Название | Wir denken an.... |
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Автор произведения | Heinrich Jordis-Lohausen |
Жанр | Документальная литература |
Серия | Wir denken an .... |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783753190594 |
Man vergisst, dass selbst dessen Ruhe nur die Ruhe des Kunstwerks dartut und allenfalls noch die Ruhe des Künstlers, nicht aber die Ruhe der Zeit; und dass jenes heute kaum mehr begriffene: „Ernst ist das Leben, heiter die Kunst“ früheren Zeiten selbstverständlich war. Und dass es keinem Künstler beigefallen wäre, seine Mitmenschen mit ungefälligen Problemen zu bedrängen; nur deshalb, weil diese Probleme seine eigenen waren.
Auch Correggio trat seinem Werk entgegen wie einem Fest, und ließ alles Persönliche weit hinter sich, wenn er den Pinsel ergriff. Alle alte Kunst, die der Italiener zumindest, schon weniger die der Holländer und Flamen, war diskret.
Wir wissen nichts von häuslichen Streitigkeiten des Antonio Allegri, nichts von seinen politischen Anschauungen, nicht einmal etwas von seinen amourösen Neigungen. Umso mehr wurde in sein Leben hineingeheimnist, was niemand wirklich wissen konnte und was wahrscheinlich niemals zutraf: Verarmung, Not, eheliches Unglück und kaltherzige Ausbeutung durch eigensüchtige Auftraggeber.
Indessen erfahren wir aus verlässlichen Dokumenten, dass Antonio Allegri der Sohn zwar einfacher, aber nicht unvermögender Eltern war, und dass er für seine Arbeiten durchaus angemessene Bezahlungen erhielt. Er war einer jener stillen Arbeiter, die ohne viel Worte die Last des Lebens auf sich nehmen und ziemlich ungestört von der Meinung der anderen ihr vorgenommenes Werk zu Ende führen.
Er ist um das Jahr 1494 geboren, also etwa 40 Jahre nach Leonardo, etwa 20 nach Michelangelo und Tizian und etwa 12 nach Raffael. Sein Aufstieg vollzog sich im Schatten zweier Frauen, der Veronica Gambara, Herrin von Correggio und der Isabella von Este, Gemahlin Francesco Gonzagas, des Fürsten von Mantua.
Auch die Kultur der Renaissance beruhte, wie jede höfische Kultur, auf dem Vorhandensein von Frauen, die sie trugen, und der sie durch ihr bloßes Dasein Erde, Luft und Licht bedeuteten. Und die dabei ebenso namenlos blieben, wie Erde, Luft und Licht namenlos sind und ebenso unersetzlich für alles Gedeihen rund um sie wie diese. Nur ausnahmsweise wurde die Namenlosigkeit der Geschichte gegenüber durchbrochen. Dann wurde eine Frau zum geistigen Mittelpunkt einer Stadt oder eines Fürstentums, Künstler und Gelehrte suchten ihr Urteil und gehorchten ihrem Wink.
Manche der kleinen Höfe Italiens trachteten damals durch Geist zu ersetzen, was ihnen an Reichtum und Gewalt der Waffen gebrach. Was heute Wunschtraum ist und allenfalls noch – und von niemandem ernstgenommen – in den Tischreden von Staatsmännern eine untergeordnete Rolle spielt, war damals Wirklichkeit. Schönheit war Macht.
Denn kannten die Fürsten jeder Tage auch kein anderes Gebot als ihre eigene Lust und die Erhöhung ihres eigenen Ich, so fürchteten sie doch den Fluch, für bildungsfeindlich zu gelten und beugten sich willig vor allem den Gesetzen des Schönen.
Der Sage nach soll Antonio Allegri im Jahre 1511, also mit 16 Jahren vor der Pest von Correggio nach Mantua geflohen sein. Dort stieß er nicht nur auf einen der glänzendsten Höfe Italiens, sondern dank der schöngeistigen Isabella auch auf die letzten und erlesensten Werke der zeitgenössischen Kunst. Nach Mantua war auch der angesehene Ferrarese Lorenzo Costa nach dem Sturze der Bentivogli geflüchtet, und in Mantua hat bis zu seinem Tode der Hofmaler der Gonzaga gelebt, Andrea Mantegna.
Größer jedoch als der Einfluss dieser beiden Maler, insbesondere Mantegnas meisterhafte Bewältigung der Perspektive, war der Einfluss Leonardos. Wir finden diese Feststellung in so ziemlich allen Betrachtungen über die Entwicklung Correggios, obgleich keinesfalls feststeht, wann und wo er die Werke Leonardos erblickt haben kann.
Allerdings gehen manche Autoren so weit, allein auf Grund seiner Malweise, von einem Aufenthalt Correggios in Mailand zu sprechen, als wäre ein solcher erwiesen. Später berichteten die Autoren mit derselben Gewissheit von einer Romreise Correggios, doch nur, weil nach ihrer Ansicht die Ausmalung des Doms zu Parma ohne Kenntnis der „Disputa“ Raffaels überhaupt nicht zu denken ist.
