Der Tote im Wald. Irene Dorfner

Читать онлайн.
Название Der Tote im Wald
Автор произведения Irene Dorfner
Жанр Языкознание
Серия Leo Schwartz
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847661573



Скачать книгу

gibt es doch nicht, wer macht denn so was? Raustragen und Aufmachen!“

      „Stopp! Lassen Sie sofort den Sarg stehen! Er bleibt hier, bis alle Spuren gesichert sind,“ rief eine Stimme vom Eingang des Tunnels, die dem Leiter der Spurensicherung Mühldorf, Friedrich Fuchs, gehörte. „Und jetzt: Alle raus hier!“

      „Der schon wieder,“ stöhnte Viktoria Untermaier. Immer wieder geriet sie mit Fuchs aneinander; die beiden mochten sich nicht. „Gehen wir raus und überlassen Fuchs das Feld, bevor der wieder völlig ausflippt.“

      Als sie wieder im Freien waren, stand ein kleinerer, hagerer Mann vor Leo. Der wurde ihm bei dem Rundgang mit Frau Gutbrod ganz sicher nicht vorgestellt, an ihn würde er sich erinnern.

      „Leo Schwartz, ich bin der Neue,“ stellte sich Leo vor und reichte ihm die Hand.

      „Fuchs,“ sagte er Mann nur und ignorierte die dargereichte Hand. So eine Freundlichkeit war er nicht gewöhnt. Ohne ein weiteres Wort ging er an Leo vorbei. Allen anderen war die Situation sehr peinlich.

      „Denken Sie sich nichts dabei,“ sagte Hans schmunzelnd zu Leo. „Fuchs kennt nur seine Arbeit und behandelt jeden so.“

      Leo war vor der Unfreundlichkeit des Mannes erschrocken, bisher hatte er mit seinen Kollegen immer ein freundschaftliches Verhältnis gepflegt. Friedrich Fuchs war noch keine 40 Jahre alt, sah aber viel älter aus. Er legte großen Wert darauf, dass er und seine Arbeit sehr ernst genommen wurden, was bei dem Aussehen, der geringen Körpergröße, Mangel an Humor und vor allem dem hektischen Wesen äußerst schwierig war.

      Fuchs war mit zwei Kollegen in der Höhle verschwunden, was Hans Hiebler so kommentierte:

      „Der Fuchs ist in seinem Bau verschwunden.“ Von allen Umstehenden wurde dieser Kommentar mit brüllendem Gelächter aufgenommen. Auch Viktoria Untermaier musste lachen, drehte sich dabei aber zur Seite, denn es war ihr peinlich, dass sie über einen Kollegen lachen musste. Nach einer Stunde langen Wartens tauchte Fuchs endlich wieder auf, worauf abermals großes Gelächter ausbrach, was von Fuchs mit unverständigem Kopfschütteln zur Kenntnis genommen wurde. Zwei seiner Kollegen brachten den Sarg nach draußen, was schwierig und kräftezehrend war. Hier im Tageslicht betrachtet konnte man sehen, dass dieser Sarg absolut stümperhaft war.

      „Um Gottes Willen, wie sieht denn der Sarg aus? Hat den jemand zuhause in Heimarbeit geklöppelt? Das sind ja nur zusammengenagelte Bretter.“ Nicht nur Hans war geschockt, auch die anderen konnten jetzt diesen primitiven Sarg genauer in Augenschein nehmen. In dem dunklen Loch hatte er nicht so schlecht ausgesehen, aber hier bei Tageslicht war er der Hammer.

      „Aufmachen.“ Die Anweisung der Kollegin Untermaier war kurz und bündig. Hiebler und Leo machten sich umgehend an die Arbeit, entfernten die Schrauben und schoben den Deckel zur Seite. Dabei wurden sie ununterbrochen von Fuchs aus nächster Nähe beobachtet, der kein Detail übersehen wollte und seinerseits immer wieder Anweisungen gab, was aber niemanden interessierte. Eigentlich wäre das Öffnen seine Arbeit gewesen, darauf machte er Frau Untermaier immer wieder aufmerksam. Aber durch das Warten hier draußen fror sie erbärmlich und dieser Fuchs war ein penibler Mann, das Öffnen hätte wahrscheinlich ewig gedauert. Deshalb hatte sie spontan und der Einfachheit halber entschieden, dass Hiebler und Schwartz diese Aufgabe übernehmen sollten. Was interessierte sie, ob das die Arbeit der Spurensicherung war? Wenn Fuchs sich übergangen fühlte, sollte er sich eben beschweren.

      Der Deckel war nun vollständig entfernt worden und gab tatsächlich eine Leiche frei. Es handelte sich um einen ca. 70-jährigen Mann in einem schäbigen, dunklen Anzug, dem ein Rosenkranz in die Hände gelegt wurde. Er lag auf einer hellen Decke, unter dem Kopf war ein Daunenkissen, das schon bessere Tage gesehen hatte, denn es war fleckig und speckig. Allen war sofort klar, dass hier jemand die Beerdigungskosten sparen wollte. Der Mann wurde auf kostengünstigste Weise entsorgt.

