David Copperfield. Charles Dickens

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Название David Copperfield
Автор произведения Charles Dickens
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753197098



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Kapitel

       Einundzwanzigstes Kapitel

       Zweiundzwanzigstes Kapitel

       Dreiundzwanzigstes Kapitel

       Vierundzwanzigstes Kapitel

       David Copperfield

       Charles Dickens

Erster Band

      Erstes Kapitel

      Ob ich mich in diesem Buche zum Helden meiner eignen Leidensgeschichte entwickeln werde, oder ob jemand anders diese Stelle ausfüllen soll, wird sich zeigen.

      Um mit dem Beginn meines Lebens anzufangen, bemerke ich, daß ich, wie man mir mitgeteilt hat, und wie ich auch glaube, an einem Freitag um Mitternacht zur Welt kam. Es heißt, daß die Uhr zu schlagen begann, gerade als ich zu schreien anfing.

      Was den Tag und die Stunde meiner Geburt betrifft, so behaupteten die Kindsfrau und einige weise Frauen in der Nachbarschaft, die schon Monate zuvor, ehe wir noch einander persönlich vorgestellt werden konnten, eine lebhafte Teilnahme für mich gezeigt hatten,

      erstens: Daß es mir vorausbestimmt sei, nie im Leben Glück zu haben, und

      zweitens: Daß ich die Gabe besitzen würde, Geister und Gespenster sehen zu können. Wie sie glaubten, hingen diese beiden Eigenschaften unvermeidlich all den unglücklichen Kindern beiderlei Geschlechts an, die in der Mitternachtsstunde eines Freitags geboren sind.

      Über den ersten Punkt brauche ich nichts weiter zu sagen, weil ja meine Geschichte am besten zeigen wird, ob er eingetroffen ist oder nicht.

      Was den zweiten anbelangt, will ich nur feststellen, daß ich bisher noch nichts bemerkt habe. – Vielleicht habe ich schon als ganz kleines Kind diesen Teil meiner Erbschaft angetreten und aufgebraucht. Ich beklage mich auch durchaus nicht, falls mir diese schöne Gabe vorenthalten bleiben sollte. Und wenn sich irgend jemand anders ihrer vielleicht bemächtigt hat, mag er sie in Gottesnamen behalten.

      Ich kam in einem Hautnetz zur Welt, das später um den niedrigen Preis von fünfzehn Guineen in den Zeitungen zum Verkauf ausgeschrieben wurde. Ob damals die Seereisenden gerade knapp bei Kasse waren oder schwach im Glauben und daher Korkjacken vorzogen, weiß ich nicht; ich weiß bloß soviel, daß nur ein einziges Angebot einlief und zwar von einem Anwalt der zugleich Wechselagent war und zwei Pfund bar und den Rest in Sherry geben wollte und es entschieden ablehnte, um einen höhern Preis diese Garantie gegen das Ertrinken zu erwerben. Die Annonce wurde zurückgezogen – denn was Sherry anbelangte, so wurde meiner armen lieben Mutter eigner Sherry gerade damals versteigert.

      Das Hautnetz wurde zehn Jahre später in unserer Gegend in einer Lotterie unter fünfzig Personen ausgeknobelt; je fünfzig Bewerber zahlten eine halbe Krone per Kopf, und der Gewinner hatte noch fünf Schillinge daraufzulegen. Ich selbst war gegenwärtig und erinnere mich, wie unbehaglich und verlegen mir zu Mute war, als ein Teil meines eignen Selbsts auf diese Weise veräußert wurde. Ich weiß noch, daß eine alte Dame mit einem Handkorb das Netz gewann und die ausgemachten fünf Schillinge in lauter Halfpennystücken zögernd herausholte.

      Es fehlten damals noch zwei und ein halber Penny, was man ihr nur mit einem großen Aufwand an Zeit und Arithmetik begreiflich machen konnte. Tatsache ist, daß die alte Dame wirklich nie ertrank, sondern triumphierend im Bette starb; zweiundneunzig Jahre alt.

      Ich ließ mir erzählen, daß sie sich bis an ihr Ende außerordentlich damit brüstete, in ihrem ganzen Leben niemals auf dem Wasser gewesen zu sein, höchstens auf einer Brücke, und daß sie bei ihrem Tee, dem sie sehr zugetan war, stets ihre Entrüstung über die Gottlosigkeit der Seeleute aussprach, die sich auf dem Meere »herumtrieben«.

