Название | Schattensamt |
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Автор произведения | Klara Chilla |
Жанр | Языкознание |
Серия | Der Clan der Selkies |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742796370 |
»Wir müssen jetzt ein Stück hier entlang. Bleib dicht hinter mir.«
»Wenn du mir nicht davon rast.«
»Wieso sollte ich? Vielleicht warte ich ja nur auf eine Gelegenheit, da weiterzumachen, wo wir gestern Abend aufgehört haben?«
Bumm! Meine Wangen explodierten. Fearghas tat, als hätte er nichts gemerkt und fuhr weiter. Ich holte tief Luft und trat wieder in die Pedale, um ihn einzuholen. Wo genau, wollte er denn bitte weitermachen? Wir hatten doch lediglich … gemeinsam unter einem Busch gelegen. Oh, nein!
Ein entgegenkommendes Auto lenkte mich ab. Ich würde mich nie an diesen komischen Linksverkehr gewöhnen. Ständig hatte ich das Gefühl, dass ich jeden Augenblick überfahren werden würde. Fearghas bemerkte, dass ich etwas zurückgeblieben war und wartete auf mich. Als wir weiterfuhren überholte uns recht eng ein schwarzer Wagen, und ich hätte schwören können, dass dieser komische Reporter drin saß. Verfolgte er uns? Das unbehagliche Gefühl schlüpfte in meinen Magen und warf die Horde Schmetterlinge einfach heraus, die sich dort häuslich niedergelassen hatten. Wofür ich beinahe dankbar war. Ich war schließlich nur für die Ferien hier. Es brachte mir nichts, wenn ich mich auf Fearghas einließ, auch wenn er noch so toll war. Ich seufzte und seufzte noch lauter, als ich das Schild las, das auf einen kleinen Seitenpfad deutete, in den Fearghas jetzt abbog. The Kissing Gate stand in leicht schnörkeliger Schrift darauf. Diesmal lachte Fearghas schamlos, wie ich fand, als er meinem vorwurfsvollen Blick begegnete.
»Du brauchst mich nicht zu verdächtigen, Klara. Kissing Gate heißen bei uns die Tore, durch die Fußgänger auf große Weiden gehen können. Sie sind extra so gebaut, dass nur ein Mensch durchkommt, aber kein Rind.«
Langsam fragte ich mich, ob ich nicht besser mein Gesicht grundsätzlich mit einem roten Make-up versehen sollte. Dann wären solche Momente nicht ganz so schrecklich peinlich. Zu meiner Blödheit kam also die offene Scham in meinem Gesicht, die bei jedem seiner Worte nur intensiver wurde. Wie ich das verabscheute. Aber wie kam man bloß auf die völlig abwegige Idee, ein Weidegatter als Kuss-Tor zu bezeichnen? Fearghas tat als hätte er meine dumme Frage schon wieder vergessen. Aber ich konnte deutlich den amüsierten Zug in seinen Mundwinkeln sehen. Ungerührt öffnete er das Tor, das dicht hinter der Straße unter einer großen Trauerweide lag. Ich schob mein Rad hindurch, saß auf und fuhr kommentarlos davon, während ich hörte, wie er hinter mir das Gatter wieder schloss und mir hinterher radelte. Der Weg war schmal und von einer Seite von dichten mit Moosen bewachsenen Büschen und Bäume begrenzt. Auf der anderen Seite war nackter Fels. Ein Weg wie aus einem Bilderbuch. Jeden Augenblick konnten Trolle oder Elfen auf den Weg schlüpfen, da war ich mir sicher. Es war einfach traumhaft und genau das, was ich so sehr mochte. Mit einem Mal kam es mir gar nicht mehr so schlimm vor, dass ich nicht wie alle anderen auf einem überfüllten Strand auf Mallorca lag und mich langweilte. Ich warf einen Seitenblick auf Fearghas, der jetzt neben mir fuhr. Nein, das hier war besser. Viel besser!
»Wir sind gleich da!«, sagte er und warf mir einen Blick zu, der dafür sorgte, dass ich beinahe gegen den Fels fuhr. Gerade noch rechtzeitig konnte ich den Lenker nach links reißen und fuhr stattdessen in Fearghas Vorderrad, der daraufhin zur Seite kippte, aber einen Sturz mit einem schnellen Sprung aus dem Sattel verhinderte, geistesgegenwärtig nach meinem Rad griff und damit auch noch meinen Sturz verhinderte.
»Oh, ’tschuldigung«, murmelte ich verlegen und wusste nicht so recht, wo ich hinsehen sollte. Langsam war es wirklich genug an Peinlichkeiten.
