Holzperlenspiel. Irene Dorfner

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Название Holzperlenspiel
Автор произведения Irene Dorfner
Жанр Языкознание
Серия Leo Schwartz
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738005257



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man das in Heimarbeit; auch wir in unserem Orden haben diese hergestellt und dann verkauft und verschenkt. Heute geht das natürlich alles maschinell. Wenn Sie über den Kapellplatz gehen, können Sie in jedem Devotionaliengeschäft solche Rosenkränze erwerben.“

      Viktoria war enttäuscht, das wäre auch zu einfach gewesen. Sie machte Anstalten zu gehen, aber Leo war noch nicht fertig.

      „Wie kann ich mir dieses Kloster vorstellen? Was machen Sie eigentlich so den ganzen Tag?“

      „Ich vermute, Sie sind nicht katholisch?“ Leo nickte und schämte sich nicht für seine Frage, schließlich gab es keine dummen Fragen, sondern nur dumme Antworten.

      „Den Kapuzinerorden gibt es schon viele Jahrhunderte. Durch die Abspaltung von den Franziskanern hat sich dieser Bettelorden seinerzeit gegründet. Auch in Altötting gibt es uns schon sehr lange. Leider leben heute nur noch 25 Glaubensbrüder hier im Kloster. Wir sind für die Organisation der Wallfahrer zuständig, für die Gottesdienste, die Beichte, für die allgemeine Seelsorge, und wofür man uns sonst noch brauchen kann. Und natürlich darf man unsere Schule nicht vergessen, die zu unserem Orden gehört und von uns geleitet wird.“ Bruder Paul sprach langsam und hielt sich mit genauen Fakten und Daten zurück, denn er hatte über die Jahre gelernt, dass sich nur die wenigsten für die genauen Hintergründe interessierten.

      „Und was genau haben Sie jetzt mit dem Bruder-Konrad-Kloster neben der Basilika zu tun, an dem wir vorhin vorbeigelaufen sind? Soweit ich das gesehen habe, ist das ein riesiges Kloster und sieht dazu noch tiptop renoviert aus. Warum leben Sie hier und nicht dort?“

      Die Frage war absolut berechtigt und Viktoria, die sich anfangs über die naive Frage ihres Kollegen und Lebensgefährten ärgerte, war nun auch sehr interessiert.

      „Bis vor einigen Jahren lebten wir im besagten Bruder-Konrad-Kloster und wir sind hier hergezogen, da diese Räumlichkeiten damals leer standen und weitaus komfortabler waren. Das Bruder-Konrad-Kloster wurde zwischenzeitlich aufwändig renoviert und über die weitere Verwendung wurde noch nicht entschieden. Vorerst bleiben wir hier, denn ein erneuter Umzug wäre für uns sehr aufwändig und wir fühlen uns hier neben der Magdalenenkirche sehr wohl.“

      „Das heißt, das riesige, neu renovierte Bruder-Konrad-Kloster ist leer?“

      Bruder Paul nickte nur. Er konnte den beiden Kriminalbeamten zwar antworten, musste sich aber vor ihnen nicht rechtfertigten – das Kloster war Eigentum der Kapuziner und was damit geschieht, liegt einzig und allein bei den Kapuzinern. Der Guardian stand auf, trat an den riesigen, aufwändig geschnitzten Schrank und gab Leo einige Broschüren.

      „Hier sind Informationen über uns Kapuziner, das Kloster und unsere Arbeit. Wenn Sie keine weiteren Fragen haben, würde ich mich gerne wieder meiner Arbeit widmen. Bruder Siegmund steht Ihnen zur Verfügung, er hat mich eindringlich darum gebeten, Ihnen helfen zu dürfen und wartet draußen auf Sie. Sehen Sie ihm bitte seine Neugier nach, sie ist sein einziges Laster. Er ist zwar von einfachem Gemüt, aber grundehrlich und sehr anständig. Sie können sich auf ihn verlassen. Ich hätte noch eine Bitte an Sie: bearbeiten Sie diesen Fall mit äußerster Diskretion.“

      „Wir werden unser Möglichstes tun. Vielen Dank.“ Viktoria zog Leo mit sich, der gerade Luft holte und etwas darauf sagen wollte, mehr noch, Leo wollte sich mit Bruder Paul anlegen und sie fürchtete eine Grundsatzdiskussion, auf die sie keine Lust hatte.

      Bevor sich Bruder Paul wieder an die Arbeit machte, musste er vorab einige wichtige Telefonate erledigen, die diesen bedauerlichen Mord betrafen. Er hatte einige Verbindungen, die er nun kontaktieren musste. Schließlich konnte und wollte er das Klosterleben durch die Ermittlungen nicht beeinträchtigen. Vor allem aber musste er schlechte Publicity von den Kapuzinern, vor allem aber von seinem Kloster, abwenden. Diese Polizistin war ja noch einsichtig, aber dieser Herr Schwartz war ein Rebell und hatte keine positive Einstellung zum Klosterleben – er musste unbedingt seine Kontakte nutzen und die Polizisten zumindest etwas einbremsen.

