Geliebter Unhold. Billy Remie

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Название Geliebter Unhold
Автор произведения Billy Remie
Жанр Языкознание
Серия Chroniken der Bruderschaft 4
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753189772



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von wegen. Er machte sich etwas vor, die Vergangenheit war stets präsent, immer unter der Oberfläche, das spürte er in allem was er tat und dachte, wonach er sich sehnte. Sie bestimmte ihn, ob er das wollte oder nicht.

      Doch in diesem speziellen Moment war er darauf gekommen, weil er Ari angesehen und ihre stolzen, starken Gesichtszüge bemerkt hatte, wie sie genau wie Eagle handelte und immer die Interessen ihres Mannes durchsetzte, selbst in seiner Abwesenheit, da er zurzeit noch in Carapuhr verweilte. Sie waren so ein starkes Paar, so verliebt, eine Einheit, trotz vieler Schicksalsschläge und trotz verlorener oder weggelaufener Kinder. Sie hatten immer einander, selbst wenn sie nicht gerade im selben Raum – oder auch nur im selben Land – waren.

      Und so kleinlich es in dieser schwierigen Zeit auch war und es gewiss tausend andere Dinge gab, die wichtiger waren als das, aber verdammt noch mal, er sehnte sich nach dem, was sein Vater mit Ari hatte. Liebe, Zuneigung, Vertrauen, Nähe.

      Besonders Nähe, selbst wenn man sich räumlich fern war.

      Etwas, das ihm irgendwie immer verwehrt war.

      Unwillkürlich dachte er an Xaith, und …

      Nein! Er schloss die Tür zu dieser Erinnerung und hing ein dickes Schloss davor.

      Genug davon, sagte er sich und brachte sich mit einem lockeren Kopfschütteln zurück in die Gegenwart.

      Der Verwalter endete gerade, und Ari gab ihr Einverständnis mit einem knappen Nicken, auch über ihren Hals lief nun der Schweiß. Kein Wunder, es war bereits Nachmittag und die Sonne hatte ihren höchsten Punkt überschritten. Die Hitze hatte den Boden aufgeheizt und die heißesten Stunden des Tages brachen an. Trotzdem war die Versammlung nicht vor dem Abend zu ende.

      Kacey seufzte, griff nach seiner Tasse und trank von dem kalten Tee. Er hätte längst einen frischen ordern können, doch seine Diener schwitzten selbst, trotz ihren leichten Leibchen, und er traute sich nicht, den Arm zu heben, da er den Schweißfleck unter seiner Achsel fürchtete. Sein Nebenmann saß nämlich dicht an seiner Schulter.

      Endlich kamen die Tagesthemen zu den für ihn wichtigen Belangen, zu den Magiern, und Kacey durfte im Namen der Akademie seine Stimme erheben. Ari nickte ihm mit einem Lächeln zu, sie hatte ihn mit Wohlwollen in ihre Familie aufgenommen und ein gewisser Stolz funkelte in ihren Augen, als sie ihn aufforderte: »Oberster Magister Kacey, als neuer Leiter der Akademie besitzt Ihr das Wort. Bitte erhebt Euch.«

      Kacey stand auf, alle Blicke lagen auf ihm. Schon lange machte ihn das nicht mehr nervös, er war so oft bei Versammlungen vorgetreten, um seine Meinung kundzutun, hatte Zustimmung und Abweisung geerntet, dass es für ihn so normal geworden war wie der tägliche Gang zum Abort.

      »Verehrte Lords und Ladys, Räte, Stadtverwalter, Gutsbesitzer und weitere«, er las von seinen Notizen ab, schob Blätter knisternd auseinander und faltete dann die Hände vor dem Bauch. »Ich spreche heute für alle Magier und es besteht Grund zur Sorge. Ich weiß, dass die Kaiserin und der Kaiser alles in ihrer Macht stehende tun, um uns zu schützen, doch nach dem letzten Angriff, habe ich große Zweifel.« Er pausierte kurz, sah dabei auf, fuhr dann fort. »Ihr wisst sicher alle, was ich getan habe, und ich stehe dazu und erwarte, wenn gewünscht, meine Strafe. Deshalb spreche ich heute vor, um zu erklären, was passiert ist.« Er sah sich um, einige Gesichter waren voller Argwohn, andere tuschelten, zweifelsohne über ihn, andere waren schlicht neugierig. »Die sogenannten Hexenjäger drangen erneut in die Akademie ein, mit Schwertern und silbernen Schilden bewaffnet, und griffen alles an, was sich bewegte. Es war mitten in der Nacht, sie verschafften sich leise Zugang, schlugen drei Gardisten nieder und überraschten eine junge Magierin im Erdgeschoss. Sie war sechszehn Sommer, als sie sich in der Küche etwas Milch warm machte. Sie wurde von fünf Schwertern durchbohrt.« Er blickte ernst in die Menge und betonte es noch einmal. »Fünf Schwerter. Breite Klingen, Ritterwaffen, die ein zierliches, kleines Mädchen niederstreckten. Meine Herrschaften, das war grausamer Mord, wie wir es auch drehen und wenden.«

      Er erhielt zustimmendes Gemurmel und Nicken, doch es gab auch trotz aller Traditionen genug Elkanasai, die die Arme verschränkten oder spöttisch schnaubten. Er ignorierte sie.