      Es war vergebens, ihr vorzustellen, wie viele Annehmlichkeiten wir, den Tee zum Beispiel mit inbegriffen, dieser Unsitte verdanken. Stets erwiderte sie mit noch größerm Nachdruck und mit instinktivem Bewußtsein von der Gewalt ihres Einwandes: »Man hat sich trotzdem nicht herumzutreiben.«

      Um mich aber nicht selbst herumzutreiben und abzuschweifen, will ich wieder zu meiner Geburt zurückkehren.

      Ich erblickte in Blunderstone in Suffolk oder daherum, wie man in Schottland sagt, das Licht der Welt. Ich bin ein nachgebornes Kind. Meines Vaters Augen schlossen sich sechs Monate früher, als die meinigen sich öffneten.

      Es liegt etwas Seltsames für mich in dem Gedanken, daß mein Vater mich niemals gesehen hat, und noch Seltsameres in der schattenhaften Erinnerung aus meiner ersten Kinderzeit an den weißen Grabstein auf dem Kirchhof. Ich empfand unsäglichen Kummer, daß er dort draußen allein liegen mußte in der dunklen Nacht, während unser kleines Wohnzimmer warm und hell war von Feuer und Licht und das Tor unseres Hauses – fast grausam kam es mir manchmal vor – für ihn verriegelt und verschlossen.

      Eine Tante meines Vaters, folglich eine Großtante von mir, von der ich bald mehr zu erzählen haben werde, galt als die angesehenste Person in unserer Familie. Miß Trotwood oder Miß Betsey, wie meine arme Mutter sie immer nannte, wenn sie ihre Angst vor dieser schrecklichen Persönlichkeit so weit überwand, sie überhaupt zu erwähnen, war verheiratet gewesen mit einem Manne, der jünger als sie selbst und sehr hübsch war. Allerdings nicht in dem Sinn des Sprichworts, »hübsch ist, wer sich hübsch beträgt,« – denn er stand stark in dem Verdacht, daß er Miß Betsey durchzuprügeln pflegte und einmal sogar wegen einer strittigen Unterstützungsfrage schnelle, aber entschlossene Vorbereitungen getroffen hätte, sie aus einem Fenster im zweiten Stock hinauszuwerfen.

      Diese offenkundigen Beweise unverträglicher Gemütsart bewogen schließlich Miß Betsey ihn mit Geld abzufertigen und eine Scheidung auf gegenseitige Übereinkunft durchzusetzen.

      Er ging mit dem Kapital nach Indien und wurde dort nach einer wilden Legende in unserer Familie einmal auf einem Elefanten reiten gesehen in Gesellschaft eines Babu. Es wird wohl ein Pavian gewesen sein – oder eine Begum! Wie dem auch sei, ehe zehn Jahre um waren, kam aus Indien die Kunde von seinem Tod.

      Wie meine Tante es aufgenommen hat, weiß niemand. Gleich nach der Scheidung nahm sie ihren Mädchennamen wieder an, kaufte sich ein Häuschen in einem Weiler weit draußen an der Seeküste und lebte dort mit einer einzigen Dienerin in unerbittlicher Zurückgezogenheit.

      Mein Vater mußte einst ihr Liebling gewesen sein, aber seine Heirat hatte sie tödlich beleidigt, da meine Mutter nach ihrer Ansicht nur eine »Wachspuppe« war. Sie hatte meine Mutter wohl nie gesehen, wußte aber, daß sie sehr jung war – noch nicht zwanzig.

      Mein Vater und Miß Betsey sahen einander nie wieder. Er war doppelt so alt als meine Mutter, als er sie heiratete, und von zarter Gesundheit. Ein Jahr darauf starb er; wie ich schon gesagt habe, sechs Monate, ehe ich zur Welt kam.

      So lagen die Dinge an jenem, wie ich wohl sagen darf, ereignisvollen und wichtigen Freitag. Ich weiß natürlich über sie nichts aus eigner Anschauung und stütze meine Erinnerungen auch nicht auf eigne Sinneswahrnehmung.

      Meine Mutter saß am Feuer, körperlich schwach und geistig sehr niedergedrückt, schaute, die Augen voll Tränen, in das Feuer und sann trübe nach über das Schicksal des vor der Geburt verwaisten Kindes, dessen Ankunft binnen kurzem erwartet wurde, und über ihre eigene Zukunft.

      Es war ein heller, windiger Herbstnachmittag, und sie saß betrübt und niedergeschlagen da und von bangen Zweifeln erfüllt, ob sie wohl glücklich die zu erwartende schwere Stunde überstehen werde, als sie, ihre Augen trocknend, aufblickte und durch das gegenüberliegende Fenster eine fremde Dame in den Garten hereinkommen sah.

      Beim zweiten Blick hatte meine Mutter schon die sichere Ahnung, daß es Miß Betsey wäre. Die untergehende Sonne schien