Die Liebesbotschafterin. Andreas Menne Peter

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Название Die Liebesbotschafterin
Автор произведения Andreas Menne Peter
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738078817



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in einem dieser Bücher auf Seite 24 ein Gedicht, das ich so stehen lasse. Dort ist auch der Ort genannt, an dem du den nächsten Hinweis findest. Wenn du das Gefühl hast, das hier ist nicht der richtige Weg für dich, dann lass dich nicht länger stören. Ich bitte dich, verstecke die Hinweise wieder dort, wo du sie gefunden hast und mach dir keine Gedanken. Ich werde dir nicht fehlen. Wenn nicht, alles Gute bei deinen weiteren Bemühungen!

       Forum; März 2014

      Jetzt hatte sie sich verraten. Ein Mädchen! Sie hatte geschrieben »Leibeigene«, nicht »Leibeigener«. Aber hatte er das nicht die ganze Zeit geglaubt und ... wäre er den Hinweisen gefolgt, wenn es nicht so wäre?

      Er ließ den Zettel in seinen Schoß sinken. Würzburger Stadtbücherei. Da kam er gerade her. Er hoffte nur, sie würde ihn danach nicht wieder hierher scheuchen. Er startete den Motor und fuhr los.

      ***

      Die schlimmste Unruhe hatte sich gelegt. Jetzt, da er einen weiteren Hinweis von ihr gefunden, die Spur quasi aufgenommen hatte, war er viel beruhigter. Er wusste, dass ihn niemand veräppelte. Na ja, wenn, dann zumindest jemand, der sich viel Mühe gegeben hatte. Doch er zweifelte daran. Wer würde sich die Arbeit machen, wenn er dann nicht Zeuge dieses Spaßes werden konnte?

      Er fuhr den Weg zurück, ohne Navigationssystem und tief in seinen Gedanken. Aber die Strecke war leicht zu merken. Seite 24. Das konnte nicht allzu schwer sein. Selbst wenn er das entsprechende Buch nicht fand, würde er einfach alle durchsehen. So viele Ortshinweise würden sich auf den entsprechenden Seiten im Bereich »Poesie« nicht verbergen.

      Er stellte sein Fahrzeug im Parkhaus neben dem Bahnhof ab. Von dort musste er etwa 500 Meter laufen, bis er die Bücherei erreichte. Er hatte keinen Ausweis, aber den brauchte man nur, wenn man Bücher leihen wollte. Im Foyer studierte er den Lageplan. Poesie und Prosa: Erster Stock. Er stieg die Treppe nach oben. Der Bereich Poesie war noch einmal extra abgetrennt, doch sofort erkannte er, dass seine Einschätzung, was den Umfang des dargebotenen Materials betraf, weit gefehlt war. Michael schätze den Bestand zum betreffenden Thema auf über 2000 Bände. Er musste anders vorgehen, aber vermutlich hatte das seine geheimnisvolle Schreiberin auch so angedacht. Er versuchte seinen Kopf freizubekommen und völlig unvoreingenommen nach dem Exemplar Ausschau zu halten, zu dem er am ehesten greifen würde. Es überraschte ihn wenig, dass es ein schmaler Band am Rand der Ansammlung war. Die meisten Bücher waren von einschüchternder Statur und Michael verspürte nicht die geringste Lust, darin zu stöbern. So einfache Dinge so kompliziert zu machen, war nicht seine Sache. Schließlich folgte Liebe keinen Gesetzen, was sollte man anderen dann versuchen über ihr Wesen mitzuteilen, wenn sie sich für jeden anders anfühlte? Es war wohl mehr das Drumherum, das ganze Regale füllte. Der Band, den er am Rand entdeckt hatte, umfasste allerhöchstens 200 Seiten, war in einem noch kleineren Format als DIN-A5 und so wie er aussah selten bewegt worden.

      Michael zog ihn aus dem Regal und schlug Seite 24 auf.

      Dritter Hinweis

      Unkonventionelle Poesie

      Liebe

      Besuchen Sie uns im Internet: www.steinitz-verlagsgruppe.de

      »Ganz klar das falsche Buch«, dachte Michael. Hier gab es keinerlei Hinweis. Eigentlich stand hier gar nichts Poetisches. Er würde sich doch die Arbeit machen müssen, alles durchzusehen. Mutlos zog er die ersten fünf Bände aus dem Regal und setzte sich damit an einen der Lesetische. Band eins: keine Hinweise. Band zwei: »der Himmel«? Sehr schwammig. Band drei: kein Hinweis. Band vier: »... wo die Zitronen blühn ...« Er ackerte sich durch die umfassenden Bestände. Leute kamen und gingen und er bemerkte sie gar nicht. Irgendwann wurde eine Durchsage verlautbar:

      »Die Stadtbücherei schließt in fünf Minuten. Bitte begeben Sie sich zu den Ausgängen.«

      Michael schreckte auf. Er warf einen Blick auf seine Uhr. 17.55 Uhr. Er saß seit fast drei Stunden hier und war keinen Schritt weitergekommen. Sicher, er hatte zahlreiche Hinweise:

      Himmelreich

      Paradies

      Land der Liebe

      Märchenwald

      aber das alles war unfassbar, unwirklich, brachte ihn kein Stück weiter. Er hatte nicht mal ein Viertel geschafft und wusste beim besten Willen nicht, ob das eher gut oder schlecht war.

