Die Schuld des Anderen. Edgar Wallace

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Название Die Schuld des Anderen
Автор произведения Edgar Wallace
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742759092



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      Eine lange Pause trat ein. Gold lehnte sich vor, schaute zum Fenster hinaus und bewegte in unregelmäßigen Zwischenräumen die Lippen.

      »Ich glaube, ich muß hier aussteigen«, sagte er dann plötzlich und bat den Chauffeur zu halten.

      Sie verabschiedeten sich, und Gold stieg aus. Nachdenklich folgte ihm Bell mit den Augen. Der Motor des Taxis war abgestorben, und der Chauffeur mühte sich mit dem Anlasser ab. Bell sah, wie ein Mann aus einer dunklen Seitenstraße auf Gold zutrat. Er kurbelte das Fenster herunter und hörte zu.

      »Sind Sie Mr. Gold?« fragte der Mann.

      »Ja.«

      »Sie sind hier verabredet?«

      »Woher wissen Sie denn, daß ich mich hier verabredet habe?« entgegnete Gold ärgerlich.

      »Das muß ich Ihnen wohl nicht erst erklären!« rief der Fremde böse.

      Gleich darauf hörte man einen scharfen Schuß.

      Bell sprang aus dem Wagen. Gold stand unverletzt an der Ecke der Seitenstraße. Der Mann, der geschossen hatte, war davongelaufen und in der Dunkelheit verschwunden.

      »Das war nur einer meiner Freunde«, sagte Gold liebenswürdig. Er bückte sich und hob die Pistole auf, die der Mann hatte fallen lassen.

      3

      Wentworth betrat an diesem Abend um elf Uhr die Victoria-Station und löste eine Fahrkarte nach Peckham Rye.

      Er steckte sich eine Zigarre an, ging langsam den Bahnsteig entlang und stieg in den wartenden Zug ein. Im Abteil schloß er die Tür, schaute durchs offene Fenster und beobachtete aufmerksam alle Leute, die vorbeikamen.

      Die Theater- und Kinovorstellungen waren um diese Zeit noch nicht zu Ende, und der Zug fuhr deshalb nur mäßig besetzt aus dem Bahnhof. Gold holte einen Brief hervor, den er erhalten hatte, bevor er an diesem Abend seine Wohnung verließ. Er las ihn mehrere Male sorgfältig durch, bis er den Inhalt auswendig kannte. Dann zerriß er ihn in kleine Fetzen, die er in Abständen zum Fenster hinauswarf.

      Das Attentat, das heute abend auf ihn verübt worden war, beunruhigte ihn wenig. Aber er wunderte sich darüber, daß der Mann, den er im Park hatte treffen wollen, nicht gekommen war.

      In Peckham Rye verließ er den Zug und ging zu Fuß zur Christal Palace Road. Vor einer größeren Villa blieb er stehen. Das Haus lag im Dunkeln, aber er wußte, daß man ihn erwartete. Er ging zur Tür, drückte auf die Klingel, und gleich darauf wurde ihm geöffnet.

      »Sind Sie Mr. Gold?« fragte eine weibliche Stimme.

      »Diese Frage wurde mir heute abend schon einmal gestellt«, sagte er und lachte.

      Die junge Dame schloß die Tür hinter ihm und half ihm beim Ausziehen seines Mantels.

      »Sie kommen spät«, sagte sie, und er hörte die Besorgnis aus ihrer Stimme.

      »Nun ja, ich wurde aufgehalten«, entgegnete er. »Wo ist Ihr Onkel?«

      Sie antwortete nur mit einem Seufzer, und er schüttelte den Kopf. Maple war zwar ohne Zweifel ein genialer Mann, aber auch bei ihm bestätigte sich wieder einmal die alte Wahrheit, daß Genialität nicht weit von Verrücktheit entfernt ist.

      Sie führte ihn durch einen dunklen Gang zu einer kleinen Küche, die an der Rückseite des Hauses lag.

      Ein großer, nachlässig gekleideter Mann saß vor einem Tisch. Er hatte die Hände in die Hosentaschen vergraben und starrte mit glanzlosen Augen vor sich hin. Die Tischplatte war mit Reagenzgläsern, Mikroskopen und wissenschaftlichen Apparaten bedeckt.