      »Daraufhin habe ich entgegen des guten Rates meiner Kollegen«, er deutete nach links und rechts zu den beiden Professoren, die ihn begleiteten und sich sichtlich von seinen Entscheidungen absondern wollten, indem sie nickten, »einen Schutzschild um die Akademie gezogen. Es handelt sich dabei um ein intelligentes, selbsthandelndes Kraftfeld, das den Verstand eines ungebetenen Eindringlings verwirrt, ihn vergessen lässt, wo er war, wohin er wollte, sogar wie er heißt, und seinen Fluchtinstinkt weckt, indem es sich bedrohlich zeigt. Es ist ein Alptraumfeld.« Er leckte sich die Lippen, er war stolz auf seine Arbeit, wusste aber auch, dass sie nicht bei allen Zustimmung fand. »Somit fällt diese Art von Schutzschild bereits in die Kategorie der magischen Kriegsführung. Mir ist bewusst, dass diese Art der Zauberei innerhalb der Stadt und innerhalb einer Friedensperiode verboten ist, doch möchte ich darauf hinweisen, dass wir bereits zwei Angriffe abwehren mussten, und einer endete für eine von uns blutig und tödlich.« Auch dieser Worte ließ er wirken, er musste leise schlucken, dann sah er auf. »Ich möchte nicht erneut einer Familie schlechte Nachrichten überbringen. Deshalb beantrage ich, das Kraftfeld bestehen zu lassen und fordere für die Sicherheit der Magier Elkanasais, dass an Akademien wieder Verteidigungszauber und auch Kampfmagie gelehrt werden darf« - er musste ob des durcheinandergeratenen Stimmengewirrs lauter sprechen - »damit wir gegenüber dem Feind, der sich erhoben hat, nicht völlig machtlos dastehen. Ich bitte um genaue und objektive Betrachtung und Beurteilung der Vorfälle und fordere deshalb ein Eilverfahren zur Aufhebung des Verbots der Zerstörungsmagie.«

      Er hatte die letzten Zeilen von seinen Notizen abgelesen, obwohl dort etwas völlig anderes stand. Die ganze Nacht hatte er überlegt, wie er den Begriff geschickt umgehen konnte, denn es war nicht das, was er wirklich wollte. Zerstörung war solch ein hässlicher Begriff. Er wollte nichts zerstören, er wollte schützen. Als er nun aufsah, war er seit Jahren doch das erste Mal wieder nervös.

      Die Anwesenden gingen beinahe über Tische und Bänke, während sie untereinander diskutierten. Es war ähnlich wie auf einem der Gemälde in den Fluren des Palastes, auf denen Versammlungen festgehalten wurden, Momente, als neue Zeitalter anbrachen und neue Denkweisen auf alte trafen, wo Tradition sich gegen Erneuerung auflehnte. Aufgebrachtes Rufen, erhobene Hände, tadelnde Finger, rote Köpfe.

      Kacey verstand nicht ein Wort, doch die Decke und der Boden schienen unter dem Tumult zu vibrieren. Und plötzlich wusste er, wie Riath sich gefühlt haben musste, als er vor sein Volk getreten war und verkündet hatte, dass seine Kräfte erwacht waren und Wexmell ihn zu seinem Erben ernennen würde. Ähnlich wie das Bild, was sich Kacey bot, hatte Riath diesen Tag im Thronsaal in einem Brief an ihn beschrieben. Es war beängstigend zu sehen, wie viele Gegner die Magie besaß, nachdem alle Völker so lange von ihrem Nutzen profitiert hatten. Aber es schien ein Unding, dass die Magie verlangte, sich selbst zu schützen.

      Doch was war so viel anders an einem Mann mit einem Schwert als an einem Mann mit Magie, beide konnten sowohl damit töten als auch schützen. Warum durften Wachen Speere und Schilde tragen, aber Magier mussten ungeschützt umherlaufen?

      Kacey verstand das System nicht, denn in Kriegszeiten wurden seine Schüler dazu genötigt, zu töten, aber wenn man sie persönlich angriff, war Magie zum Einsetzen der eigenen Verteidigung ein Gräuel?

      Die Welt der Magier war ungerechter, für einige Anwesenden in dieser Halle waren Hexer und Hexen nicht mehr als Hunde, Haustierchen, die den Hof bewachen konnten, aber einen Maulkorb aufgezwungen bekamen, wenn sie sich vor einem tierhassenden Besucher verteidigten, der nach ihnen trat.

      Kacey würde es nie verstehen, wie es in Elkanasai zu dieser Art Konflikt gekommen war. Die Elkanasai waren gebildet, fortschrittlich und haben schon immer Seite an Seite mit Magiern gelebt, das halbe Volk war der Magie mächtig. Wie war es möglich, dass Angst und Hass so schnell wie ein Lauffeuer die Runde machen konnte? Ohne ersichtlichen Grund, nur aufgrund von gruseligen Geschichten aus Nohva, wo Kinder angeblich ihre eigenen Eltern während eines Wutanfalls durch unkontrollierte Magie getötet hatten. Wo Hexen Ehemänner verführten oder Liebhaber auf ewig verfluchten, nur weil sie ihre