»Nichts passiert«, entgegnete er sanft. Für einen schrecklichen Moment dachte ich, er würde meine Hand greifen oder etwas anderes Schreckliches, und mein Herz stand solange still. Doch Fearghas schob lediglich mein Rad wieder in eine ordentliche Position. Praktisch veranlagt, dachte ich und sagte möglichst beiläufig: »Wollen wir dann weiter?«
Nur wenige Minuten später erreichten wir endlich die Bucht, die wie aus dem Nichts vor uns auftauchte, als wir durch einen kleinen Felsenbogen fuhren. Ergriffen blieb ich stehen und blinzelte überrascht. Die Bucht war wie versprochen mit einem herrlichen und nahezu weißen Sandstrand ausgestattet, aber einsam? Hier schien eher irgendwo ein Bus mit Badetouristen angekommen zu sein. Mehrere Strandlaken waren ausgebreitet und Pärchen oder Familien lagen am Strand, spielten Ball oder planschten im Wasser.
Fearghas starrte entgeistert auf die Szenerie, die sich uns bot.
»Das habe ich hier noch nie erlebt. Tut mir leid. Ich habe keine Ahnung, wo diese Leute alle herkommen.«
»Das macht nichts. Es ist trotzdem sehr schön hier.«
Langsam schoben wir unsere Räder bis zu einem buckligen Felsen und lehnten sie daran. Hier hatten wir Schatten und waren ein wenig von den anderen Menschen abgeschirmt. Aber so richtig Lust auf Schwimmen hatte ich jetzt nicht mehr. Alleine wäre irgendwie netter gewesen.
Während Fearghas unsere Sachen ausbreitete, ging ich neugierig zum Wasser. Kleinere und größere Felsen säumten hier den Übergang zwischen Strand und Wasser. Ich kletterte auf einen Felsen hinauf und setzte mich, dabei fiel mein Blick auf etwas silbrig Glänzendes. Neugierig sprang ich in den Sand und hob es auf. Es war unglaublich weich und glatt und wirkte, wie ein seidiges Stück Fell aus dem Jemand ein kleines Armband gefertigt hatte. Was das wohl für ein Tier gewesen war, dachte ich. Fasziniert strich ich mit den Fingerspitzen über die kurzen Haare, die sich an meine Haut schmiegten. Ich lehnte mich an den erstaunlich warmen Felsen und betrachtete das Armband genauer. Ich war noch nie besonders gut darin gewesen, Tiere nur anhand ihres Felles zu bestimmen. Tatsächlich war ich mir noch nicht einmal sicher, ob dies nicht eher ein Kunstfell war, so schön, wie es sich anfühlte.
Wem mochte es gehören? Ich sah auf und entdeckte eine junge Frau mit einem kleinen Mädchen an der Hand, die suchend über den Strand schritten und dabei jeden Zentimeter des Bodens zu betrachten schienen. Sicher hatte die Kleine das Armband verloren. Ich stieß mich von dem Felsen ab und ging auf die beiden zu. Als die ältere mich bemerkte, warf sie einen ängstlichen Blick über die Schulter zu den anderen. Dann sah sie wieder zu mir. Doch die Angst in ihrem Blick war nicht verschwunden. Was mich aber wirklich erschreckte, war die Tatsache, dass sie haargenau die gleichen Gesichtszüge wie Fearghas besaß. Ja, selbst ihre langen und glatten Haare, die ihr bis weit auf den Rücken fielen, hatten den gleichen dunkelbraunen Ton mit vereinzelten kupfernen Strähnen dazwischen.
»Sucht ihr vielleicht das?«, fragte ich und hielt ihnen das Armband entgegen.
Das hübsche Gesicht des Mädchens erbleichte und die Kleine klammerte sich an ihr Bein.
»Ja, bitte, gib es mir. Bitte!«, sagte sie flehend, was mir wegen eines kleinen Kinderarmbandes ein wenig übertrieben erschien.
»Natürlich. Ich habe es zwischen den Felsen gefunden.« Ich reichte es der Kleinen, die es dankbar entgegennahm, aber ihre sichere Position am Bein der Älteren nicht verließ.
»Danke«, wisperte die Kleine und verbarg ihr Gesicht.
»Schon gut«, sagte ich und wollte mich abwenden.
»Geht nicht ins Wasser. Verlasst den Strand«, flüsterte die Ältere und nahm das kleine Mädchen auf den Arm und drehte sich weg. »Es ist besser, wenn ihr wieder geht!«
Ich starrte sie an, wollte sie aufhalten und tat es doch nicht. Sie ging mit gesenktem Kopf und schnellen Schritten davon, um sich auf ein Laken zu setzen. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass all diese Menschen irgendwie gestellt erschienen. Aus dem unbehaglichen Gefühl wurde Angst, die sich fest in meinen Nacken kauerte und kräftig an mir zog. Ich wirbelte herum und lief zu Fearghas, der bereits sein T-Shirt ausgezogen hatte und sich erstaunt aufrichtete, als er mich sah.
»Ich möchte hier weg«, sagte ich und spürte die Panik in mir heraufkriechen, ohne genau zu wissen, wieso.
»Warum? Wir sind gerade erst angekommen?«
»Ich …«, stammelte ich und suchte fieberhaft nach einer Erklärung. »Ich wollte lieber mit dir alleine sein.«