Codename Travertin. T.D. Amrein

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Название Codename Travertin
Автор произведения T.D. Amrein
Жанр Языкознание
Серия Krügers Fälle
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742726070



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Sicherheit einmal dicht über den Spaten gleiten ließ. Das Signal heulte so laut auf, dass Frank das Ding vor Schreck beinahe fallen gelassen hätte.

      Kopfschüttelnd überprüfte er den Aushub. Nichts. Erst als er sich dem ausgebuddelten Stein näherte, heulte das Gerät erneut auf. Der Brocken enthielt offenbar Metall. Und nicht zu knapp. So ein Mist! Nicht mal auf die Steine ist noch Verlass, dachte Frank verärgert.

      Ein Blick auf seine Hände erregte Übelkeit. Dürfte wohl ein paar Tage dauern, bis er wieder ohne Schmerzen etwas richtig anfassen konnte. Aber selbst wenn er nichts gefunden hatte: Den Rausch, den er eben erlebt hatte, den würde er nicht so schnell vergessen. So musste sich das viel zitierte Goldfieber anfühlen. Kein Wunder, das unzählige Menschen ihm erlegen waren.

      Notdürftig schob er das Loch wieder zu. Der Stein landete selbstverständlich ganz unten. Und wenn dies auch nur dem Zweck diente, dass ein möglicher, nächster Schatzjäger die gleiche Plackerei vor sich hatte, wie er selbst.

      ***

      Michael Gerteis dachte stundenlang darüber nach, was er noch an Infos über den Agenten Lehmann zusammenkratzen konnte. Sämtliche Aufzeichnungen waren vernichtet oder verschwunden. Nur das, was in irgendwelchen Köpfen überlebt hatte, blieb greifbar.

      Gerteis hatte in seiner Laufbahn Hunderte von Mitarbeitern betreut. Lehmann war ihm im Gedächtnis geblieben als einer der wenigen Ausländer, die sie damals verpflichten konnten. Aber Einzelheiten über ihn, wie weitere Decknamen, Freunde oder Personendaten? Unmöglich, alles im Kopf zu behalten.

      Die einzige Person, die ihm zu Lehmann einfiel, blieb Gerda. Aber die durfte er damit nicht behelligen. Außerdem wusste sie kaum viel mehr als er selbst.

      Direkte Nachforschungen: absolut unmöglich. Der Gedanke entlockte ihm ein Lächeln: „Gerteis! Ministerium für Staatssicherheit, eine Frage …“

      Früher waren die Leute regelrecht geschrumpft vor der Macht, die er mit dieser Einleitung ausstrahlte. Und heute? Heute musste er sich vor dem Pöbel verstecken.

      Irgendjemand weiß immer noch was, versuchte er, sich selbst zur Ordnung zu rufen. Eine Sekretärin oder ein Archivar. Ein Fahrer vielleicht? Aber ohne Bild und Namen? Früher, da hatten sie diese Geruchsproben gehabt. Stofffetzen in Einmachgläsern. Einfach, aber effektiv. Ein Spürhund konnte nicht nur identifizieren, sondern auch gleich die Spur des Subjekts verfolgen. Das war der Hochtechnologie der Westler doch tausendfach überlegen gewesen. Mindestens.

      Gerteis zwang sich zu einem neuen Versuch, bei der Sache zu bleiben. Bloß die Fingerabdrücke besaßen sie konkret als greifbares Indiz. Jemanden damit zu finden war jedoch nur möglich, wenn man über Zugang zu Polizeiinformationen verfügte. Damit eindeutig Fleischers Sache. Der konnte jedoch nicht einfach so, wie früher, nach einer Person fahnden, die er zufällig im Visier hatte. Aber wenn man einen konkreten Verdacht dazu konstruieren konnte, spann er den Gedanken weiter. Vielleicht …

      Die Prints auf einer Sache, die allgemein interessierte. Kein Mord. Das würde zu schnell auffliegen. Aber Kunstwerke oder illegal gehandelte Altertümer zum Beispiel, die schafften es auch in die Nachrichten. Und das waren Dinge, die nicht jeder einfach so anfassen durfte, wie ein Taxi oder eine Banknote.

      Er würde mit Fleischer darüber sprechen. Vermutlich blieb dies das Einzige, was er selbst beitragen konnte. Wenn ihm nicht ein plötzlicher Geistesblitz weiterhalf.

      Gerteis ärgerte sich nicht nur über seine eigene Ohnmacht. Schmerzlich wurde ihm auch bewusst, wie sehr er schon zum alten Eisen gehörte. Ein nutzloser Esser, so hatte ihn sein Vater als Junge oft bezeichnet. Sollte der Alte so spät noch Recht bekommen? Möglicherweise hatte der damals die gleiche Erfahrung gemacht, die er selbst gerade erlebte. Und hatte mit diesem Spruch einfach von sich ablenken wollen?

      Aber als zweifacher Kriegsheld hatte sein Vater das eigentlich nicht nötig gehabt. Der hatte gewusst, wozu er gelebt hatte. Völlig unvorstellbar, dass sich der Alte mit Dingen wie Sinn oder Unsinn des Krieges beschäftigt hatte. Pflicht und Gehorsam! Das zählte. Die guten alten Werte.

