Название | David Copperfield |
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Автор произведения | Charles Dickens |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783753197098 |
»Wenn Sie gestatten würden, Maam,« fing ich an.
Sie fuhr zusammen und blickte auf.
»Wenn Sie gestatten würden, Tante!«
»Eh,« rief Miß Betsey mit einem Ton des Erstaunens aus, wie ich nie einen ähnlichen gehört hatte.
»Wenn Sie gestatten würden, Tante, ich bin Ihr Neffe!«
»O, Gott!« sagte meine Tante und setzte sich mitten im Gartenweg hin.
»Ich bin David Copperfield aus Blunderstone in Suffolk, wo Sie an dem Abend, als ich geboren wurde, meine liebe Mutter besuchten. Ich bin seit ihrem Tode sehr unglücklich gewesen. Man hat mich vernachlässigt und nichts gelehrt, ich war auf mich selbst angewiesen und wurde zu einer Arbeit verwendet, die gar nicht für mich paßte. Deswegen bin ich fortgelaufen zu Ihnen. Gleich am Anfang wurde ich beraubt und mußte den ganzen Weg zu Fuß gehen und habe in keinem Bett geschlafen, seit ich auf der Reise bin.«
Hier war es mit meiner Fassung zu Ende und mit einer Handbewegung, mit der ich ihre Aufmerksamkeit auf meinen zerlumpten Zustand lenken wollte, als Beweis, was ich gelitten, brach ich in ein bitterliches Weinen aus.
Meine Tante, aus deren Gesicht jeder andere Ausdruck als Verwunderung gewichen war, saß, mich groß anstarrend, auf dem Kiesweg, bis ich zu weinen anfing. Dann stand sie in großer Hast auf, packte mich beim Kragen und schleppte mich in das Wohnzimmer. Ihr erstes war hier, einen hohen Schrank aufzuschließen, verschiedene Flaschen herauszunehmen und mir aus jeder etwas in den Mund zu gießen. Sie muß blind drauflos gegriffen haben, denn ich weiß gewiß, daß ich Aniswasser, Anchovissauce und Salatessig geschmeckt habe. Als ich selbst nach dem Genuß dieser Stärkungsmittel noch immer ganz außer Fassung war und von Schluchzen geschüttelt wurde, legte sie mich auf das Sofa, steckte mir einen Schal unter den Kopf, das Taschentuch von ihrem Kopf unter meine Füße, damit ich nicht den Überzug beschmutzen konnte, und setzte sich hinter den bereits erwähnten grünen Schirm. Ihr Gesicht konnte ich nicht sehen, ich hörte nur, wie sie von Zeit zu Zeit einige »Gott sei uns gnädig!« wie Flintenschüsse hervorstieß.
Nach einer Weile klingelte sie.
»Janet,« sagte sie, als das Mädchen hereinkam. »Geh hinauf, empfiehl mich Mr. Dick und sage ihm, ich möchte ihn gerne sprechen.«
Janet machte erstaunte Augen, als sie mich ganz steif auf dem Sofa liegen sah, denn ich getraute mich nicht, eine Bewegung zu machen, um nicht meine Tante zu erzürnen, – und ging dann hinaus, um ihren Auftrag auszuführen. Meine Tante marschierte, die Hände auf dem Rücken, im Zimmer auf und ab, bis der Herr, der mich aus dem obern Fenster angezwinkert hatte, lachend hereintrat.
»Mr. Dick,« sagte meine Tante, »seien Sie jetzt kein Narr. Niemand kann gescheiter sein als Sie, wenn Sie wollen. Also bitte, nur so vernünftig wie möglich!«
Der Gentleman machte sogleich ein ernstes Gesicht und sah mich an, als wollte er mich bitten, nur ja nichts von der Szene vorhin am Fenster zu verraten.
»Mr. Dick,« fuhr meine Tante fort, »Sie haben mich einmal David Copperfield erwähnen hören. Tun Sie jetzt nicht, als ob Sie kein Gedächtnis hätten, denn Sie und ich wissen das besser.«
»David Copperfield,« sagte Mr. Dick, der sich meiner trotzdem nicht zu erinnern schien, »David Copperfield? Ach ja, richtig. David. Stimmt.«
»Also,« sagte meine Tante, »dies ist sein Sohn. Er wäre seinem Vater so ähnlich wie möglich, wenn er nicht seiner Mutter so gliche.«
»Sein Sohn,« sagte Mr. Dick, »Davids Sohn? Wirklich?«
»Ja,« fuhr meine Tante fort, »er hat hübsche Sachen angestellt. Er ist davongelaufen. Ach, seine Schwester, Betsey Trotwood, wäre nie davongelaufen.«
Meine Tante schüttelte mit Entschiedenheit den Kopf voll Vertrauen auf den Charakter und das Betragen des Mädchens, das nie geboren worden war.
»O Sie glauben, sie wäre nie davongelaufen?« sagte Mr. Dick.
