Название | Vier gewinnt |
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Автор произведения | Rike Waldmann |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783753191126 |
Tief in ihrem Herzen wusste Marlene natürlich, dass Lukas das ganz anders sehen würde. Er tat ja keinem etwas Böses, im Gegenteil, er machte ihren Garten schöner. Das war nicht gegen sie gerichtet. Und er hatte eine große Abneigung dagegen, auch noch seine wenige freie Zeit minutiös zu verplanen. Sie dagegen tat genau das, weil ihr sonst das Schöne im Leben durch die Finger rann. Man musste es schon einplanen, wenn es stattfinden sollte. Und für heute hatte sie einen Sonntag mit Lukas eingeplant. Wenn der ausfiel, war das nichts, worüber sie sich freute.
Marlene zog sich leise zurück. So nicht. Dann würde sie eben allein etwas unternehmen. Schließlich war sie erwachsen und nicht darauf angewiesen, einen Mann an ihrer Seite zu haben, um sich zu amüsieren. Lief da nicht seit letzter Woche diese hoch gelobte Picasso-Ausstellung im Kunstmuseum? Die würde sie sich jetzt ansehen. Und sich danach in die Herbstsonne setzen und noch gemütlich einen Cappuccino trinken. Und sich vielleicht bei Emilio eins von diesen fabelhaften Cornetti dazu gönnen, die man dort nicht nur zum Frühstück bekam. Apropos Kaffee. Genau. Erst mal brauchte sie einen Kaffee. Und in Ermangelung eines Cornetto wenigstens einen Marmeladentoast.
Als Marlene eine gute halbe Stunde später das Haus verließ, war von Lukas immer noch nichts zu hören und zu sehen. Kurz hatte sie überlegt, ob sie ihm ihre Pläne detailliert hinterlassen sollte, damit er sie in zwei oder drei Stunden treffen könnte. Museum war eh nichts für ihn. Aber sie könnten immerhin noch den Nachmittag gemeinsam verbringen. Dann hatte ihr Stolz gesiegt. ‚Bin unterwegs‘ stand auf dem Zettel, den sie ihm auf die Kommode im Flur legte. Sie bettelte doch nicht um gemeinsame Zeit. Wenn er die nicht brauchte: bitte sehr.
Am späten Nachmittag kam sie zurück, entspannt und beschwingt, noch ganz erfüllt von dem schönen Tag, den sie verbracht hatte. Es war irgendwie auch toll, sich mal selbst was Gutes zu tun, ganz allein und nur für Marlene.
Schon an der Haustür zog ihr köstlicher Duft entgegen: Knoblauch, Kräuter … und Fisch? War das Fisch? Lukas kochte. „Bin wieder da“, Marlene machte sich bemerkbar. Lukas kam aus der Küche, strahlte sie an und nahm sie in die Arme. „Hallo, Liebling, wie schön, dass du endlich da bist. Hattest du einen tollen Tag?“ Er wuschelte durch ihre Haare. „Hab dich vermisst, als ich aufgewacht bin. Aber da war es fast schon Mittag. Ist spät geworden gestern mit der Bank.“ Reumütig blickte er sie an. „Gestern Abend hab ich dich gar nicht richtig begrüßt, da war ich so mit meiner Idee beschäftigt. Tut mir leid.“ Er zog sie mit sich in Richtung Keller. „Muss ich dir unbedingt zeigen. Ist super toll geworden.“
Das war sie wirklich. Die Bank war maßgefertigt für die kleine Ecke am Zaun zu den Nachbarn. Sie glänzte inzwischen strahlend weiß und musste nur noch trocknen. Marlene strahlte auch und sah sich schon auf ihr sitzen und Erbsen auspalen. Oder Karotten putzen und Kräuter zupfen. Oder frische Blumensträuße arrangieren. Was man halt so machte im Garten. Sie hatte wirklich den besten, aufmerksamsten, geschicktesten und allerliebsten Mann der Welt. Und war eine undankbare dumme Nuss, wenn sie das nicht anerkannte.
Es wurde dann noch ein richtig schöner Abend.
Im Büro und anderswo
Am nächsten Morgen holte der Alltag Marlene wieder ein: Was sich halt so auf dem Schreibtisch türmt, wenn man ein paar Tage nicht da war. Das ging nicht nur ihr so, der halbe Verlag war ja auf der Messe gewesen. Insofern wurde sie wenigstens nicht von Kollegen behelligt, die hatten alle genug mit ihren eigenen Angelegenheiten zu tun.
Gegen vierzehn Uhr hatte Marlene ihre Mails einmal durchgesehen, das Unwichtige gelöscht, das Wichtige in Kategorien eingeteilt und alles, was schnell zu bewerkstelligen oder weiterzuleiten war, erledigt. Die langwierigen Aufgaben würde sie ab morgen abarbeiten. Jetzt musste sie erst einmal die Messe nachbereiten, so lange noch alles frisch war. Aber zuerst brauchte sie eine Mittagspause. Und etwas zu essen.