      „Keiner fasst etwas an,“ rief Friedrich Fuchs und bäumte sich vor Viktoria Untermaier auf. Viktoria wurde stinksauer, sie hatte genug von dem Typen, der sich hier künstlich aufspielte und eine Unruhe reinbrachte, die sie überhaupt nicht leiden konnte.

      „Halten Sie die Klappe Fuchs! Ich leite hier die Ermittlungen und mir ist durchaus klar, was ich anfassen darf, und was nicht. Ich sehe mir die Leiche in Ruhe an und wenn Sie mit Ihrer Arbeit dran sind, werde ich Sie rechtzeitig informieren. Haben wir uns verstanden?“

      Die Polizisten besahen sich die Leiche und den Sarg, wobei ihnen Fuchs immer über die Schulter sah.

      „Der ist noch ziemlich gut erhalten,“ sagte Leo, „man kann das Gesicht gut erkennen. Es dürfte nicht schwer sein, herauszufinden, um wen es sich handelt. Schwer zu sagen, wie lange er schon tot ist. Die Kälte der Höhle dürfte den Verwesungsprozess hinausgezögert haben. Äußerlich kann ich auf den ersten Blick keine Gewalteinwirkung feststellen.“

      „Was nichts heißen soll. Fuchs! Die Leiche und der Sarg gehören Ihnen. Vergessen Sie die Taschen des Anzuges nicht. Den Bericht möchte ich natürlich so schnell wie möglich auf meinem Tisch.“

      Friedrich Fuchs war hocherfreut, endlich loslegen zu können, er liebte seinen Job über alles. Er gab lautstark und unfreundlich Anweisungen. Mit ihm zu arbeiten war bestimmt kein Vergnügen. Trotzdem riss man sich um einen Platz in seinem Team, denn Fuchs hatte fachlich gesehen einen sehr guten Ruf. Ein Empfehlungsschreiben von Fuchs würde viele Türen öffnen.

      Alle hatten einen verstohlenen, faszinierten und neugierigen Blick in den Sarg geworfen.

      „Kennt jemand den Toten?“, fragte Viktoria in die Runde und bekam als Antwort nur Kopfschütteln. „Wer hat den Toten gefunden?“

      „Das war der Weber Anton,“ antwortete Horst Schuster und zeigte auf einen jungen Mann, der verstört in der Runde stand und die Hand hob, nachdem er seinen Namen hörte.

      „Sie haben den Sarg gefunden?“

      „Jawohl. Ich musste austreten und bin ein paar Meter in den Wald rein. Hier ist es ziemlich dunkel. Nachdem ich fertig war und die Hose hochzog, habe ich im Augenwinkel ein Flackern gesehen. Natürlich wollte ich wissen, woher das kam. Zuerst dachte ich ja, das sind die Augen eines Tieres, aber das konnte nicht sein. Tiere hauen ab, wenn ihnen Menschen zu nahe kommen. Ich bin vier, vielleicht fünf Meter in die Richtung gegangen und hatte das Flackern nochmals wahrgenommen. Ich hob die Äste auf die Seite und hab die Höhle entdeckt. Der Horst hat mich gerufen, denn wir wollten weitermachen. Ich habe ihn gebeten, zu mir zu kommen, das kam mir sehr merkwürdig vor. Er hat die Äste gehalten und ich bin in die Höhle rein. Dort habe ich den Sarg gefunden. Sie glauben nicht, wie ich mich erschreckt habe.“

      Leo konnte den Ausführungen von diesem Weber Anton nicht ganz folgen, von dem er ursprünglich annahm, dass das der komplette Nachname war. Bis er von seinem neuen Kollegen Hiebler dahingehend informiert wurde, dass es hier üblich war, zuerst den Nachnamen und dann den Vornamen zu nennen. Hans Hiebler musste ihm das eine oder andere übersetzen und erklären, denn der Weber Anton sprach einen Dialekt, wie ihn Leo noch nie gehört hatte. Und dabei nuschelte er auch noch und verschluckte einige Silben. Für Leo als Schwabe war er schwer zu verstehen. Mehr hatte der Weber Anton nicht zu sagen und schwieg nun. Die Polizisten unterhielten sich mit den Waldarbeitern. Vor allem Leo bat um Informationen über den Kastler Forst, womit er bei den Waldarbeitern genau an der richtigen Stelle war. Es stellte sich heraus, dass solche Höhlen für den Kastler Forst und für die direkte Umgebung nicht ungewöhnlich waren. Dieses Gebiet war durchlöchert wie ein Schweizer Käse.

      „Und keiner von Ihnen kennt den Toten?“, stellte Leo nochmals seine Frage. Er konnte sich nicht vorstellen, dass man sich in ländlicher Umgebung nicht kannte.

      „Das ist keiner aus Kastl, sonst würden wir ihn kennen. Fragen Sie vorsichtshalber beim Pfarrer, im Rathaus und im hiesigen Wirtshaus bei der Bedienung. Die Helga kennt fast jeden. Aber ich bin mir sicher, dass das keiner von uns ist.“ Horst Schuster war in Gegenwart der Kollegen um einiges redseliger. Vor allem wollte er endlich die Polizei vom Hals haben, denn sie hatten noch jede Menge Arbeit vor sich. Es war schon spät geworden, durch diese Aktion hier hatten sie bereits einen halben Tag verloren.

      Friedrich