      An denen er selbst jedoch gescheitert war. Hatte er denn eine Wahl gehabt?

      „Verdammt!“, schalt er sich selbst. Das alles lag längst hinter ihm. Er hatte sich längst damit abgefunden, dass von ihm keine Spur mehr bleiben würde, sobald sich der Deckel seines letzten Möbels über ihm geschlossen hatte.

      ***

      Franks Hände hatten sich soweit erholt, dass er seit ein paar Tagen wieder mit dem Suchgerät durch die Gegend streifen konnte. In einer anderen Ecke, die ihm der Denkmalpfleger, der offenbar gierig auf neues Material wartete, empfohlen hatte. Die Schwierigkeit bestand hier weniger darin, die Sachen zu finden, sondern darin, sie unbeobachtet aus der Erde zu bekommen. Frank nutzte deshalb die Morgendämmerung, um zu graben. Und den Tag, um zu suchen. Mit unauffälligen Zeichen wie einem geknickten kleinen Ast oder ähnlichen Dingen markierte er Plätze, die durch ein deutliches Signal der Sonde als mögliche Fundstellen in Frage kamen.

      In dem lichten Wäldchen, das ihm der Denkmalheini empfohlen hatte, vermutete dieser einige unberührte Keltengräber. Allerdings sollte Frank, falls er darauf stieß, keinesfalls allein versuchen, die Gegenstände zu bergen. Stattdessen sollte er sich die Stelle merken, damit sie zusammen mit einigen zuverlässigen Jungs den kompletten Schatz in einer Nacht rausholen konnten.

      Franks Aufmerksamkeit und die Interpretation der Sonden-Signale hatten sich durch die Übung weiter geschärft. Die Signale ergaben ein ähnliches Muster, wie es bei Skeletten mit Beigaben zu erwarten war. Oben zum Beispiel ein Halsreif, links und rechts die Waffen oder Armschmuck, im Fußbereich Behälter aus Metall oder weitere Preziosen. Abstände und Liegerichtung zeigten sich auffallend regelmäßig. Selbst ohne große Kenntnisse der Materie wäre jedem Schatzsucher klar, dass es sich hier zu graben lohnte.

      Mindestens seit zwei Stunden hatte Frank niemanden in der Nähe gesehen, also überlegte er, ob er sich über die Anweisung hinwegsetzen konnte oder nicht. Die unglaubliche Neugier zu zügeln, die ihn erfasst hatte, schien fast unmöglich. Wenigstens eine kleine Sondierung! Nur, um sicher zu gehen, natürlich. Das schien ihm vertretbar. An der Stelle, an der er einen Halsreif vermutete, stach er eine Scholle aus der Erde und legte sie vorsichtig ab, um sie genau gleich wieder einsetzen zu können. Die wenigen Bäumchen und Sträucher hinterließen nicht genug Laub, um den Boden vollständig zu bedecken. Einige Kräuter, die Frank nicht kannte, wuchsen verstreut zwischen Pilzen und winzigen Nadelbäumchen. Trotzdem zeigte sich der Boden von Wurzeln durchsetzt, was leichtes Graben unmöglich machte.

      Frank kratzte mit der Klinge seines Jagdmessers, das er sich kürzlich zu diesem Zweck zugelegt hatte, die Erde zwischen den Wurzeln hervor, um wenigstens noch eine Handbreit tiefer zu kommen. Der Denkmalpfleger hatte ihm erzählt, dass die Skelette oftmals fast direkt unter der Oberfläche lagen, in Tiefen von zehn bis zwanzig Zentimetern. Natürlich fand sich genau an dieser Stelle ein Stein zwischen den Wurzeln. Bei seinem Glück wohl unvermeidlich. Frank fluchte leise. Den Stein würde er auf jeden Fall noch schaffen, selbst wenn er damit die Klinge völlig ruinierte.

      Überraschenderweise konnte Frank den ganzen Tag weitergraben, ohne gestört zu werden. Mehrere Objekte lagerten inzwischen in seinem Rucksack. Ein schöner Halsreif, zwei Dolche oder auf jeden Fall Klingen, die sich nicht so besonders gehalten hatten, sowie einige Klumpen, die anhand der Grünverfärbung auf Kupfer schließen ließen.

      Völlig erschöpft, jedoch hochzufrieden, ließ Frank endlich ab. Die Fundstelle hatte er soweit präpariert, dass es kaum auffallen würde, dass hier jemand gegraben hatte.

      Der Denkmalpfleger würde Augen machen, wenn er ihm die Fundstücke vorlegte. Eigentlich hatten sie ausgemacht, dass er ihm einzelne Funde ganz einfach per Post zuschicken konnte. Ohne Absender natürlich und an seine Privatadresse. Das vermied auf jeden Fall, mit Artefakten unterwegs oder bei einer Übergabe erwischt zu werden. Die Idee dazu stammte aus der Erfahrung des Denkmalpflegers. Es kam ab und zu vor, dass er auf diesem Weg Funde erhielt, die wahrscheinlich von Schatzsuchern stammten, die ein schlechtes Gewissen plagte.

      Jedoch bei der Größe und Menge von Franks Funden bliebe auch diese Methode nicht mehr