»Ach Gott, der Mann!« rief meine Tante ärgerlich. »Was er wieder redet. Ich weiß doch, daß sie es nie getan haben würde, sie würde mit ihrer Patin beisammen gewesen sein, und wir hätten einander sehr lieb gehabt. Von wo, zum Kuckuck, hätte seine Schwester, Betsey Trotwood, fortlaufen sollen und wohin denn?«
»Nirgends,« sagte Mr. Dick.
»No also,« erwiderte meine Tante, durch die Antwort besänftigt. »Wie können Sie so zerstreut sein, Dick, wo Ihr Verstand so scharf ist, wie die Lanzette eines Chirurgen. Jetzt sehen Sie hier den jungen David Copperfield, und die Frage, die ich Ihnen vorlege, ist, was soll ich mit ihm anfangen?«
»Was Sie mit ihm anfangen sollen,« fragte Mr. Dick verlegen und kratzte sich hinter den Ohren. »Anfangen sollen?«
»Ja,« sagte meine Tante mit einem ernsten Blick und den Zeigefinger in die Höhe haltend. »Ich brauche einen vernünftigen Rat.«
»Hm, wie wäre es,« sagte Mr. Dick nachdenklich und mich mit leerem Blick ansehend, »ich würde –« mein Anblick schien ihm plötzlich einen Gedanken einzuflößen – und er ergänzte rasch: »ich würde ihn waschen.«
»Janet,« sagte meine Tante und drehte sich mit einem stillen Triumph, den ich damals noch nicht verstand, um, »Mr. Dick hat immer recht. Heize das Bad.«
Obgleich ich das größte Interesse an dem Gespräch hatte, konnte ich mich doch nicht enthalten, während desselben meine Tante, Mr. Dick und Janet genau zu beobachten und mich im Zimmer umzusehen.
Meine Tante war eine große Dame mit strengen Zügen, aber durchaus nicht bös aussehend. Es lag eine Unbeugsamkeit in ihrem Gesicht, in ihrer Stimme, ihrem Anzug und in ihrer Haltung, daß ich mir den Eindruck erklären konnte, den sie auf ein so sanftes Geschöpf, wie meine Mutter gewesen, gemacht hatte. Aber ihre Züge schienen eher hübsch als häßlich, wenn auch hart und streng; besonders fiel mir ihr lebhaftes blitzendes Auge auf. Ihr Haar, schon ziemlich ergraut, war unter einer unter dem Kinn zugebundnen Art Nachtmütze in zwei gleiche Teile geteilt. Ihr Kleid, lavendelfarbig und äußerst sauber, war knapp geschnitten, als wünschte sie so wenig wie möglich von ihm behindert zu sein. Es schien mir eigentlich ein Reitkleid zu sein, von dem man die Schleppe abgeschnitten hatte. Sie trug an der Seite eine goldne Herrenuhr, nach Form und Größe zu schließen und der Kette und den Siegeln daran, um den Hals einen Leinenstreifen wie einen Hemdkragen und an den Handgelenken Dinger wie Manschetten.
Mr. Dick hatte graues Haar und ein blühendes Gesicht, wie bereits erwähnt. Den Kopf trug er sonderbar gebeugt, aber nicht wegen des Alters, und seine großen Augen standen weit hervor und hatten einen eigentümlichen wässerigen Glanz, was mich zusammen mit seinem zerstreuten Wesen, seiner Unterwürfigkeit gegen meine Tante und seiner kindischen Freude, wenn sie ihn lobte, auf den Gedanken brachte, er müsse ein wenig verrückt sein, obgleich ich mir dann nicht erklären konnte, wie er hierher kam. Er war wie ein schlichter Gentleman mit weitem grauen Morgenrock, Weste und weißen Hosen bekleidet, trug seine Uhr und sein Geld lose in der Tasche und klimperte damit, als ob er sehr stolz darauf wäre.
Janet, ein hübsches frisches Mädchen, etwa neunzehn oder zwanzig Jahre alt, schien ein wahres Muster von Nettigkeit zu sein. Später erfuhr ich, daß sie eine aus der Reihe der weiblichen Schützlinge war, die meine Tante nach und nach mit der Absicht in Dienst genommen, Männerfeindinnen aus ihnen zu machen, die aber am Schluß gewöhnlich Bäcker geheiratet hatten.
Das Zimmer sah ebenso sauber aus wie Janet und meine Tante. Wenn ich nur einen Augenblick daran denke, rieche ich wieder die Seeluft, vermischt mit dem Dufte der Blumen, sehe die altmodischen und glänzend polierten Möbel meiner Tante, ihren geweihten Tisch und Stuhl, den großen runden Schirm im Bogenfenster daneben, den mit Läufern bedeckten Teppich, die Katze, den Kesselständer, die zwei Kanarienvögel, die Punschbowle, gefüllt mit trocknen Rosenblättern, den hohen Schrank mit seinen Flaschen und Töpfen und wundervoll gegen alles abstechend mein staubiges Ich auf dem Sofa.
Janet