      Vor der Tür wartete tatsächlich Bruder Siegmund mit einem breiten Lächeln. Er gab den Polizisten ein Zeichen, ihm zu folgen, und nur wenig später fanden sie mit seiner Hilfe aus dem Labyrinth des Kapuzinerklosters wieder nach draußen. An der Pforte öffnete Bruder Andreas die gesicherte, schwere Tür.

      „Ist Ihnen in letzter Zeit irgendetwas Merkwürdiges aufgefallen?“, fragte Leo Bruder Andreas, während Viktoria nach draußen drängelte und so schnell wie möglich von hier wegwollte. Die muffigen Gänge und diese düstere Atmosphäre des Klosters gefielen ihr überhaupt nicht.

      „Ich möchte niemandem Schaden zufügen oder Ärger bereiten,“ sagte Bruder Andreas schüchtern – und hatte sofort Leos Aufmerksamkeit, während Viktoria weiterging und sich eine Zigarette anzündete. Seit ihrer schweren Verletzung, die sie bei einem Fall mit geschminkten Leichen davongetragen hatte, rauchte sie wieder. Leo hielt sie nicht davon ab, sie war alt genug und wusste am besten, was gut für sie war – wenn das alles war, was von ihrer Verletzung mit der anschließenden Reha und den psychischen Problemen übrigblieb, war er mehr als zufrieden und konnte sehr gut damit leben.

      Bruder Siegmund stand ganz dicht an Leos Seite, er wollte kein einziges Wort verpassen. Bruder Andreas trat aus seinem kleinen Zimmer heraus, denn durch das kleine Fenster zu sprechen war doch sehr mühsam. Die drei Männer standen nun in der Ecke beisammen und gaben ein komisches Bild ab: der kleine, dicke Bruder Siegmund mit dem runden Kopf und den wachen Augen, die hektisch hin und her wanderten. Der junge, schmächtige Bruder Andreas, der von der Körpergröße seinen Mitbruder nur unwesentlich überragte. Und dann noch der dunkel gekleidete, sehr große Leo Schwartz, dessen Totenkopf auf dem T-Shirt in dem düsteren Licht des Klostervorraumes geradezu zu leuchten schien.

      „In den letzten Tagen war mehrfach eine Frau hier und hat nach Bruder Benedikt gefragt.“

      „Kennst du ihren Namen? Was wollte sie von ihm?“

      „Ihren Namen hat sie mir nicht genannt. Und natürlich habe ich sie nicht nach ihrem Anliegen gefragt, das geht mich doch nichts an.“

      „Wie sah sie aus? Können Sie sie beschreiben?“

      „Sie war vielleicht 50 Jahre alt, so groß wie ich und eine Sandlerin.“ Die letzten Worte flüsterte er verlegen.

      „Eine was? Eine Sandlerin? Was soll das sein?“ Leo hatte diesen Ausdruck noch nie gehört.

      „Sie sind auch nicht aus Bayern, das habe ich sofort an ihrem Dialekt gehört. Ich tippe auf den schwäbischen Raum?“ Leo nickte. „Eine Sandlerin ist in Bayern und auch in Österreich eine Obdachlose, eine Frau, die auf der Straße lebt. Entschuldigen Sie bitte, mein Mitbruder ist hier in Altötting geboren und aufgewachsen. Bitte Bruder Andreas, fahr fort, wir wollen schließlich erfahren, was es mit dieser Frau auf sich hat.“

      „Die Sandlerin wollte mit Bruder Benedikt sprechen. Es war beinahe unmöglich, mit der Frau ein vernünftiges Wort zu sprechen, sie sprach sehr wirr. Ich habe sie auf unsere Beichtzeiten hingewiesen, ihr etwas zu essen gegeben und sie wieder weggeschickt. Aber sie kam wieder, insgesamt drei Mal. Natürlich habe ich Bruder Benedikt von dieser Frau erzählt, aber er kannte sie offensichtlich nicht, schließlich war er nicht von hier. Er hat mich gebeten, sie an einen Mitbruder zu verweisen, was ich auch immer getan habe. Aber sie wollte nur zu Bruder Benedikt. Wie gesagt, die Frau schien mir geistig verwirrt. Außerdem umgab sie der Geruch von Alkohol.“

      „Wann war sie das letzte Mal hier?“

      „Vor zwei Tagen.“

      „Wenn die Frau hier wieder auftaucht, rufen Sie mich umgehend an.“ Leo gab ihm seine Karte und ging zu Viktoria, die ungeduldig auf ihn wartete. Er erzählte ihr von der Frau, die mehrfach nach dem Toten gefragt hatte.

      „Dann werden wir versuchen, die Frau ausfindig zu machen.“

      „Und wie willst du das anstellen?“

      „Ich könnte darauf wetten, dass nicht nur der Kapellplatz, sondern auch andere Plätze in Altötting videoüberwacht sind. Die Aufzeichnungen werden wir uns besorgen und mit Hilfe des Pförtners und mit viel Glück werden wir die Frau vielleicht