Zum Glück lag das Verlagsgebäude mitten in der idyllischen Altstadt, wo es an jeder Ecke einen Imbiss, ein Café oder mindestens eine Dönerbude gab. Wonach war ihr denn? Zu üppig sollte es nach dem wunderbaren Abendessen gestern eher nicht sein, sonst könnte sie die neue Lederhose, die sie sich aus Frankfurt mitgebracht hatte, gleich wieder vergessen. Und überhaupt. Satt machte müde, und das konnte sie überhaupt nicht gebrauchen. Also vielleicht Thai Curry? Das gab es zwar neulich abends mit Stefan Sommer erst, aber das ging immer. Es schmeckte, war schnell zubereitet und machte nicht dick. Ihr lief das Wasser im Munde zusammen.
Satt und zufrieden betrat sie eine Stunde später ihr kleines Büro, wo passgenau das Telefon läutete. „Winter“, meldete sich Marlene, die Handtasche noch in der Hand und mit einem Arm noch halb in ihrer Jacke. In der Eile hatte sie nicht aufs Display geschaut – sonst hätte sie wohl erst einmal den Anrufbeantworter drangehen lassen.
„Hier ist Stefan Sommer“, tönte es aus dem Hörer. „Ich wollte nur mal hören, ob Sie gut wieder zu Hause angekommen sind.“ – „Oh, hallo, ja, das bin ich. Und Sie?“ Sehr originell. Was sollte er von ihr denken? Sie war doch sonst nicht auf den Mund gefallen. „Ich hoffe, die Arbeit geht voran?“, schob sie schnell nach. Ganz die professionelle Lektorin. Gut so.
„Na ja, die Quellenlage ist unverändert hervorragend.“ Stefan Sommer ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Weswegen ich anrufe: Könnten Sie mir, bevor ich richtig loslege, schon mal einen Vertragsentwurf zuschicken? Damit ich einen Terminanreiz habe, um fertigzuwerden? Und schon mal überlegen kann, welches Ferrari-Modell ich mir vom Honorar wohl zulege?“ Er lachte.
Das meinte er doch hoffentlich nicht ernst. Oder? Oder??? Marlene zögerte einen winzigen Moment. Dann sagte sie: „Selbstverständlich müssen wir über die Konditionen reden. Auch der Verlag hat ja ein großes Interesse, Sie fest zu binden. Sonst überlegen Sie es sich kurz vor Fertigstellung am Ende und laufen zur Konkurrenz über. Als Termin wäre natürlich eine Vorstellung des Buches auf der nächsten Frankfurter Messe ideal. Da würde unser Marketing so richtig was lostreten. Ob das zu früh käme, können allerdings nur Sie beurteilen. Ich kenne ja Ihre sonstigen Termine nicht. Man könnte auch Leipzig, ein halbes Jahr später, ins Auge fassen. Was das Honorar betrifft: Eventuell sollten Sie mal schauen, ob es nicht eine Preisklasse drunter auch schöne Autos gibt. Was, äh, hatten Sie sich denn so vorgestellt?“
Elegant aus der Affäre gezogen. Jetzt musste er kommen. Für fünf Prozent würde er nicht anbeißen, das war Marlene natürlich klar. Aber wie weit würde sie gehen können? Wie hoch sollte sie die Auflage realistischerweise ansetzen? Das musste sie schnellstmöglich mit Peter und Nele besprechen. Überhaupt: Ihr Chef wusste ja noch gar nichts von dem Coup. Und Nele auch nicht. Die Marketingleiterin würde begeistert sein. Bei solchen Projekten lief sie zur Höchstform auf. Leider gab es sie nicht so häufig, wie Nele das gern gehabt hätte. Aber einen Stefan Sommer konnte man sich eben auch nicht backen. Marlene würde natürlich bescheiden auftreten, wenn sie den Joker aus der Tasche zog. Aber zugeben, dass ihr dieses Goldstück quasi unverhofft in den Schoß gefallen war – soweit würde sie dann auch wieder nicht gehen. Immerhin war die Empfehlung durch Andreas Martens ja ihrer hervorragenden Arbeit zu verdanken.
All das wirbelte blitzschnell durch ihren Kopf. Und so wurde ihr erst mit leichter Verzögerung klar, dass ihr Gegenüber stumm blieb. „Hallo, sind Sie noch dran? Müssen Sie noch rechnen?“ Sie versuchte es mit einem Scherz.
„Nein, das muss ich nicht“, Stefan Sommer klang auf einmal sehr sachlich. „Andreas hat mich über die Honorarzahlungen des Verlags hinlänglich aufgeklärt. Ich mache mir da keine Illusionen. Und aufs große Geld kommt es auch gar nicht an. Aber ein neues Mountainbike sollte irgendwie schon drin sein bei all der Arbeit.“ Marlene atmete auf. „Natürlich, gute Arbeit ist ihren Lohn wert. Ich bringe ja auch kein Geld mit, damit ich in