SERUM. Jeannette Kneis

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Название SERUM
Автор произведения Jeannette Kneis
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742711687



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anderen Frage fort, während ihr die Fingerspitzen bereits abfroren. "Еrinnerst du dich noch an die Spuren auf dem Zuweg?"

      "Ja. Nachdem nun ein Dutzend Leute darüber getrampelt sind, können wir die wohl vergessen."

      "Nicht ganz, verehrter Kollege. Die Spurensicherung hat an dem Zuweg keinerlei Interesse gezeigt. Wir wissen allerdings, dass sich darunter auch Schleifspuren und Laufspuren von verschiedenen Schuhprofilen befanden. Das stellt sich mir die Frage, wie diese Spuren zustande kamen?"

      "Doktor Kurz muss wohl ins Haus und dann bis zur Couch geschleift worden sein?"

      "Kluger Gedanke. Hm, vom Taxifahrer oder von dem zweiten Unbekannten? Oder von beiden? Aber warum? Ließ ihr gesundheitlicher Zustand bereits zu wünschen übrig oder wurde sie absichtlich in die Bewusstlosigkeit katapultiert?"

      "Auf jeden Fall hatte sie zu diesem Zeitpunkt noch gelebt."

      "Das ist anzunehmen. Kannten sich die zwei uns Unbekannten etwa? Trafen sie sich zufällig? Ach nein, vergiss das! Das ist Unsinn! Wahrscheinlicher ist es, dass der zweite Unbekannte dem Taxifahrer und Frau Kurz auflauerte und auf die Gelegenheit wartete, ins Haus zu schlüpfen, bevor die Tür ins Schloss fiel. Das heißt aber auch, dass der zweite Unbekannte genau über Frau Kurz und ihre Reisezeiten Bescheid wusste."

      "Die Wahrscheinlichkeit deiner Theorien liegt bei Fünfzig zu Fünfzig. Alles ist möglich."

      "Ich liebe diese Rätsel und wie sich dann alles Stück für Stück zusammenfügt", warf Constanze herzlich ein und ihre Augen glänzten voller Enthusiasmus.

      Michael griente kurz zurück. Er verstand seine Kollegin sehr gut. "Die Kollegen von der Spurensicherung konnten keinen Hinweis auf eine Manipulation des Haustürschlosses feststellen. Die Terrassentür fanden sie ebenfalls verschlossen vor. Genau wie sämtliche Fenster. Einen Keller gibt es nicht, ebenso keine Dachfenster. Nur die Revisionsöffnung. Wie kamen die anderen zwei Personen also ins Haus? Öffnete das Opfer ihnen die Tür? Gab es einen Zweitschlüssel? Er wird wohl kaum unter der Fußmatte oder im Blumenkübel gelegen haben, die es hier, nebenbei bemerkt, gar nicht gibt."

      "Ebenfalls mögliche Theorien. Spontan fällt mir dazu allerdings keine Antwort ein. Ich fürchte, wir tappen noch tüchtig im Dunkeln."

      "Sieht ganz danach aus. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir den Lichtschalter finden. Was ist mit den Sachen aus der Aktentasche, die auf der Couch lagen? Hat das Opfer selbst oder tatsächlich jemand anderes, einer der noch nicht identifizierten Personen eventuell nach etwas bestimmten gesucht? Trug sie etwas bei sich, das für den zweiten Unbekannten von großer Bedeutung war? Er es stehlen musste, um es zu erlangen?"

      "Hm, im Moment können wir dies zwar in Betracht ziehen, aber noch nicht bestätigen. Komischerweise ist ihr Koffer nicht ausgeräumt."

      "Schlafzimmer und Esszimmer sind unberührt. Im Bad wurden mehrere Blutspuren an unterschiedlichen Stellen entdeckt. Im Labor wird es auf Zugehörigkeit untersucht. Möglicherweise gab es auch einen Kampf. Die Duschbürste, die sichergestellt wurde, zeigte Blutspuren und ein silbergraues Haar, genau wie an einem Handtuch, und am Hinterkopf der Toten haben die Kollegen der Spurensicherung ein angeschwollenes Hämatom entdeckt, dass definitiv nicht vom Sturz auf den Küchenboden herrührte. Nach ihrer Schätzung ist es mehrere Stunden alt. Vermutlich stammt es von einem Sturz im Bad."

      "Frau Kurz hat definitiv kein silbergraues Haar."

      "Scharf beobachtet."

      "Das war keine Kunst. - Sie litt doch an Diabetes. Möglicherweise war sie unterzuckert und gestürzt. Das würde auch den vielen Traubenzucker und die Unmengen aufgerissener Schokoladenpackungen erklären."

      "Diese Überlegung sollten wir ebenso in Betracht ziehen. Obwohl ich meine, dass ein bis zwei Teelöffel Traubenzucker ausgereicht hätten, um den Blutzucker wieder zu stabilisieren."

      „Ist das so?“

      Conny nickte. "Was ist mit der Visitenkarte, die neben der Toten lag?" fragte seine Kollegin. "Wo ist die überhaupt?"

