Still wie der See. Silke May

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Название Still wie der See
Автор произведения Silke May
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738048193



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neben dem Damm die Sicht auf‘s Moor freigab. Vom Ende des ersten Dammabschnitts hatten sie eine gute Sicht zum Moor.

      Sie leuchteten alle drei gleichzeitig auf das Moor hinaus, aber nichts war zu sehen, außer wenige kahle Baumgerippe, die gespenstisch im Moor standen. Günter lenkte den Strahl seiner Taschenlampe wieder auf den Steg.

      »Das war‘s, jetzt schaun wir noch bis zum andern Ende des Damms und von dort übers Moor.« Sie wendeten sich ab und wollten soeben zurückgehen, als Günter schlagartig stehen blieb.

      »Stopp …, bleib stehen Hans!« Hans blieb rasch stehen und sah Günter an. »Was ist los?«

      »Schau auf den Boden, da sind doch Schlammspuren, oder?« Hans schaute auf die Holzbalken.

      »Stimmt, da ist jemand aus dem Moor gestiegen«, bestätigte Hans und stieg vorsichtig darüber hinweg.

      »Pass auf, dass du nicht die Spuren kaputtmachst. Das soll sich morgen die Spusi anschaun«, erklärte Günter.

      »Mach ich doch, warum glaubst du, dass ich wie ein Storch drüber steig – zum Spaß bestimmt ned!«

      »Ich sag ja bloß. Hat einer von euch was zum Absperren dabei?«, fragte Günter. Beide Männer sahen ihn leicht verdattert an.

      »Nein! Außerdem kannst du mir mal sagen, wo wir hier die Absperrung anbringen sollen? Soll‘n wir sie am Boden legen?«, fragte Klaus ironisch.

      »Hast recht, das war jetzt blöd von mir, dann muss einer von uns hier bleiben und Wache schieben, bis die Spurensicherung morgen kommt.«

      »Bis morgen? Du spinnst ganz schön!«, widersprach Hans.

      »Doch ned bis morgen, die ruf ich jetzt an, dann müssen‘s in der Nacht noch kommen, was soll‘s.« Günter griff in seine Hosentasche, um das Handy herauszuholen. »Mist, jetzt hab ich das Handy im Auto vergessen.«

      »Das ist wieder typisch für dich! Wie gut, dass ich dabei bin, denn ich hab meins im Hosensack.« Hans holte sein Handy aus der Hosentasche.

      »Gib mir die Nummer von der Spurensicherung.« Günter überlegte kurz. »Die weiß ich ned auswendig, sie ist auf meinem Handy gespeichert.«

      »Herrschaftszeiten, du bist vielleicht so ein Ermittler!«, sagte Hans aufgebracht.

      »Geh lass mir doch meine Ruhe!«, schimpfte Günter und stieß Hans am Arm an. Der Stoß war aber doch so heftig, dass Hans das Handy aus der Hand fiel.

      »Mensch …, bist du verrückt! Wenn‘s kaputt is, dann krieg ich von dir ein Neues, damit du es weißt!«

      »Ja, ja …«, brummte Günter vor sich hin, während Hans sich bückte, um das Handy aufzuheben, kam er aus dem Gleichgewicht und versuchte sich bei Günter anzuhalten. Dieser machte aber unglücklicherweise einen Schritt zurück und damit in‘s Leere. Günter fiel mit einem Aufschrei ins Moor. Er ruderte mit den Armen, um nicht der Länge nach ins Moor zu fallen und es gelang ihm.

      Jetzt stand Günter bis zur Brust im Schlamm. Hans und Klaus leuchteten Günter mit ihren Lampen an. Als sie sein erschrockenes Gesicht sahen, fingen beide laut zu lachen an. Die Vögel in der Nähe flatterten erschrocken auf.

      »Ha, ha …, lacht‘s nur ihr zwei Hirschen! Vielleicht helft‘s ihr mir großzügigerweise wieder raus!«

      »Das scho, aber a bisserl weiter vorn, denn sonst kommst du in die Spuren hinein.« Günter versuchte einen Schritt weiter zu Seite zu gehen, spürte aber keinen Boden unter seinem Fuß.