Es kann hier nicht untersucht werden, ob Gleichheit der Einfälle in jedem Falle Nachahmung oder Abhängigkeit bedeutet. Denn wir wissen aus der Geschichte der Technik, dass gleiche Erfindungen oft gleichzeitig und nachweisbar unabhängig voneinander gemacht worden sind und kennen keine andere Erklärung dafür, als die bekannte, die betreffenden Erfindungen hätten zu jener Zeit eben in der Luft gelegen.
Gleiches gilt unzweifelhaft in der Kunst. Gewisse Entwicklungen liegen auch hier vor. Wohl gibt es unwiderlegliche Abhängigkeiten. Jedes Verhältnis Meister – Schüler bedeutet eine solche und niemand wird den Reiz übersehen, allen verborgenen Beziehungen von Künstler zu Künstler Schritt für Schritt nachzugehen. Doch besteht da und dort die fühlbare Tendenz, Werk und Individualität jedes Künstlers in ein Gespinst von angeblichen Einflüssen aufzulösen. Auch Correggio war zeitweilig ein Schulbeispiel dafür: „D a s an seinen Werken sei Mantegna und d a s Leonardo und d a s Raffael!“ Und eigentlich nichts war Correggio.
Zugegeben, sein Werk war weniger ausgeprägt als das der anderen. Gleiches gilt von manch anderen Großen, auch in der Musik. Nur der Eingeweihte erkennt Schumann oder Mendelssohn bereits nach den ersten Takten, der Laie vermag das allerdings nur bei Beethoven oder bei Tschaikowski.
Vasari schreibt, Correggio sei „zum Schaden seines Könnens“ nie in Florenz gewesen. Doch Vasari war einseitig in seiner Vorliebe für die zeichnerische Überlegenheit der Florentiner, er hätte gleiches von Correggio und Venedig schreiben können. Denn auch die Farbigkeit der Venezianer hat Correggio nie vollends erreicht.
Doch bezeichnen weder Farbe noch Zeichnung sein eigentliches Können, sondern Beherrschung des Lichts. Daher seine Verwandtschaft mit Leonardo. Auch mit dem älteren Tizian. Prüfstein dafür: die photographische Wiedergabe mit ihrer Beschränkung auf eine einzige Farbskala: schwarz-weiß. Sie lässt die meisterhafte Verteilung von Hell und Dunkel in Correggios Werken noch augenfälliger hervortreten.
Gleiches gilt nahezu allgemein: je vollendeter ein Gemälde bei vorübergehendem Verzicht auf Farbe, desto vollendeter, wie im Falle Correggios, die Behandlung des Lichts. Wir bewundern sie bereits an seinen früheren Werken, etwa an seiner „Vermählung der heiligen Katherina“ oder seiner „Ruhe auf der Rückkehr aus Ägypten“.
Doch tritt schon hier ein anderes hinzu. Und wer das Wesen Correggios erschöpfend umschreiben will, muss es zu mindestens mit zwei Worten tun: Licht und Bewegung.
Vielleicht ist die ungewöhnliche Bewegtheit seiner Bilder noch kennzeichnender als ihr Schwelgen im Licht. Sie scheint zuweilen alle malerischen Formen zu überwinden und mutet an wie Musik. So wirken gerade seine bedeutendsten Werke – die Domkuppel in Parma – wie lichtgewordene symphonische Stücke: Nichts ist in Ruhe, alles türmt sich in phantastischen Verkürzungen nach oben und löst sich über den Wolken in ein himmlisches Rondo.
Alles das ist vorausgeahntes Barock. Correggio war ein Musikant der Farbe. Doch war die Zeit noch nicht reif, den Pinsel wegzulegen und den Dirigentenstab zu ergreifen. Auch seine weltlichen Stücke sind in all ihrer heidnischen Beschwingtheit gemalte Scherzos, sind gemalte Kammermusik. Correggio galt seinerzeit als unbestrittener Meister in der Darstellung mythologischer Szenen.
Seine erste Auftraggeberin dieser Art war eine Äbtissin – merkwürdig vielleicht für unsere Zeit, nicht für die damalige. Besondere Vorliebe des Correggio: der olympische Zeus, die Töchter der Erde.
Es gibt keine dezentere Darstellung der von einer Wolke umarmten Jo und keine anmutigere der von Schwänen umgarnten Leda als die des Correggio.
Mit ihr stand Correggio auf der Höhe seiner Kunst. Mit 45 Jahren starb er am Fieber. Ein echtes Kind der Renaissance und ihr stillvergnügter Zuseher, ein Begnadeter, dem alles Sinnlich-Schöne heiter und unschuldig und alles Fromme und Unschuldsvolle sinnlich fassbar und heiter erschien. So wie seine Heiligen, die sich von Griechengöttern nur ein wenig durch die Kleidung und vielleicht auch etwas durch die rasch zusammengerafften Mienen unterschieden, sonst aber ihnen gleich waren nach Haltung und Art und Gebärde.
Rembrandt
Rembrandt van Rijn ist am 8. Oktober 1669 völlig vereinsamt und gemieden von seinen Mitbürgern in seinem Amsterdamer Atelier gestorben.