Gesicht streicht. „Nein“, antwortet sie, nicht sicher, ob sie es überhaupt wissen will. Als sie sieht, wie sich Stellas Gesichtsausdruck verändert, ist sie sich sicher, es nicht wissen zu wollen.
„Es war Helen.“
Lela spürt, wie ihre Beine sie nicht mehr tragen wollen. Sie setzt sich auf das Sofa und starrt auf ihren Teller. Inzwischen ist ihr Hunger ganz vergangen. Sie spürt Stellas Blick auf sich, doch sie weiß, dass sie sich noch nicht genug gefasst hat, um ihn erwidern zu können. Helen, schießt es ihr durch den Kopf, mein Gott.
Obwohl sie und Stella erst seit vier Jahren hier wohnen, haben sie viele Bekannte und Freunde in der Stadt und auch in den umliegenden Dörfern gesammelt. Helen hat sie von Anfang an gekannt. Lela und sie sind vor Jahren auf einem der Dorffeste ineinander gelaufen, sodass sie sich gegenseitig mit ihren Getränken begossen haben. Daraufhin hat Helen sie mit in ihre nahe gelegene Wohnung genommen und Lela ein T-Shirt von sich geliehen, obwohl die beiden Frauen sich zu diesem Zeitpunkt nicht gekannt haben. Sie haben den Abend zusammen verbracht, sich gegenseitig Getränke ausgegeben und sich angefreundet. Von diesem Tag an haben sie ihren Kontakt zueinander stets gepflegt, haben sie doch immer nur ein paar Kilometer voneinander getrennt.
Und nun ist sie tot. Lela sieht wieder zu Stella auf, so ganz will diese Nachricht nicht zu ihr durchdringen. Sie will es nicht verstehen. Es wäre viel zu grausam. „Woher weißt du das?“ Ihre Stimme zittert leicht, es fällt ihr schwer sie unter Kontrolle zu halten.
„Sie haben es vorhin in den Nachrichten gesagt“, erwidert Stella traurig. Sie hat sich mit Helen ebenso gut verstanden wie auch Lela und erst jetzt scheint sie selbst zu verstehen, was ihre eigenen Worte bedeuten. „Es ist einfach schrecklich“, fährt sie leise fort, während Lela ihr unangetastetes Essen beiseiteschiebt. „Sie haben in den Nachrichten gesagt, dass sie schon seit Tagen tot ist. Sie wurde erschossen, geradezu hingerichtet. Mit mehreren Schüssen. Und sie soll gefoltert und vergewaltigt worden sein.“ Stella hält kurz inne. „Es ist einfach schrecklich. Ich wusste nicht einmal, dass eine Vermisstenanzeige rausgegangen ist. Ich habe keinen einzigen Gedanken mehr an Helen verschwendet, seit wir sie auf ihrem Geburtstag das letzte Mal gesehen haben. Ich dachte einfach, dass sie ihren Dingen hinter hängt und wir unseren, weißt du?“
Lela nickt abwesend, mit ihren Gedanken ganz woanders. Sie sieht das hübsche Gesicht von Helen vor sich, eine junge, fröhliche Frau, die gerade dabei gewesen ist Geschichte zu studieren. Dass sie nun tot sein soll, will Lela nicht verstehen. Helen ist erst vierundzwanzig gewesen, ein Jahr älter als Lela und Stella. Es hätte genauso gut eine von uns treffen können.
Mit diesem Gedanken im Hinterkopf erhebt Lela sich, nimmt stumm ihren Teller mit dem Nudelsalat und geht zurück in die Küche, um das Essen in den Mülleimer zu kippen. Der Appetit ist ihr vergangen.
Und er würde erst einmal nicht mehr zurückkehren.
Kapitel 4
Die nächsten Tage sind der reinste Horror. Die Nachrichtensender laufen heiß über die Ereignisse, die das Dorf erschüttert haben. Jeden Tag dringen durch die polizeiliche Nachrichtensperre immer mehr Details über den grausamen Mord an Helen Jakobit.
Inzwischen hat man herausgefunden, dass sie an dem fünften Schuss starb, der sie traf. Zuvor hat sie eine Kugel in die linke Schulter und drei weitere in die Brust, nahe ihrem Herzen, getroffen. Letztendlich ist sie an der letzten Kugel, einem Kopfschuss gestorben, der ihr das Gehirn regelrecht aus dem Kopf geblasen haben soll.
Doch neben diesem sind noch mehr schreckliche Dinge an die Öffentlichkeit gelangt.
Zum Beispiel ist bereits am nächsten Tag bekannt geworden, dass Helen nicht einfach nur zufällig entführt worden ist. Sie ist wochenlang vorher ausgekundschaftet und genauestens beobachtet worden. In einem alten Herrenhaus, nahe des Waldes, in dem ihre Leiche gefunden worden ist, hat die Polizei Dutzende Fotos und genaue Pläne über ihre zeitlichen Abläufe gefunden.
Wer auch immer ihr all das angetan hat, hat sie Wochen, wenn nicht sogar Monate zuvor auf Schritt und Tritt verfolgt. Und alles genauestens dokumentiert. Sei es bei ihren täglichen Erledigungen oder nachts in ihrer Wohnung, wenn sie vergessen hat die Vorhänge vor den Fenstern zuzuziehen.
Außerdem ist bekannt geworden, wie schrecklich ihre Gefangenschaft gewesen sein muss. Die Vermisstenanzeige, die ihre Mutter nach etwa zwei Tagen ihres Verschwindens aufgegeben hat, war bereits fünf Wochen alt. Helen muss sich über einen Monat in den Händen ihres Peinigers befunden haben. Und wie sich bei der Hausdurchsuchung ebenfalls gezeigt hat, muss sie unglaublich gefoltert und gequält worden sein. In dem Haus hat die Polizei eine Art Folterkammer gefunden, mit Handschellen, Fußfesseln, Peitschen, Messern und anderen Gegenständen, die sich zum Verletzen und Foltern eines Menschen eignen.
Auf manchen der Bilder ist sogar die Folterung von Helen festgehalten worden. Man hat sie geschlagen, getreten, ihren Körper mit Messern zerschnitten und sie vergewaltigt. Dabei wurde sie nicht nur <<normal>> vergewaltigt, sondern der Täter hat sie mit verschiedenen Gegenständen, wie Kleiderbügeln, Flaschen und Stiften vaginal sowie anal penetriert. Er hat sie gequält, immer und immer wieder. Es ist widerwärtig.
Neben der Folterkammer hat vor allem die Dunkelkammer die Aufmerksamkeit der Beamten erregt. Zum einen, weil sie erklärt, wie der Mann, der Helen entführt und ihr all das angetan hat, seine Fotos entwickelt hat – und zwar selbstständig. Und zum anderen, weil sie in den verschiedenen Becken, in denen sich noch einzelne Fotos befunden haben, Chemikalien gefunden haben, die man eigentlich nicht zur Fotoentwicklung braucht.
Heute Morgen haben sie in den Nachrichten gesagt, die Lela auf dem Weg zur Arbeit gehört hat, dass Helen Jakobit mit diesen Chemikalien verätzt worden sei. Vor allem ihre Augen hätten starke Verätzungen aufgewiesen, sodass man davon ausgehen könne, dass sie fast blind gewesen sei.
Lela machen diese Neuigkeiten krank. Und nicht nur das. Der Gedanke, dass der Kerl, wer immer er auch ist, noch immer