      Wieder ging er zum Schrank, diesmal aber nur, um die Bücher zurückzustellen. Kurz blieb er vor der gesammelten Poesie stehen und atmete tief durch. Schließlich fiel sein Blick erneut auf jenen Band, den er als Erstes in der Hand gehabt hatte. Nach einigem Zögern zog er ihn heraus und schlug abermals Seite 24 auf.

      Da war nichts. Das Gedicht hatte seinen Reiz, sicher. Zwischen den vielen großen Worten, die in den vergangenen Stunden seine Sinne verwirrt hatten, schien ihm ein zeilenloses Gedicht eine sinnvolle Sache.

      Plötzlich sprang ihm die Internetadresse am Fuße der Seite ins Auge. Konnte das sein? War das der Schlüssel? Aber wo sollte er auf dieser Homepage einen Hinweis finden? Die Verlagsanschrift? Hinweise auf andere Bücher?

      Forum! Wie Schuppen fiel es ihm von den Augen. Ein Begriff, den er unterbewusst gelesen, dem er bisher aber keine Bedeutung hatte zukommen lassen. Hastig zog er den Brief aus der Tasche.

      »Forum; März 2014«, las er da.

      Vierter Hinweis

       Gut gemacht! Du verstehst, dass man in einem Forum unverbindlich sein muss. Warst du schon mal im Residenzgarten in Würzburg? Es ist wie in Bergrothenfels.

      Das war es also. Hm. Kein sonderlich ausführlicher Hinweis. Aber wie sie schon geschrieben hatte: In einem Forum konnte man schlecht verbindlich sein, ohne dass jemand anderes den Hinweis fand.

      Es ist im Residenzgarten wie in Bergrothenfels? Nein, das konnte sie unmöglich meinen. Michael kannte den Residenzgarten. Es war zwar einige Jahre her, als er eine entfernte Verwandte mit seinen Eltern hier besucht hatte und sie durch den Garten hinter der Residenz gegangen waren, aber die Anlage unterschied sich deutlich von dem Ort, den er gesehen hatte. Sie meinte, der Hinweis war so dargebracht wie in Bergrothenfels. Ein Herz auf einem Stein. So musste es sein.

      Michael rieb sich die Augen. Der Residenzgarten war schon geschlossen, er würde bis morgen warten müssen und irgendwie war diese Zwangspause wohl auch angebracht. Er war müde und emotional aufgewühlt. Er sollte essen und sich dann etwas ausruhen.

      ***

      Michael durchschritt die abendliche Anlage. Es war noch hell und viel los an diesem Freitagabend. Er hatte keine Lust, jemandem zu begegnen, also lief er schließlich zurück zum Motel und startete seinen Wagen, nur um 200 Meter weiter durch den Drive-in einer Burger King Filiale zu fahren. Immerhin entging er damit einer langen Warteschlange am Tresen.

      Im Motel kaute er lustlos auf seinen Fritten herum. Irgendwie wünschte er sich, dieses Mädchen wäre mit ihm hier. Dabei ließen die wenigen Hinweise, die er bisher gefunden hatte, nicht annähernd sichere Schlüsse zu, was die Persönlichkeit der geheimnisvollen Unbekannten betraf. Vielleicht war sie ja doch nur irgendeine Tussi, die im Rausch eine unsinnige Aktion gestartet hatte. Er verwarf den Gedanken schnell wieder. Es erschien ihm abwegig, dass jemand so konsequent eine Sache durchzog und dabei vollkommen verblödet war. Auf der langen Reise zu den Verstecken wäre sie wieder nüchtern geworden oder gar nicht erst angekommen. Außerdem gefiel ihm die Vorstellung einer sehnsuchtsvollen Romantikerin viel besser. 21.00 Uhr. Er hätte ins Kino gehen können, stattdessen ging er ins Bett. Er war hundemüde.

      ***

      Als er erwachte, war es draußen hell. Von einer leichten Panik erfasst stand er auf. Bis wann musste er das Zimmer geräumt haben? 8.30 zeigte seine Uhr. Er beruhigte sich wieder. Sollte er überziehen, würde er eben das Ticket für einen weiteren Tag lösen, auch kein Drama. Ohnehin würde er vielleicht noch eine Nacht länger hierbleiben. Das würde sie entscheiden, dachte er sich mit einem Lächeln.

      Er frühstückte