Название | Der Tod des Houke Nowa |
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Автор произведения | Eike Stern |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738065879 |
Als er ihm eine Paranuss in die kleinen Pfoten drückte, platzte Mazad ein wieherndes Gelächter heraus. Mit versteinertem Gesicht bemerkte Houke ein Alda geltendes Zwinkern. Er lief vor Wut rot an, auch wenn die keine Miene verzog.
Der Vetter grinste und zog belustigt eine Furche durch den lehmigen Estrich, um Houke auch noch vorzuführen und vor Alda seine Fertigkeit mit dem Enterbeil zu demonstrieren. Sein Wurf traf nur den Rand der gewöhnlich zum Bogenschuss dienenden Zielscheibe, biss sich jedoch in den Kork, dass der halbe Außenring abgehackt wurde.
Houke schreckte davor zurück, es mit ihm aufzunehmen, weil es mehr bedurfte als breite Schultern, einen wuchtigen Wurf abzuliefern.
Um sich nicht gründlich zu blamieren schmetterte er kurzerhand sein Schnitzmesser nach dem behelmten Holzkopf, der sich neben der Zielscheibe erhob. Genau das aufgemalte Auge erwischte er zu seiner eigenen Verwunderung. Sogar Larban, der meist mürrisch aufgelegte Steuermann in den Diensten der Nowa, honorierte es mit einem beifälligen Pfiff.
Sein überheblicher Vetter zeigte insofern Größe, ihm ein Schwert zum Lebewohlsagen aufzudrängen. Zum Griff hin verjüngte sich die Schneide erheblich, mutete von daher beunruhigend zerbrechlich an gegen das Breitschwert, das ihm sein Vater für die Fahrt überließ. Er reichte es unbemerkt weiter an seinen Freund Schnotto und fing an, sich mit dem Gedanken anzufreunden, morgen in See zu stechen. Er würde Alda zeigen, zu was er fähig war und nebenbei auch seinem Vater und dem überheblichen Vetter.
2. Kapitel
Bis zum Morgen wälzte er sich unruhig hin und her. Der Schlaf, den er fand war oberflächlich und wenig erholsam, doch niemanden interessierte das. In aller Frühe brach Houke auf zu den Anlegern. Schweren Herzens hatte er darauf verzichtet, seinen Hamster mitzunehmen, und das tiefbraune Brackwasser im Hafenbecken stank nach frischem Fisch, fauligem Tank, Schweiß von tausend Männern und teerigen Tauen. Ein Hauch von Farbe auf trockenem Holz mischte sich darunter und der scharfe Dunst rostiger nasser Eisenteile – er sog alles in sich auf, auch das süßliche Aroma aus einem Lagerschuppen, in dem eine Kiste Obst vergammelte. Er schmollte mit sich und dem ihm aufgebürdeten Schicksal, und verschwendete keinen Gedanken daran, wie es seinem treuen Begleiter schmeckte. Sein Vater hatte Schnotto freigelassen, und er hatte sich, dem Gesetz getreu, täglich bei seinem Patron zu melden und blieb auch danach sein Freund. Houke behandelte ihn eher wie einen Hörigen. Er genoss es wie ein Geschenk der Götter, zu einer kleinen Oberschicht zu zählen, die auf ihre Sklaven baute und keinen Handschlag selber verrichtete. Schon ein Handwerk auszuüben, hieß der arbeitenden Schicht anzugehören, und der beste Meister wurde nur geringschätzig geduldet in seinen Kreisen. Reichtum galt als höchste Tugend.
Ein betrunkener Hafenarbeiter rülpste Wein aus und Houke wandte sich angeekelt ab. Am Südende der Marktstraße rasselte die zweiteilige Brücke herunter; Karren rollten über die Hafeneinfahrt. Drüben begann die Welt der Werften, Werkstätten, Lagerhallen und Schuppen. Im kühlen Schatten der Säulen am Kai saßen Kaufherren und rechneten, und ihre Schreiber prüften die Schiffslisten, schrieben Briefe und Wechsel und statteten von hier die Schiffe aus. Gewöhnlich mied er die Stelle am Kai, wo ihre Holka vor sich hindümpelte. Braungebrannte Arbeiter im roten Schurz turnten auf dem Deck herum und verstauten schon die Elefantenzähne im Laderaum. Eigentlich hatte er die alte Holka größer in Erinnerung. Selbst eine egyptische Feluke maß zwei Schritt mehr vom Kiel bis zur Heckflosse.
Die Aufsicht führte Larban, gekleidet in einen rubinroten Leibrock im Hammerschlagmuster. Ein schmieriges Lächeln umspielte seine dünnen Lippen.
„Wir müssen darüber reden, wohin überhaupt“, ging ihn Houke großspurig an.
