Название | Zur buckligen Wildsau |
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Автор произведения | Anke Niebuhr |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783753133942 |
Sie legte sich hin, schloss die Augen und stellte sich widerwillig noch einmal Gordogan Foregga vor. Sie mochte sowieso kaum jemanden, aber ihr Boss, dieser Foregga, ging ihr ganz besonders auf die Nerven. Ein arroganter Pinsel, der es sichtlich genoss, seine Untergebenen herumscheuchen zu können, wie es ihm gerade in den Kram passte. Widerlich. Nun gut, egal, sie sah ihn vor ihrem geistigen Auge und wartete ab.
Sie konnte fühlen, wie sich die Dolbs überall auf ihrem Körper verteilten und sich das Bimmeln wie ein Vibrieren in ihrem Körper ausbreitete. Amanda musste sich sehr konzentrieren, um das innere Bild nicht zu verlieren, aber es gelang ihr irgendwie. Sie erinnerte sich an den Moment, als Foregga ihr in seiner gewohnt überheblichen Art und mit abschätzigem Blick ihren Auftrag erklärt hatte. Im Geiste streckte sie ihm den Mittelfinger entgegen. Grinsend lag sie im Sand und Josh fragte sich, was wohl so lustig sein mochte.
Tatsächlich sah Amanda die Dolbs neben Gordogan auftauchen. Sie verteilten sich auf seinem Körper und bimmelten dort weiter. Dann verschwanden sie gemeinsam mit Gordogan. Amanda setzte sich auf und sah Josh stirnrunzelnd an. Die Dolbs waren weg.
„Das ist absurd. Wo sind sie denn hin? Teleportieren geht hier doch angeblich nicht. Wie haben sie das gemacht?”
Josh zuckte die Schultern. „Was weiß ich”, sagte er fröhlich. „Zauberei? Ist doch unwichtig. Ich find's coool, Mann.”
Verzweiflung und ihre Blüten
Gordogan Foregga war nur mit großer Mühe in der Lage, seiner Arbeit auch nur ansatzweise angemessen nachzugehen. Das fiel natürlich auf. Mit jedem Tag erntete er zweifelndere Blicke. In keinem schwang Besorgnis mit, denn er hatte es sich nicht zur Gewohnheit gemacht, sich mit seinen Untergebenen über das nötige Maß hinaus abzugeben. Im Gegenteil, sie waren ganz eindeutig unter seinem gesellschaftlichen, finanziellen und intellektuellen Niveau und interessierten ihn kein bisschen.
Gut so. Bis jetzt hatte es noch keiner von ihnen gewagt, ihn auf sein verändertes Verhalten anzusprechen. Anscheinend hatte sich auch noch niemand getraut, sich über ihn zu beschweren, aber er musste sich zusammenreißen, sonst würde es über kurz oder lang darauf hinauslaufen. Leider war ihm das unmöglich. So sehr er sich jeden Tag aufs Neue dazu zwingen wollte, er schaffte es nicht, denn er war mit den Gedanken ganz woanders.
Entgegen seiner langjährigen Gewohnheit ließ er seit einigen Wochen pünktlich zum Feierabend alles stehen und liegen und flüchtete aus dem Büro. In seiner Führungsposition konnte er sich das eigentlich nicht leisten und seit dem Tod seiner Frau vor fast sieben Jahren hatte er sich erst recht in die Arbeit geflüchtet wie ein Besessener. Umso stärker fiel es nun allen auf, dass er nicht bei der Sache war. Egal. Das ging niemanden etwas an, die sollten sich gefälligst um ihren eigenen Kram kümmern. Er tat ja schließlich seinen Job, oder? Zur Zeit nicht sehr gut, das konnte er sich selbst gegenüber zähneknirschend zugeben, aber so gut er konnte. Das musste reichen. Es gab Wichtigeres.
Wie jeden Tag in den letzten Wochen fuhr Gordogan direkt in das abgelegene, private Krankenhaus und ging die langen Gänge entlang, ohne auf die prachtvollen Gärten zu achten, die um das Krankenhaus herum angelegt worden waren. Er hielt vor der Tür inne, durch die er nicht gehen wollte, und wie jeden Tag stand er zuerst ein Weile wie gelähmt davor und konnte sich nicht überwinden. Erst, wenn er sich gewappnet genug fühlte, oder wenn jemand vom Pflegepersonal vorbei kam und ihn grüßte, schaffte er es endlich, die Klinke zu drücken und einzutreten.
Der Anblick seines einzigen Sohnes, Mesoran, der leblos in den Kissen lag, war so unerträglich schmerzhaft, dass ihm täglich davor graute. Trotzdem konnte er nicht wegbleiben. Jede freie Minute verbrachte er hier und saß an Mesorans Bett – um Buße zu tun, denn Gordogan war entsetzt klar geworden, dass er alles falsch gemacht hatte. Alles. Die plötzlich über ihn hereinbrechenden Schuldgefühle waren ein eiskalter Schock gewesen. Nun lasteten sie auf ihm wie ein Berg. Sie drückten ihn zu Boden und zerquetschten ihn, bis er sich wie ein widerwärtiger Haufen Dreck fühlte. Denn das war er. Er ekelte sich vor sich selbst.