      »Das geht ned, da hab ich keinen Grund mehr.«

      »Du musst aber mindestens drei Schritte weiter weg, sonst könntest die Spur kaputtmachen, mit dem Schlamm, der von dir runterfällt.«

      »Und wenn ich versink?« Hans konnte sich das Lachen nicht verbeißen. »Schmarrn, so tief is des ned.«

      »Woher willst du des wissen? Bist du scho mal da heringesteckt?«

      »Nein aber ich weiß es halt. Wart … ich halt dich fest, gib mir deine Hand, mit der andern kannst du dich ja am Steg festhalten.«

      Zögerlich sich an Hans und den Steg klammernd, ging Günter vorsichtig weiter. Er sank nur ein paar Zentimeter tiefer und Hans und Klaus konnten ihn aus dem Moor ziehen. Voll mit Moor überzogen stand er auf dem Knüppeldamm und fluchte leise vor sich hin. Plötzlich tauchten aus dem Dunkel die Lichter zweier Taschenlampen auf, die sich schnell näherten.

      »Wer ist da?«, hörten sie eine dunkle Männerstimme rufen. Noch bevor sie antworten konnten, wurden sie von den Lichtkegeln der Taschenlampen erfasst. Zwei Polizisten, die auf sie zukamen, leuchteten in ihre Gesichter. »Ihr seid es! Was macht‘s ihr da mitten in der Nacht?«

      »Wir suchen die Eva!«, antwortete Günter übellaunig. Die beiden Polizisten kamen näher und leuchteten Günter an.

      »Was is denn mit dir passiert, bist du hineingefallen?«, fragte der ältere Polizist.

      »Nein …, ich wollt ein nächtliches Moorbad nehmen«, gab Günter grantig von sich.

      »Das nächste Mal ziagst dich aber vorher aus, gell«, gab der Polizist schmunzelnd von sich. Günter machte mit der Hand eine abfällige Geste.

      »Warum seit ihr denn überhaupt da?«, fragte Hans die Polizisten.

      »Anwohner haben Lichter im Moor gsehn und da mussten wir der Sache nachgehn.«

      »Aha …, wenn ihr schon mal da seit, dann wartet ihr hier auf die Spurensicherung, die werdn bald kommen. Bleibt‘s aber da stehn und zertrampelt nicht die Spuren da vorn«, sagte Günter und deutete auf die Moorspur. Übrigens das sind meine Spuren, gell, ned verwechseln!« Günter, Hans und Klaus ließen die zwei Polizisten einfach stehn und gingen zurück zu Günters Auto. Vor dem Wagen blieb Günter regungslos stehen.

      »Was ist? Warum schaust du so bedröppelt drein?«, wurde er von Hans gefragt.

      »Ich kann doch mit dem dreckigen Zeug ned in mein Auto steign!«

      »Dann ziagst di halt aus.«

      »Soll ich vielleicht in Unterhosen fahrn?«

      »Warum ned, das wär, mal was Neues und schau mal auf die Uhr, um diese Zeit ist sowieso keiner mehr auf der Straße«, dabei grinste Hans.

      »Du spinnst ja. Ich steig doch ned in Unterhosen aus dem Auto aus.«

      »Mensch, jetzt stell dich ned so an, nimm halt die Decke, die da hinten drinn liegt, und breite sie über dem Sitz aus«, machte Klaus den Vorschlag. »Das is a gute Idee – der Klaus denkt halt mit«, gab Günter überzeugt an Hans gerichtet von sich. Klaus breitete die Decke über dem Fahrersitz aus und Günter zog unterdessen seine dreckigen Schuhe aus. Sie stiegen in den Wagen und fuhren heim.

      »Was willst du jetzt machen?«, fragte Hans, der neben ihm saß. Günter sah auf die Uhr.

      »Tja … jetzt nix mehr, es ist scho zwei Uhr vorbei, aber in der Früh fahre ich zur Pathologie. Sicher kann mir der Doktor schon was über die Toten sagen.«

      »Da wirst ned so ohne Weiteres rein können, denn du bist kein Kriminaler mehr.« Günter sah Hans fragend an.

      »Glaubst du das die so streng sind? Schließlich kennen‘s mich ja von früher?« Hans nickte.

      »Könnt schon sein. Ich kenn aber jemand, mit dessen Anwesenheit du ohne Probleme rein kommst.«

      »Ja das wär gut, wo find ich die Person?«

      »Sie ist die rechte Hand vom Doktor. Frau Sigal ist ihr Name – ich ruf sie gleich heut früh an und gib ihr Bescheid, sie wird dich dann am Empfang abholen. Wie wär‘s um neun Uhr?«

      »Okay, dann bin ich heut um neun Uhr dort.« Klaus und Hans verabschiedeten sich von Günter. Während Hans nur ins Nachbarhaus musste, ging Klaus die wenigen Minuten zu Fuß heim.

      Günter betrat den Korridor, als seine Frau ihm entgegen kam. Sie sah ihren von Schlamm überzogenen