      Michael grinste schelmisch und zog sie aus einer seiner Gesäßtaschen hervor."

      "Alles da, wo es sein soll", lächelte er. "Die konnte ich unbemerkt einstecken, bevor es jemand merkte."

      "Inklusive mir", beschwerte sich Conny. "Trotzdem: Sehr gut. Darum wird sich ebenfalls Stefan am Montag kümmern. Ich bin gespannt, welche Beziehung es zwischen dem Institut für Plastische Chirurgie in München und Doktor Kurz gibt, äh gab."

      "Oder wir recherchieren selbst."

      "Oder das. Wir haben nachher genügend Zeit."

      Sie schwiegen eine Weile und starrten auf die vereinzelt, toten Ameisen, deren Spur sich im Garten des Grundstückes verlor.

      "Und was ist mit den ganzen Insekten? Wo kommen die her? Das will mir einfach nicht in den Kopf", überlegte Conny kopfschüttelnd. "Was haben die mit der ganzen Sache zu tun? Kann das denn ein Zufall sein?"

      "Das weiß ich auch nicht, aber an Zufälle glaube ich eher nicht. Ich hoffe jedenfalls, dass unser lieber Doktor Esser uns mehr dazu sagen kann. Er wird mit Sicherheit die gerichtsmedizinische Sektion an dem Leichnam durchführen."

      "Dann wird dieser Zwerg von Doktor Gabriel sicher auch mit von der Partie sein. Du weißt doch, nach § 89 StPO müssen zwei Ärzte dabei sein, wobei einer ein Gerichtsmediziner sein muss."

      "Ist mir schon ewig bekannt. - Hast du dir alles notiert, Conny?"

      "Ja." Sie steckte ihr Schreibzeug in die Innentasche ihrer Lederjacke zurück. "Ich denke, hier gibt es für uns erst einmal nichts weiter zu tun. Fahren wir ins Büro. Außerdem: Mir ist saukalt. Der Wind zieht unangenehm durch den Türspalt herein. Wenn ich noch weiter in der Kälte stehe, werde ich zum Eiszapfen.", Sie zog die Schultern hoch und steckte die Hände tief in die Jackentaschen.

      "Ich habe keine Einwände. Puzzeln wir im Büro weiter an unserem Fall."

      Sie verschlossen die Haustür und klebten ein bereits ausgefülltes, leicht rosa gefärbtes Polizeisiegel des Freistaates Sachsen auf Tür, Türrahmen und Außenfassade, um die für den Strafbestand relevanten Räume für die Öffentlichkeit unzugänglich zu machen, und verließen das Grundstück des Opfers. Die letzten Gaffer hatten sich bereits verzogen. Entweder wegen der Kälte oder weil es tatsächlich nichts zu sehen gab. In ihrem gut beheizten Skoda Octavia RS Hybrid fuhren sie ins Büro ihrer Dienststelle nahe dem Herzen von Leipzig, um die Indizien und unmittelbaren Beweise zu ordnen, einen möglichen Ablauf des Vorfalles zu erstellen und einen vorläufigen Bericht des sonntäglichen Ereignisses zu schreiben. Anschließend nahmen sie sich vor, mit Doktor Esser zu telefonieren, ihm war es eh egal, ob es Sonntag, Mittwoch oder ein anderer Tag der Woche war, und gegebenenfalls die Gerichtsmedizin aufzusuchen, um mehr über den mysteriösen Tod der Wissenschaftlerin zu erfahren. Möglicherweise erhielten sie dort erste Informationen des Tatvorgangs und etwaige Anhaltspunkte über das Täterprofil. Die Homepage der toten Doktorin wollten beide zu einem anderen Zeitpunkt studieren. Auch die auf der Visitenkarte angegebene Internetadresse wollte die beiden unter die Lupe nehmen. Zwischendurch sollte allerdings noch Zeit für ein warmes Mittagessen und einen guten Kaffee sein. Und auch die leckeren Spritzkuchen sollten noch ihren Weg in den Magen finden.

      Und das alles an einem bitterkalten und ursprünglich freien Totensonntag!

      Obduktion

      Die weißen Fliesen aus DDR-Zeiten klebten immer noch an den Wänden des Institut für Rechtsmedizin der Universität Leipzig. Zwei Drittel der deckenhohen Fenster bedeckte weiße, leicht strukturierte Folie, um niemanden einen Einblick in den schaurig, makaberen Beruf des Gerichtsmediziners zu gewähren. Zusätzlich gab es noch Außenrollos, die die Räumlichkeiten vor Hitze schützten. Die Einrichtung des 200 qm großen Raumes bestand hauptsächlich aus Möbeln aus geschliffenem Edelstahl. Vier feststehende, höhenverstellbare Seziertische mit Randabsaugung und perforierter Arbeitsfläche standen in gleichmäßigen Abständen an der langen Fensterfront. Einhundertfünfzig Zentimeter über den Tischen hingen