„Müssen wir nicht“, belehrte ihn Larban. „Es geht nach Pi-Ramesse, zum Markt der Handwerker. Ich weiß um einen Elfenbeinschnitzer, und den treiben wir auf.“
Houke ballte die Fäuste, da sein Gegenüber offensichtlich besser über alles im Bild war als er. Der bärenstarke Mann mit dem Walrossbart war um die breite Brust stark behaart. Er bediente nicht nur seit über elf Jahren die Ruderpinne, sondern gehörte schon halb zur Familie. Aus skeptisch zusammengekniffenen Augen musterte er ihn. „Damit eines klar ist. Du und dein Lakai, ihr seid Decksleute wie alle und werdet euch krumm machen wie alle!“
Als Houke die Augen schloss und im Geiste bis fünf zählte, richtete sich Larban schnaufend zu voller Größe auf und ließ kopfschüttelnd seinen Unmut heraus. „Ach Junge, ich habe deinen Vater schon über dein störrisches Verhalten weinen gesehen. Erzähle mir nichts! Du willst mit? Na gut. Wir laufen gleich aus.“
Dieser Mann verachtete ihn. Das wusste jeder. Er hatte gelernt damit umzugehen, aber es einfach auszublenden gelang ihm nicht. Der Vorsatz, die Reise trotzdem als eine willkommene Abwechslung zu betrachten, zerstob in bedrückender Ernüchterung. Ärgerlich winkte er den Freund zum Brettsteg, um sich schleunigst unter Deck zu verdrücken.
Niemand folgte, und die beiden richteten sich die für sie reservierte Kabine her und saßen anschließend beisammen im spärlichen Licht einer Tranfunzel. Houke sah seinem Freund Schnotto an, dem brannte einiges auf der Zunge, und ihm widerstrebte, darüber zu reden. Mit dem Daumen rieb er zärtlich einen walnussgroßen Jadestein und hing geistesabwesend trüben Gedanken nach.
„Von wem?“, fragte Houke kurz angebunden.
Und es folgte eine weitere Ernüchterung. „Alda sagt, er hat ihr Glück gebracht“, entgegnete der Freund treuherzig. Einzusehen, dass Alda einen Freigelassenen seines Vaters ihm vorzog war niederschmetternd, aber er wusste seine Enttäuschung zu überspielen. „Glück?“, wiederholte er und schlug sich belustigt auf den Schenkel. „Wir brauchen kein Glück, sondern opfern Zeit, für die ich bessere Verwendung hätte. Das stört mich, sonst nichts.“
Wie in sein Schneckenhaus zurückgejagt kräuselte Schnotto die Lippen und ließ resignierend die Schultern sacken. Meist merkte Houke das gar nicht, diesmal durchaus.
„Du hast Angst?“, fragte er leise. „Und wenn schon. Nur Prahler und Dummköpfe kennen keine Angst, aber lass dir sagen, Larban bleibt auf seinen Fahrten stets in Küstennähe. Das gab mir mein Vater auf den Weg.“
„Mir ist elend“, hielt sein Freund mit wachsbleichen Zügen dagegen. „Ich möchte nicht wissen, wie es sich anfühlt, wenn es windig wird und wir sind richtig auf See.“
„Solange man noch einen Strich vom Festland sieht, kann man den Schutz der Küste suchen“, beruhigte ihn Houke.
Schnotto blickte bedeutungsvoll auf das schmucke Specksteinstück, das Houke vom Hals baumelte. „Du trägst ja selber einen Talisman.“
„Das ist der Siegelzylinder meines Vaters“, belehrte ihn Houke und erhob sich. „Komm, dem Seegang nach sind wir schon weit draußen auf dem Meer. Überzeugen wir uns doch, ob man die Küste noch im Auge hat.“
Als er sich daraufhin genauer an Bord umschaute, schaukelte der Boden unter seinen Sandalen, aber er fing sich und lernte, sich an Bord fortzubewegen, während ihm eine feuchte Briese um die Ohren wehte, die in den Augen brannte wie Salz.
So begann für Houke das Abenteuer seines Lebens - und alles verlief anders als sein Vater oder er es sich ausgemalt hatten. Noch war durchaus ein dünner Strich vom Festland in Sicht, doch gegen Nachmittag passierten sie einige, dem Festland vorgelagerte Felsinseln, und hinter denen rückte ein dunkles Segel auf den Horizont. Der starke Mann an der Ruderpinne erblasste, als hätte ihn die Seekrankheit gepackt. „Die segeln ohne Flagge“, hauchte er tonlos.
Houke wunderte sich, wie gut er mit dem schwankenden Boden klar kam, wenn er sich am Mast aufhielt. „Und das bedeutet?“
„Dass es Schwertfischer sind.“
Houke schluckte. „Seeräuber? Haben wir eine Chance, ihnen davon zu segeln?“
Finster schüttelte