Er war verantwortlich für die Umstände, die zum Tod seiner Frau geführt hatten, und daran, dass sein Sohn ein Fremder für ihn war. Ausgerechnet in der schlimmsten Phase der Pubertät und unter der Trauer über den Verlust seiner Mutter leidend hatte Mesoran ohne seinen Vater auskommen müssen, weil Gordogan lieber gearbeitet hatte, statt für ihn da zu sein. Und nun lag sein erwachsener Sohn wie tot in den Kissen. Gordogan konnte nichts tun. Er konnte sich nur abgrundtief hassen und auf die Dolbs warten.
Vor ein paar Wochen war Gordogan mit Mesoran zu ihrem monatlichen Abendessen verabredet gewesen. Als Gordogan wie immer verspätet von der Arbeit gekommen war, hatte er seinen Sohn in seinem jetzigen Zustand auf dem Rasen hinter dem Haus liegend gefunden. Mit einem Aufschrei war er zu ihm gestürzt und hatte erleichtert festgestellt, dass Mesorans Herz schlug und dass er atmete. Gordogans Bodyguards waren noch im Haus gewesen – offenbar ein unfähiger Haufen, er würde sie ersetzen, sobald dieser Albtraum überstanden war – und so hatte er sie nach Hause schicken können, ohne dass sie etwas von der Katastrophe mitbekommen hatten. Er hatte ihnen gesagt, dass er sich melden würde, wenn er sie wieder bräuchte, bis dahin hätten sie bezahlten Urlaub. Das fanden sie gut, keine weiteren Fragen. Danach hatte er seinen Sohn in sein Auto getragen und klammheimlich in das beste Krankenhaus gefahren.
Die Ergebnisse der Untersuchungen waren niederschmetternd. Mesoran beziehungsweise sein Gehirn war zwar nicht tot, aber Scans zeigten keinerlei Reaktion auf Licht, Berührung oder Geräusche. Niemand wusste, wodurch dieser Zustand verursacht worden war oder was das genau zu bedeuten hatte, und daher gab es keine Kur, kein Medikament, nichts was man tun konnte. Es war auch unklar, ob sich im Laufe der Zeit an Mesorans Zustand etwas ändern würde. Das würde man abwarten müssen. Gordogan hatte genug Einfluss, um die besten Spezialisten im Handumdrehen an Mesorans Bett zu beordern, aber auch das half nichts. Das Ergebnis blieb das Gleiche.
Die Hilflosigkeit brachte Gordogan fast um den Verstand. Da er auch bei der Arbeit an nichts anderes mehr denken konnte, recherchierte er wie ein Besessener. Durch Zufall fand er einen seltsamen Bericht über Wesen, die angeblich mit dem Unterbewusstsein kommunizieren konnten. Dolbs. Lächerlich! Der ganze Bericht war völlig absurd. Frustriert suchte Gordogan weiter, aber die Dolbs gingen ihm nicht aus dem Kopf. Schließlich rang er sich dazu durch, sich doch näher mit den Dolbs zu beschäftigen, aber er fand keine weiteren Informationen. Der kurze Bericht war und blieb der einzige über die Dolbs. Trotz der wirklich dürftigen Informationen entschloss er sich noch am gleichen Tag, sich auf diese idiotische Sache einzulassen, einfach um überhaupt irgendetwas zu tun und nicht bloß herumzusitzen.
Gordogans Gedanken drehten sich im Kreis, während er stumm seinen Sohn anstarrte. Gerade musste er schon wieder an die merkwürdigen Dolbs denken, er sah sie quasi vor sich – sie schienen zu bimmeln. Darüber hatte er gelesen, sich bisher aber nichts darunter vorstellen können. Er fand das alles zutiefst befremdlich.
Er erinnerte sich daran, wie verzweifelt er gewesen war, als er gelesen hatte, dass er durch eine Superwüste hätte reiten müssen, um zu ihnen zu gelangen, und es gab kein zuverlässiges Prozedere für die Reiseerlaubnis. Das hörte sich gar nicht gut an, aber irgendwie hätte er es möglich gemacht, sich wochenlang freizunehmen. Leider waren die Berichte aber eindeutig: Selbst wenn er sich auf unbestimmte Zeit von der Arbeit freistellen ließe, würde er den Ritt durch die Wüste nicht überleben – und Mesoran schon gar nicht.
Trotzdem. Die Dolbs mussten ihm helfen. Mussten! Nun, wenn er nicht zu ihnen gelangen konnte, mussten sie eben zu ihm gebracht werden, so einfach war das. Aber wen konnte er losschicken? Wer kam dafür in Frage? Eigentlich nur ein Cyborg – und kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende gedacht, wusste er auch schon, welche dieser Halbmaschinen perfekt geeignet war.
Amanda gehörte nicht zu seinem anderen Team aus Bodyguards. Er hatte sie vor ein paar Jahren zusätzlich für die Zeit engagiert, die er im Büro verbrachte. Eigentlich wäre das nicht nötig gewesen. Die Sicherheitsmaßnahmen dort waren einwandfrei, aber es konnte auch nicht schaden. Sobald er Feierabend machte, hatte auch sie Feierabend. Daher wusste sie rein gar nichts über ihn – und weil er sie gezielt wegen ihrer Amnesie und ihrer Zurückgezogenheit ausgewählt hatte, konnte Gordogan davon