      Als die Tür geöffnet wurde, fuhr der Mann zusammen und hob abwehrend die Hand. Dann, nachdem er einen Blick auf seinen Besucher geworfen hatte, stand er auf.

      »Treten Sie doch bitte näher«, sagte er höflich. »Hol einen Stuhl, Verity.«

      Das Mädchen gehorchte.

      Gold folgte ihr mit den Augen – sie war wirklich, sehr hübsch. Ihr Haar glänzte wie Gold, und die feinen, geschwungenen Augenbrauen gaben ihrem Gesicht einen ganz besonderen Reiz. Etwas Schwermütiges, eine leichte Melancholie beschattete ihre großen graublauen Augen. Gold wandte sich ab, als er bemerkte, daß sie unter seinen prüfenden Bücken errötete.

      Maple sah ihn unsicher lächelnd an. Er las eine Frage in seinem hageren, verwüsteten Gesicht, das die Spuren vieler Ausschweifungen trug. Dieses Mädchen, das erst seit kurzem bei Maple wohnte, war die Tochter seines älteren Bruders, die einzige Verwandte, die er auf der Welt besaß. Sie hatte einen guten Einfluß auf ihn, ja, er hatte geradezu eine merkwürdige Zuneigung zu ihr gefaßt. Es war erschütternd, die unausgesprochene Bitte in seinen Augen zu lesen. Gold nickte ihm kaum merklich beruhigend zu.

      »Maple, ich glaube, daß Sie Ihre Nichte in der bewußten Angelegenheit ins Vertrauen gezogen haben«, begann Gold das Gespräch und rückte einen Stuhl näher an den Tisch.

      »Ja, ich habe kein Geheimnis vor ihr.«

      Auf dem Tisch lag eine Brieftasche aus Leder, Maple nahm sie mit seinen zitternden Händen, öffnete sie und holte einen Pack länglicher Banknoten heraus. Es waren amerikanische Fünfdollarscheine, im ganzen zwanzig Stück. Sie alle zeigten grüne, rote und gelbe Flecken, als ob jemand mit ihnen experimentiert hätte.

      »Ihrer Meinung nach sind das also alles Fälschungen?« fragte Gold.

      Maple nickte.

      »Ich habe jede genau untersucht. Sie kennen doch das Geheimzeichen des Schatzamtes der vereinigten Staaten – das Zeichen, das eine Fälschung fast unmöglich macht –, es fehlt bei allen.«

      Maple sprach jetzt offensichtlich über sein Lieblingsthema. Müdigkeit und Stumpfheit waren vollständig von ihm abgefallen, seine Stimme klang klar und deutlich.

      »Und wie steht es mit der Druckfarbe?«

      »Die ist tadellos«, entgegnete Maple bewundernd. »Ich möchte fast annehmen, daß die Farbe verwandt wurde, die in den staatlichen Druckereien gebraucht wird.«

      »Die Wasserzeichen?«

      »Ohne jeden Fehler! Vor allem muß ich Ihnen aber etwas berichten, das Sie sicher in Erstaunen setzen wird.«

      Er zeigte, mit einer gewichtigen Geste auf die Banknoten, die vor ihm lagen.

      »Der Mann, der diese Scheine gefälscht hat, bediente sich nicht – wie üblich – der Fotografie als Hilfsmittel. Alle diese Scheine wurden mit richtigen Druckplatten hergestellt! Ich weiß es, weil – doch das tut nichts zur Sache. Auf jeden Fall weiß ich es ganz genau. Die Banknoten wurden sogar auf einer Presse gedruckt, die ganz speziell für diese Zwecke hergestellt wird; sogar das Papier, auf das sie gedruckt wurden, ist von derselben Sorte, wie es das Schatzamt verwendet.«

      Er nahm die Banknoten und steckte sie in die Brieftasche.

      »Banknotenfälschungen sind schon immer mein Spezialstudium gewesen«, meinte er nach einer Pause mit einem schiefen Lächeln. »Ich habe sowohl in der französischen als auch in der deutschen Staatsdruckerei gearbeitet – und in Frankreich sollte ich eigentlich heute noch eine gute Stellung einnehmen, wenn nicht ...« Mit einer abrupten Handbewegung hielt er inne. »Kurz und gut, Mr. Gold, ich kann Ihnen versichern, daß jeder ungestraft diese Noten in